George Michael: London, Wembley Arena


Düsterstes Wembley, ein dunkelgrauer Abend: Man kurvt um die Ecke einer Fabrik – und da steht auch schon die Arena in voller Glorie, auf ihrer Fassade eine Projektion des Menschenschwarms vom Cover des Albums Listen Without Prejudice. Derart opulente Werbung ist selbst im Londoner Pop-Zauberland selten. Am Eingang dann eine nette Geste: Jeder Tikketbesitzer bekommt eine nur bei den vier Wembley-Gigs erhältliche Kassette mit vier bisher nicht in dieser Form veröffentlichten Tracks.

Die Show findet zunächst hinter dem Vorhang statt: Sie beginnt mit dem Riff von „Papa Was A Rolling Stone“. Wir erwarten Bill Wyman – stattdessen fallen die mannigfachen Lichtkegel plötzlich auf einen Mann, der mitten auf der Bühne steht wie eine Mischung aus Arnold Schwarzenegger und Freddie Mercury. „Halb, ich bin Gazza“, sagt er nach einigen Songs. Den gleichen Haarschnitt wie Fußballer Paul Gascoigne hat sich jetzt auch George Michael zugelegt, wie man nach Gazzas Auftakt feststellen konnte: rüstig rundum und mit millimeterlangen Stirnfransen, die seine Pausbacken so richtig zur Geltung bringen.

„Ich hoffe, ihr seid einverstanden“, meint George, „wenn wir einfach unsere Lieblingssongs spielen und hoffen, daß es auch eure sind.“ Es folgt ein Programm, in dessen Ablauf Michael die lauten wie die leisen Töne ganz gut trifft. Seine Band – Keyboards, Baß, zwei Gitarren, zwei Perkussionisten. gelegentlich Saxophon, dazu drei Background-Stimmen – wechselt präzise zwischen langsamen, mittelschnellen und schnellen Tempi, wobei Tiefgang oder gar Soul leider fehlen. So folgen kompetente, aber phantasielose Interpretationen von Hits wie „Back To Life“ von Soul II Soul oder Gladys Knights „Baby Don’t Change Your Mind“. Wenn er mal nicht singt, rennt George wie ein besessener Bulle von der linken Bühnen-Plattform zur rechten, um sich auf beiden Seiten ein paar Tanzposen zu leisten: Gewisse Schritte hat er sich zwar bei Michael Jackson ausgeborgt – aber er sieht dabei aus wie ein steifer John Travolta. Dann folgen eigene Songs in neuen Arrangements – „Freedom“ und „I Want Your Sex“, „Faith“ und Whams „I’m Your Man“.

Nichts gegen die Musik – sie ließ sich eigentlich trotz der plattfüßigen Rhythmen noch ganz gut aushalten. Aber auf Dauer nervte jedoch der demonstrative finanzielle Aufwand der Show ganz erheblich. Die Lichter waren ohne Zweifel auf dem absolut neuesten Stand der Technik. Und ein paar Augenblicke lang schwebte man auf Wolken, als in „Father Figure“ plötzlich ein 24köpfiger Gospelchor mitzusingen begann.

Aber trotz dieser Opulenz fehlte es an jenem legeren Stilbewußtsein, das keine Beratung von einem Designer braucht. Hier wurde Reichtum demonstriert – obwohl es doch nur ein spaßiger Abend sein sollte.

Dennoch gab’s ein Glanzlicht der besonderen Art: In „Don’t Let The Sun Go Down On Me“ stand auf einmal der wahrhaftige Elton John auf der Bühne und zeigte mit schwerelosem Charisma und ganz leichtem Tremolo in der Stimme in eineinhalb Minuten, wie man’s richtig macht – ein dröhnender Beifallssturm brach los. Immerhin war es sehr mutig von George Michael, daß er sich einem solchen Vergleich stellte.