Gips mir… Hendrix im Härtetest


Manche Leute geben sich mit den Autogrammen ihrer Lieblinge zufrieden, doch für Cynthia Plaster Caster zählt nur der ganze Mann. Schmuckstück ihrer Sammlung: der Dödel von Jimi Hendrix.

Von allen Hendrix-Reliquien ist ein 27 Jahre alter Gipsabdruck seiner Erektion wohl die skurrilste. „Der Penis von Milo“, wie seine Besitzerin Cynthia Plaster Caster das gute Stück liebevoll nennt, wurde am 25. Februar 1968 in Jimis Zimmer im Chicagoer Conrad Hilton Hotel zwischen zwei Auftritten der Experience für die Nachwelt verewigt. Der Gipsabdruck war Cynthias erste Trophäe. „Er ist uns wirklich gut gelungen“, strahlt sie begeistert. „Naturlieh hat das Stück einen großen Erinnerungswert.“ Cynthia und ihre Kolleginnen Dianne und Marilyn machten sich an Hendrix heran, als er und seine Band in eine Limousine stiegen. „Sie winkten uns zu sich herüber, und zuerst dachten wir, sie wüßten, wer wir sind“, erinnert sich die Gipskünstlerin. „Dabei winkten sie allen Mädchen zu. Jedenfalls sprangen wir in ein Taxi und folgten ihnen ins Hotel. Dort fragten wir Jimi, ob er sich für einen Gipsabdruck zur Verfügung stellen würde, und er sagte sofort: ‚Klar, kommt mit auf mein Zimmer‘.“

Cynthia und ihre Freundinnen hatten einen Diplomatenkoffer mit der Aufschrift „The Plaster Casters Of Chicago“ dabei, in dem sie die notwendigen Utensilien transportierten (Gips, Alginat, Meßlöffel, Vaseline, Plastikbecher, Spachtel und eine Blumenvase). Der Plan war, daß Hendrix seine erigierte Männlichkeit in die mit Alginat gefüllte Vase stecken und kurz vor dem Erschlaffen wieder herausziehen sollte. Dann wollte Cynthia den entstandenen Hohlraum mit Gips ausgießen. „Wir kamen gleich zur Sache“, erinnert sich Cynthia. „Ich begab mich im Badezimmer ans Abmessen der Zutaten, während Marilyn Aufzeichnungen machte. Jimis war übrigens der erste Penis, den sie je zu Gesicht bekam. Dianne war für die Erektion verantwortlich. Ob sie nervös war? Sie hatte den Mund so voll, daß ich in ihrem Gesicht keine Spur von Nervosität entdecken konnte. Ich glaube, sie versuchte verzweifelt, sich auf das monströse Ding in ihrem Mund zu konzentrieren.“

Diese Episode trug natürlich zu Jimis Legende als unersättlicher Sexgott bei – zumal Cynthia folgende Details im Caster-Tagebuch vermerkte: „Er hat eindeutig das größte Ding, das ich je gesehen habe! Wir mußten ihn bis zum Boden in die Vase eintauchen und bekamen einen wunderschönen Abdruck. Er hielt seine Erektion eine ganze Minute lang. Dummerweise brauchten wir dann noch mal 15 Minuten, um sein Schamhaar wieder freizubekommen, aber Jimi war kein Spielverderber und behielt die Nerven. Es machte ihm sogar Spaß – ich glaube, er hatte Schwierigkeiten, aus der Vase herauszukommen, er schien gar nicht wieder schlaff zu werden. Als nichts passierte, mußte ich ihn buchstäblich herausziehen, erinnert sich Cynthia gerührt. „Ich hatte sein Schamhaar nicht eingefettet, weshalb ich jedes Haar einzeln herauspulen mußte. Jimi störte das nicht. Ich konnte es kaum erwarten, das Endergebnis zu sehen, und ließ vor lauter Aufregung die Form fallen. Nachdem ich sie vorsichtig wieder zusammengesetzt hatte, ließ ich sie noch sechs bis zwölf Stunden lang stehen, so daß glücklicherweise kein Schaden entstand. Der Abdruck ist ziemlich riesig, sehr dick und ganz schön lang wenn auch bei weitem nicht der längste in meiner Sammlung.“ Cynthia mußte fast 20 Jahre lang ohne den Penis von Milo und ihre 25 anderen Star-Abdrücke leben, weil der Typ, dem sie die Kunstwerke seinerzeit anvertraut hatte, die guten Stücke nicht wieder herausrücken mochte. Ein langwieriger Rechtsstreit wurde schließlich zu Cynthias Gunsten entschieden, und nach jähren der Trennung ist sie wieder mit ihren „Babies“, wie sie die Plastiken zärtlich nennt, vereint.

