Graham Nash
Es herrschen ja oft merkwürdige Zustände im Popbusiness; manchmal hört man jahrelang nichts von einem bestimmten Künstler und dann - Crash - überstürmen sich die Meldungen und alles kommt auf einmal.So ungefähr lief es auch mit Graham Nash, jemanden, den wir hier nicht näher vorstellen brauchen. Nachdem es eine Zeitlang sehr ruhig um CROSBY, STILLS, NASH & YOUNG war, gab es Gerüchte, dass die Gruppe wieder zusammen auftreten würde, aber es geschah nichts. Wir wollten schon zuerst selbst nach Los Angeles fahren um Genaueres zu hören, das war aber dann doch nicht nötig, denn ganz plötzlich kam Graham Nash nach Holland. Ein Hobby hatte ihn dorthin getrieben: er ist ein grosser Fan des holländischen Malers Escher, der dort gerade eine Ausstellung hatte. Graham besitzt 16 originale Gemälde dieses Künstlers, er selbst malt, fotographiert und beschäftigt sich sehr viel mit handwerklicher Kunst. Die letzten beiden Jahre hat er damit verbracht, ein Haus zu bauen, ein Haus am Meeresbusen von San Francisco, mit Studio, Dunkelkammer, Atelier und allem, was sonst noch zu einem vollständigen Haus gehört. Zusammen mit seiner Freundin Kelley, die er inzwischen schon 10 Monate kennt, verbrachte er also einen Kurzurlaub in Holland.
IHR LEBT PARADIESISCH
Weisst du, ich wohn‘ jetzt schon sechs Jahre in Amerika und hab‘ mich an das Leben dort gewöhnt, aber wenn man dann in ein Land wie dieses kommt, begreift man erst richtig, dass Amerika ein einziges Irrenhaus ist. Ihr wisst ja gar nicht, wie gut ihr es hier habt, alles so ruhig und freundlich. Wenn man nur die Polizei nimmt, die erscheint mir ja echt wie die Heilsarmee. (Er bezieht das auf die holländischen Polizisten I) In den Staaten sind die Bullen unheimlich aggressiv und verdächtigen jeden der ihnen über den Weg läuft. Ohne irgendeine Begründung verhaften sie dich, oder holen dein Auto ab, oder schiessen, es ist nicht zu glauben. Wenn ich n Bullen sehe, werde ich echt vorsichtig, kletter in mein Auto und seh zu, dass ich verschwinde. Sie sind immer noch auf Langhaarige scharf, ob du nun berühmt bist. oder nicht.
Was hat sich eigentlich damals mit CSN&Y abgespielt, warum habt ihr aufgehört und wann beginnt ihr wieder?
Wir sind vier verschiedene, starke Charaktere und wollten nach der ersten Periode unsere eigenen Pläne verwirklichen. Das ist jetzt passiert, jeder konnte seinen Ego-Trip ausleben und wir sind alle aus unserer stürmischen Phase heraus. Ja, wir sind älter geworden und vielleicht ist die Zeit jetzt dazu reif, dass wir unsere Talente wieder in einer Band zusammenknüpfen, in einer mit der wir sowieso sehr eng verbunden sind. Es ist doch eigentlich komisch, dass wir es nicht länger zusammen aushalten konnten als zwei LPs. (Eigentlich waren es drei, aber Four Way Street‘ war ein Live Album.)
SELBSTBEWUßTSEIN GLEICH NULL-War es deine Idee, die Gruppe wieder zusammenzubringen?
Nichts, was CSN&Y anstellt, ist die Idee eines einzelnen. In der Richtung sind wir sehr demokratisch, aber ich glaube, dass es diesesmal David war, der bei jedem angeklopft hat, um den Stein ins Rollen zu bringen.
Warum hast du damals die Hollies verlassen?
