Garbage: Stupid Girl
Auch wenn ihr Hit so heißt: Ein dummes Mädchen ist Shirley Manson ganz sicher nicht. Im Interview mit ME/Sounds spricht das Garbage-Girl über sein Image als Sex-Symbol und Pläne im Pop.
Welche Frage haben dir meine Journalisten-Kollegen in den letzten Wochen am häufigsten gestellt?
Warum habt ihr denn so lange gebraucht, um euer neues Album einzuspielen?
Ja, und warum habt ihr denn so lange gebraucht, um euer neues Album einzuspielen?
(lacht) Weil wir es lieben, diese Frage gestellt zu bekommen. Nein, im Ernst, wir hatten einfach nicht das Gefühl, uns beeilen zu müssen. Wir sind ja auch keine Maschinen, die Musik am Fließband produzieren.
Aber auf der anderen Seite wollt ihr doch sicher auch nicht wie Pink Floyd enden, die nur alle Jubeljahre mal eine neue Platte herausbringen, oder?
Nein, sicher nicht. Aber so lange haben wir uns nun auch wieder nicht Zeit gelassen.
Durch sexuell eindeutige Äußerungen und dutzende Titelbilder auf diversen Hochglanzmagazinen giltst du als Sexsymbol. Inwieweit hast du selber zu diesem Medienhype beigetragen?
Ich kenne eine ganze Reihe von Frauen, die ihr Image als Sex Kitten richtig schön pflegen. Ich aber habe nie das Bedürfnis verspürt, als Sexobjekt gesehen zu werden, und ich werde dieses Bedürfnis wahrscheinlich auch nie verspüren.
Ja, aber von irgendwoher muß dieses Image doch kommen?
Wahrscheinlich liegt das daran, daß ich ganz offen über Sex und Drogen rede. Und wahrscheinlich wäre es manchmal besser für mich, einfach meinen Mund zu halten und nicht über solche Dinge zu sprechen. In Interviews versuche ich, immer so sehr ich selber zu sein, wie es nur irgendwie geht. Und diese Offenheit kann eben manchmal dazu fuhren, daß sich die Leute dann eine falsche Vorstellung von mir machen, weil sie mich gleich in eine Schublade stecken. Außerdem denken die meisten Leute, auch die Journalisten, oft in Stereotypen. Okay, ich kann gut aussehen auf dem Titelbild einer Illustrierten. Jede Frau kann gut aussehen, wenn sie nur richtig zurechtgemacht ist. Aber ich kann auch so richtig scheiße aussehen, wie jede normale Frau.
Trotzdem hast du Image der Sexbombe, des Rock Chick, der Pop Queen weg. Wie lebst du damit?
Ein deutscher Journalist hat mir einmal frei heraus gesagt: „Man nennt dich das Sexsymbol der 90er Jahre? Aber wenn ich dich so ansehe, muß ich sagen, du bist überhaupt nichts, du bist nicht mal attraktiv“. Und genau das ist es. Mit meinem Aussehen habe ich schon mein ganzes Leben lang zu kämpfen. Ehrlich, ich finde es bizarr, daß diese ganze Sex Symbol-Geschichte auf mich projiziert wird. Es gibt viele Frauen, die ohne zu zögern ihre Bluse ausziehen und wirklich ganz bewußt an ihrem Image als Sexsymbol arbeiten. Aber das ist absolut nicht mein Ding. Das Seltsame ist ja, je weniger Hüllen du fallen läßt, desto mehr wollen die Leute, daß du dich ausziehst. Ich habe jedenfalls nie meine Klamotten für ein Foto ausgezogen, egal wie sehr die Leute das auch wollten. Ich mußte es nie tun ,und ich werde es nie tun. Es sei denn, sie würden mir eine astronomische Summe bieten.
Du verdienst ja genug Geld, um solche Angebote abzulehnen.
