Glenn Branca – München, Alabama-Halle


Um’s gleich vorweg zu nehmen – dieses Konzert war das musikalische Ereignis dieser Saison. Sozusagen aus heiterem Himmel. Nur ein Plakat, das neugierig machte, und eine fast verschwörerische Mundpropaganda, durch die man aber auch nichts Konkretes erfuhr, waren die raren Informationen. Immerhin wurde ein sehr buntgemischtes Publikum mobilisiert, das noch heute von „diesem Ereignis“ schwärmt.

Gitarrist Glenn Branca stammt aus der New Yorker Kunstszene, war als Schreiber, beim Theater und Film beschäftigt und bei zwei Gruppen, die groben New Wave spielten: Statte und Theoretical Girls. Performance ist sein Ziel, eine Platte gibt es, ein Konzertmittschnitt aus München soll im Sommer erscheinen. Entdeckt haben ihn die Avantgarde- und Jazzkreise, die denn zwischen Punks und Anhängern ernster Musik zahlreich vertreten waren. Aber Glenn Branca’s Musik hat wenig mit dem einen oder anderen oder irgendeiner gängigen Kathegorie zu tun. Seine Musik ist frisch, neu, völlig unbeeinflußt, klar. Mit vier weiteren Gitarristen, von denen einer auch Baßgitarre spielte und ein anderer bei einer Band namens Chinese Puzzle arbeitet, und von einem Schlagzeuger wird hier Minimal-Rock gemacht. Auf wenige Akkorde beschränkt, vom furiosen und humorvollen Schlagzeug zusammengehalten, bauten die fünf einen mächtigen, hypnotischen Sound auf, der angriffslustig und dennoch nicht aggressiv klang. Es läßt sich schwer beschreiben, was da wirklich geschah, aber die Abenteuerlust, Komplexität und Kompromißlosigkeit waren einfach hinreißend. Wild und wüst und trotzdem mit viel Disziplin und Präzision vermittelte die Musik das Gefühl vom Großstadtleben des 20sten Jahrhunderts auf ganz rigorose Weise. Oberflächlich gehört, dachte man an strukturierten Lärm, der aber außerordentlich differenziert und vielschichtig war. Auch die Auftrittsart, ohne Bühnenbeleuchtung, bei normalem Saallicht, die natürliche Choreographie der fünf besessen spielenden Gitarristen, schaffte eine Atmosphäre von Kunst-Vernissage und sachlichem Wahnsinn. Dieses Konzert konnte man nur als Fan verlassen.