Goldschürfer
Wie erlebten Sie als Amerikaner das doch vornehmlich britische Phänomen Glamrock?
„Als ich elf war gab es an meiner Schule in Kalifornien ein paar richtig harte Glam-Girls, die Zigaretten rauchten und total auf Elton und Iggy standen. Ich weiß noch, wie eine von ihnen im Schulbus sagte, daß Bowie bisexuell sei. Das faszinierte mich und stieß mich gleichzeitig ab. Bei einem Freund habe ich mir dann zum ersten Mal „Diamond Dogs“ angehört, konnte aber nicht viel damit anfangen. Erst in der Highschool fing ich an, darauf abzufahren, nachdem ich Lou Reed entdeckt hatte.“
Was brachte Sie dann dazu, Glam als Filmstoff zu auszuwählen?
„Ich habe mich immer gefragt, warum Glam von Filmemachern und Buchautoren als Ära übergangen wurde. Ich weiß nicht so recht, woran das liegt. Vielleicht war die Ära zu subversiv, als daß man sie massengerecht aufbereiten könnte. Es ging um das Hinterfragen von Rollen, nicht nur sexueller Natur. Indem sich die Glam-Fans verkleideten und mit abenteuerlichen Namen neu erfanden, stellten sie die Frage, ob nicht alle in unserer Gesellschaft Masken tragen und bloß Rollen spielen. Was, wenn Daddy nicht einfach nur der Daddy war, wie er sich seiner Familie präsentierte?“
Geht es darum auch in Ihrem Film?
„In „Velvet Goldmine geht es um die aktive Rolle, die der Fan in so einem bestimmten Moment der Popgeschichte spielt. So stelle ich eine Verbindung zu anderen Filmen und Musikstilen her, die einen Rollen spielen lassen. Unsere Faszination mit dem Akt des Zusehens wurde von Glam in einer Weise vorweggenommen, wie es davor keiner anderen Spielart der Popmusik gelungen ist. Die Texte, die melodramatische Musik, das Auftreten haben allesamt unmittelbare Wirkung auf den Akt des Zusehens. Die Rollen, die wir alle im Leben spielen, werden von den Rollen, die sie auf der Bühne spielen, bloßgestellt.“
Glauben Sie an ein Glam-Revival?
„Glam legte als erste Pop-Bewegung extrem viel Wert auf Aussehen und Inszenierung. Heutzutage ist das alltäglich. Nach all den Madonnas, Boy Georges oder Princes hat das viel von seinem ursprünglichen Reiz verloren. Ihr Auftreten läßt einen nicht mehr über sich selbst reflektieren, wie es bei Bowie, Ferry, Eno noch der Fall war. Glam verlieh dem bloßen Akt des Zusehens Energie und Bedeutung. Im heutigen Klima wäre das nicht mehr möglich, weil uns jedes erdenkliche Bild sofort und außerhalb seiner kulturellen Zusammenhänge zugänglich ist. Glam blieb jener abscheuliche Recycling-Prozeß erspart, der nahezu allen anderen wichtigen Kapiteln der Rockgeschichte widerfahren ist, weil die Bewegung ihr eigenes Ende vorhersagte und sich buchstäblich selbst tötete – Bowie ließ Ziggy sterben, Eno verließ Roxy Music.“