Gefühl & Härte


München, „"Macht der Nacht"

Gefühl & Härte“ heißt die Wanderausstellung „zur Geschichte der deutschen Rockmusik“, mit der das Goethe-Institut den Rest der Welt davon in Kenntnis setzen will, daß es auch hierzulande und nicht erst seit gestern Musikformen gibt, die ohne Partituren und Dirigenten funktionieren. Bevor das Unternehmen auf die Reise ging, wurde es in München den Medien präsentiert -— anschließend führten die Ärzte, die Rainbirds und Nina Hagen vor, wohin es die „deutsche Rockmusik“ in ihrer 30jährigen „Geschichte“ gebracht hat.

Immerhin soweit, daß man heute auf der Bühne all das singen und sagen darf, wovor mich meine Eltern vor 15 Jahren immer gewarnt haben. Die drei Ärzte mußten ihr 150-Minuten-Programm fürs Goethe-Spektakel zwar um eine Dreiviertelstunde kürzen, festigten aber auch mit der Kurz-Version ihren Ruf als die deutsche Teenie-Band schlechthin. Wo ihre Fans verklemmt sind, werden sie deutlich: Bela, Farin und Hagen klopfen genau die Sprüche, die sich viele 16jährige nicht mal zu denken trauen. Und für die Volldampf-Musik dazu brauchten andere Bands mindestens zwei Musiker mehr. Das Zelt tobte, und besonders die Jungs im Publikum signalisierten immer wieder grinsend und nickend vollinhaltliche Zustimmung. Auch die Rainbirds mußten ihren Auftritt auf zwei Drittel der üblichen Live-Show raffen, was ihr Konzert insgesamt straighter/rockiger wirken ließ, ohne daß deshalb auf die leisen Töne verzichtet worden wäre. Ansonsten waren im Vergleich zur Frühjahrs-Tournee keine umwälzenden Neuerungen zu verzeichnen, außer daß es den Vieren hörbar gut getan hat, daß sie zwischendurch mal wieder ein paar Tage Urlaub machen konnten.

Auch wenn sich die allgegenwärtige Nina Hagen als Höhepunkt des Abends fühlte – — nach den Rainbirds hatte sie nichts zu lachen. Zumal sie statt mit ihrer Band nur mit hüpfenden Negern zu Halb-Playback auftrat und sich nach zweieinhalb Nummern schon wieder verabschiedete, was enttäuschte Anhänger zu lautstarken „Geldzurück!“-Forderungen animierte.

Dabei war sie ausnahmsweise gar nicht selber schuld, sondern hatte -— wie die gesamte Veranstaltung -— unter den schlichtweg lächerlichen Auflagen der Stadt München zu leiden, die sich einmal mehr als Spielverderber erster Güte präsentierte: Mit Rücksicht auf ein angrenzendes Kasernengelände durfte im „Macht der Nacht“-Zelt erst ab 17 Uhr geprobt werden (Angst vor akustischer Wehrkraftzersetzung?), außerdem war Live-Musik nach Mitternacht nicht mehr gestattet, so daß Nina Hagen, selbst wenn sie „richtig“ gespielt hätte, vermutlich mittendrin plötzlich der Saft abgedreht worden wäre.

Gesetzt den Fall, der Rest Deutschlands wäre genauso popfeindlich drauf wie München, die Weltstadt mit Schmerz, hätte es die „Gefühl + Härte“-Ausstellung nie gegeben.

Weil es gar keine deutsche Rockmusik gegeben hätte.