‚Ab einem bestimmten Moment, waren meine Songs bei den Hollies nicht mehr gefragt. Ich schrieb solche Sachen wie ‚Judy Blue Eyes‘ und das wollten sie nicht spielen. Ich fing an, an mir zu zweifeln, denn wenn deine Gruppe die Nummern von dir nicht mehr mag…. glücklicherweise traf ich dann David Crosby, der sich einen Gig von uns in San Francisco ansah. Er fand uns gut und gab mir wieder neuen Aufschwung, weiterzumachen. Mein Selbstbewusstsein hob sich wieder, und so kam es, dass ich am 8. Dezember ’68 mit den Hollies auftrat und am 10. mit David im Studio stand.‘
Ihr fangt also jetzt wieder an, aber was passiert genau?
Wir gehen erst auf Tournee, um uns wieder aneinander zu gewöhnen, wir haben uns vier Jahre nicht gesehen, und das ist doch wohl eine lange Zeit Danach nehmen wir eine neue LP auf, aber das ist es auch schon. Alles hängt von den Resultaten ab, die wir dabei gewinnen. Es sieht im Augenblick nicht so aus, als würden wir nach Europa kommen, es bleibt wohl eine amerikanische Affaire. Eigentlich sollte ich diesen Monat selber auf Tournee gehen, aber durch die heutige Entwicklung habe ich das auf den Herbst verschoben. Ich bin voll damit beschäftigt, eine Gruppe auf die Beine zu stellen, der Bassist wird wohl Tim Drummond sein und einen Pianisten habe ich auch schon. Es wird wahrscheinlich eine 4 oder 5 Mann Band werden
MUSIKALISCHE ENERGIE Kennst du dich überhaupt noch in der englischen Pop- scene heute aus?
Eigentlich hab ich den Kontakt ein bisschen verloren, aber natürlich hört man immer was. Ich finde die heutige Qualität fürchterlich schwach und vor allem traurig für die Jugend, die nichts anderes mehr kennt, als Slade, Sweet etc. Sie wissen ja gar nicht, was sie alles vermissen. Als ich hörte, dass Dylan auf Tournee geht, fiel mir ein Stein vom Herzen: endlich mal wieder was von der guten alten Qualität. Neil Young trägt in der letzten Zeit sehr demonstrativ ein T-Shirt mit der Aufschrift: Everthing Gets Cheeper Than It Was , sein Roadmanager hat dann noch dazugefügt: The Best Cost Just A Little More – ich finde, das ist für den ganzen Trend heute sehr typisch Man kann alles im Sonderangebot oder aus Plastik kaufen Ich bin ja wirklich froh darüber, dass ich machen kann, was ich will. Ich brauch‘ der Plattenfirma oder dem Manager überhaupt keine Zugeständnisse zu machen, höchstens, um mehr Platten zu verkaufen, aber das ist ja nicht unbedingt nötig. Steven, David und Neil machen auch keine Konzessionen, das macht sie auch zu so starken Persönlichkeiten; kannst du dir Dylan mit Zugeständnissen vorstellen — um von den Beatles mal ganz zu schweigen
Du hast ja jetzt einiges davon erzählt, wie stark du Amerika findest. Warum bleibst du trotz allem da?
Amerika hat zwar seine schlechten Seiten, aber auch seine guten. Die Landschaft z.B. ist wahnsinnig. Es haut dich einfach um, wenn du von einem Felsen auf den Grand Canyon herab siehst …es ist unbeschreiblich. Dazu kommt, dass ich jetzt schon sechs Jahre in San Francisco lebe. Ich hab‘ dort mein Haus und meine Freunde. Ich wohn‘ direkt am Ozean, aber ich brauch‘ nur eine Stunde zu fahren, dann bin ich mitten in der Wüste, oder in Gebirge, worauf ich eben gerade Bock habe. Da sitzt irgendwo eine ganz dicke musikalische Energie .Alle Gruppen und Künstler wohnen in LA. Ich arbeite auch viel mit Gruppen wie Greatful Dead oder Jefferson Airplane genau wie David. Es herrscht dort eine Sphäre, die ich nicht mehr missen will.