Wenn ich sage astronomische Summe, dann meine ich auch eine astronomische Summe. Ich rede von Millionen. Eigentlich wäre es mir egal, meine Klamotten auszuziehen. Ich habe überhaupt kein Problem mit Nacktheit. Ich schaue mir gern nackte Körper an. Aber der Gedanke, daß jemand meinen Körper für seine Zwecke verkauft? Wenn, dann verkaufe i c h meinen Körper, falls ich das mal müßte. Ich habe bereits Angebote von „Penthouse“ und „Playboy“ bekommen – kannst du dir das vorstellen? Ich, auf dem Cover des „Playboy“? Was glauben die eigentlich, was bilden die sich eigentlich ein?
Vergessen wir mal den „Playboy“. Es macht dir doch Spaß, dich auf Zeitschriften-THeln zu sehen, oder?
Wir haben mit einigen der besten Fotografen der Welt gearbeitet, und irgendwie schaffen die es immer, daß du richtig „heiß“ aussiehst. Du siehst auf ihren Fotos einfach immer fantastisch aus – viel besser, als du dir es jemals erträumt hast. Und natürlich auch viel besser, als du in Wirklichkeit aussiehst. Klar ist das ein nettes Gefühl, wenn du denkst, der Typ hat mich großartig fotografiert. Aber die Person auf dem Titel bin ich ja nicht wirklich. Ich weiß, daß ich in Wirklichkeit nicht so aussehe wie auf dem Cover von „The Face“.
Mal abgesehen von optischen Dingen, werden die Medien dir und der Band gerecht?
Manche Zeitschriften bringen gut rüber, wie wir wirklich sind. Und dann gibt es natürlich auch einige Journalisten, die uns so richtig miesmachen und unsere Musik verreißen. Es ist immer Raum für Fehlinterpretationen da.
Für welche lum Beispiel?
Neulich hat uns ein amerikanischer Journalist vier Tage lang auf Tour begleitet…
Von welcher Zeitschrift?
…kein Kommentar. Dieser Typ hat praktisch mit uns zusammengelebt. Und das einzige, was er dann geschrieben hat, war eine Aneinanderreihung von Shirley-ismen, eine Reihe unanständiger Sachen, die total aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Jeder sagt mal „fuck vou“ oder „Arschloch“.
Hattest du schon mal Schwierigkeiten mit aufdringlichen Fans?
Nein, niemals. Sowas passiert wahrscheinlich nur richtigen Superstars. Und ich bin nicht auf dem Startrip. Besonders in Amerika ist es nach wie vor ungewöhnlich, daß die Frontfrau einer Band so am Boden geblieben ist wie ich. In den Staaten müssen Musiker den Rang von Superstars einnehmen, auch in ihrem Verhalten. Sie müssen wild sein, ausgeflippt und auf tollen Parties rumhängen und diesen ganzen Blödsinn machen. Und dann werden sie als Künstler ernstgenommen. Und ich glaube, daß wir deshalb in Amerika so viel Aufmerksamkeit erregt haben, weil wir eben nicht so sind und diesen ganzen Mist nicht mitmachen. Und eben weil wir uns verweigern, haben wir auch keine Probleme mit den Fans.
Glaubst du, daß die Amerikaner ein Problem mit starken Frauen haben?
Nein, nicht mehr als andere auch. Vielleicht ist sogar eher das Gegenteil der Fall. Es sind viel mehr Frauen in den amerikanischen Charts vertreten als in irgendwelchen anderen Charts.
Mag sein, aber schau dir mal an welche: Mariah Carey und Celine Dion.
Gut, es gibt aber auch noch Fiona Apple und Alanis Morissette.
Auch nicht unbedingt viel besser.
Es gibt eine wichtige Sache, die diese Frauen verbindet, ob du sie nun magst oder nicht. Der Punkt ist, daß mehr Frauen in den amerikanischen Charts vertreten sind als in irgendwelchen anderen Charts sonstwo auf der Welt. Und allein das ist meiner Meinung nach schon lobenswert, weil das längst überfällig war.
Weil wir gerade von Frauen in der Musik reden: Was hältst du von den Spice Girls?
Erstens: Ich halte die Spice Girls nicht für Musikerinnen. Zweitens: Sie sind nicht mal gute Sängerinnen.