Die Idee zu ihrem ausgefallenen Hobby entstand im Mai 1965, als die Rolling Stones in Chicago auftraten. Cynthia und ihre Freundin schwänzten die Schule und machten sich auf die Suche nach der Band. „Soweit ich weiß, gab es damals in Amerika noch keine Groupies in Chicago waren wir auf jeden Fall die ersten. Wir lokalisierten ihr Hotel, standen blöd rum und starrten sie an, als sie endlich auftauchten. Ich lief auf den erstbesten zu, der durch die Tür kam ¿ später stellte sich heraus, daß es Andrew Loog Oldham war – und fragte völlig verstört: ‚Bist du ein Stone?‘ Er sagte: ‚Yeah, Baby‘ und ging mir sofort an die Wäsche. Alles drehte sich, ich konnte weder hören noch sehen und fühlte nur seine Zunge in meinem Ohr. Ich drehte durch, immerhin hatte ich noch nie Sex gehabt, und plötzlich stand ich mit einem richtigen Mann, der sich rasierte und sexy nach Scotch roch, mitten in der Hotellobby. Er ließ mich fallen wie eine heiße Kartoffel, aber glücklicherweise hatte meine Freundin auf der Anzeigetafel beobacht, in welcher Etage der Lift anhielt. Sie verschwand in Micks und Keiths Zimmer.“

Kurze Zeit später mußte Cynthia, die damals an der Universität Kunst studierte, als Hausaufgabe einen „Gipsabdruck von einem harten Gegenstand“ machen. Sie verwirklichte das ungewöhnlichste Projekt der ganzen Klasse. „Die Idee kam uns im Zusammenhang mit den Hollies“, erinnert sie sich. „Wir gingen in ihr Hotel, klopften an alle Türen und fragten, ob jemand an einem Gipsabdruck interessiert sei. Der abgehalfterte Country-Star Billy Joe Royal öffnete die Tür und schwenkte seinen riesigen, alten Schwanz wie eine Schlange hin und her. Ich hatte vorher noch nie einen Penis gesehen und rannte laut kreischend davon.“ Cynthia fand ihren ersten Freiwilligen bei den Raiders, doch anstatt einen Abdruck zu nehmen, verlor sie ihre Unschuld. „Mir wurde klar, daß ich eine gute Masche entdeckt hatte – so konnte ich das Interesse der Bands wecken und sie dazu bringen, die Hosen runterzulassen.“ Es gab jedoch auch Fehlversuche, Keith Moon, einer von Herman’s Hermits und ein Mitglied von Procol Harum weigerten sich, in Gips verewigt zu werden. Heute ist Cynthia zwar immer noch begeistert bei der Sache, gießt jedoch seltener. „Ich bin mit meiner Sammlung sehr zufrieden, wenn alle Stücke nebeneinanderstehen, ist das ein atemberaubender Anblick.“ Sie ist bei der Auswahl ihrer Objekte sehr wählerisch und gießt nur Künstler, deren Arbeit sie bewundert. Viele der Auserwählten lehnen mit den unterschiedlichsten Begründungen ab, angefangen bei der einfallslosen Ausrede „Meine Freundin bringt mich um“ bis hin zum Klassiker „Ich stecke meinen Schwanz in keinen Brennofen“ (Zitat des entsetzten Drummers der Gaye Bykers On Acid, der wohl nicht richtig zugehört hatte). Kürzlich fragte Justin, Mit-Glied ihrer derzeitigen Lieblingsband Elastica, ob sie einen Abdruck von ihm machen würde. Cynthia bejahte höflich, obwohl sie mehr an einem Brust-Abdruck seiner Bandkollegin Justine interessiert war. „In diese Richtung würde ich gerne expandieren.“

Ihre Tagebücher hat sie sorgfältig aufgehoben und denkt darüber nach, irgendwann eine Autobiographie zu veröffentlichen. Und was ist aus ihren Mitarbeiterinnen geworden? „Dianne habe ich leider aus den Augen verloren.“ Und Marilyn? Cynthia grinst: „Na ja, sie ist eine wiedergeborene Christin geworden. Als sie Jimis Riesending sah, war das wohl eine religiöse Offenbarung.“