Was kann vier Musiker, alle über die 30 hinaus, nach fast dreijähriger Pause dazu bewegen, erneut ins Studio und auf die Bühne zu gehen? Ist das Geld ausgegangen, wurde die Langeweile zu groß?
Nun, keines der Klischees trifft zu. Zwar hörte man in den vergangenen Jahren von George Kooymans, Barry Hay, Rinus Gerritsen und Cesar Zuiderwijk rein gar nichts, doch heißt das nicht, daß sie sich aufs Altenteil zurückgezogen hätten. Golden Earring haben sich ausgeruht, ihre Situation nach zwar erfolgreichen, aber teuren USA-Tourneen überdacht. Ergebnis: Sie wollen sich mehr auf Europa konzentrieren und – musikalisch ein Resümee ihrer bisherigen Arbeit anbieten.
Damit ist schon klargestellt, daß die Gruppe nicht den Anspruch erhebt, um jeden Preis Neues zu bieten. Nichtsdestotrotz steht sie in Holland wieder einmal ganz oben. Die LP CUT stieß bis auf Platz Eins vor, die Single „Twilight Zone“ reiht sich nahtlos an Erfolge wie .Back Home“ und „Radar Love“ an.
An diesem Abend spielt die Band in einer gräßlichen Sporthalle in Franeker – eine Kleinstadt, flaches Land, einige Dörfer drumherum. Nichts, was darauf schließen lassen könnte, wie sich der riesige Betonkoloß füllen könnte. Tut er aber. Fünftausend Fans, ausverkauft!
Allen akustischen Widrigkeiten zum Trotz stimmt der Sound, hart, kräftig, laut aber nicht zu laut, ein homogener Klang – aber kein Klangbrei. Das rauhe, kantige Schlagzeug und der Baß treiben voran, immer wieder interessante Breaks, ohne sich zu verlieren. George Kooymans Gitarre ist wilder, kratziger als auf Platte. Barry Hays Stimme ist uneingeschränkt voluminös, schafft alle Höhen und Tiefen. Gegenseitig treiben sie sich an. Ein Gruppenerlebnis, nie steril, nie altbacken. Alte Songs aus über 12 Jahren stehen neben aktuellen Stücken, das Publikum kennt sie alle. Der Schweiß im Publikum und auf der Bühne wirkt ehrlich, unaufgesetzt. Die Gruppe schafft sich, 90 Minuten und mehrere Zugaben lang. Ein (Hardrock-)Konzerterlebnis, nichts Angegrautes, Angestaubtes aus der Abstellkammer. Grund: Golden Earring haben Bock, schlicht und einfach Spaß an ihrer Musik. 5000 hatten ihn auch, mich eingeschlossen. Kein Revival – sondern Fortsetzung.