Aber sie sind sehr schlau.
Ihr Manager muß ein schlaues Kerlchen sein, ein unheimlich schlaues Kerlchen.
Sie managen sich selber, sagen sie zumindest.
Ja, das sagen sie. Ich habe kein Problem mit den Spice Girls als popkulturelles Phänomen. Was mich an ihnen aufregt ist, daß sie sich mit diesem Etikett „Girl Power“ schmücken. Und sie sagen einer ganzen Generation von jungen Frauen, daß sie dann „Girl Power“ besitzen können, wenn sie nur mit ihren Titten wackeln und ihren Bauchnabel zeigen. Unter „Girl Power“ verstehe ich etwas anderes, als die Faust in die Luft zu recken und „Girl Power“ zu schreien. Die Frauen sind meiner Meinung nach immer noch benachteiligt. Lind bis sie auf intellektueller Ebene ihren eigenen Weg gefunden haben, müssen sie lernen, smart zu sein, sie müssen lernen, gegenüber den Männern ihre Weiblichkeit einzusetzen.
So wie Madonna?
Ja, Madonna ist unglaublich smart. Das einzige, was mich traurig macht im Zusammenhang mit ihr: Sie scheint einfach nicht glücklich zu sein. Sie hat so großes Talent und verfügt über einen absolut scharfen Verstand, aber sie scheint einfach nicht in der Lage zu sein, ihr persönliches Glück zu finden. Ich glaube, daß Madonna emotional unterentwickelt ist. Sie ist emotional auf dem Stand einer 15jährigen.
Möchtest du das für die 90er Jahre sein, was Madonna für die 80er Jahre war? Das Hole Model eines Jahrzehnts?
Nein, ich möchte mir diese Verantwortung nicht auflasten. Mich in teressieren solche Dinge nicht.
Aber Ruhm interessiert dich schon?
Ich hatte schon immer die Sehnsucht, berühmt zu werden. Und ich glaube, daß das Leben zu kurz ist, um eine gute Gelegenheit einfach sausen zu lassen. Wenn du die Chance auf eine Karriere erhältst, warum solltest du dann nicht zugreifen? Ich bin nur einmal hier auf dieser Welt als Shirley Manson, und deshalb will ich aus meinem Leben den besten Trip machen, den ich mir nur vorstellen kann.
Gehört zu diesem Trip vielleicht auch eine Filmkarriere? Hollywood soll ja angeblich auch schon bei dir angeklopft haben.
Ja, das ist richtig.
Welche Filmangebote hast du bekommen?
Ach, die verschiedensten. Von saublöden Rollen bis hin zu ganz guten.
Und warum hast du nicht zugegriffen? Zumindest bei den ganz guten.
Ich würde gern eine ganz bestimmte Rolle haben.
Welche denn?
Das will ich noch nicht verraten. Ob ich diese Rolle übernehmen kann, hängt einfach und allein von unserem Zeitplan ab. Es sieht fast so aus, als ob ich in diesem Jahr nur Zeit für die Band haben werde.
Es gibt ein Gerücht über dich…
Oh, nur eins?
Okay, es gibt mehrere Gerüchte über dich….
Ich liebe es, Gerüchte über mich zu hören.
Es gibt das Gerücht, daß Michael Stipe mit dir zusammenarbeiten will. Ist da was dran?
Er wollte, daß wir einen Song für den Soundtrack seines Films „Velvet Goldmine“ aufnehmen, die Coverversion eines Cockney Rebel-Stückes. Aber wegen Terminschwierigkeiten ist es dazu nicht gekommen.
Ich dachte, du solltest zusammen mit ihm auf dem nächsten R.E M.-Album singen?
Leider nicht, (nimmt einen Zug aus einem Aspinitor, einem Inhalator für Asthmatiker) Du siehst aus wie Dennis Hopper in „Blue Velvet“.
Oh, ich konnte mich mit Dennis Hopper in „Blue Velvet“ ganz gut identifizieren.
Warum?
Ich weiß es nicht mehr genau, aber ich ging damals nach der Vorstellung mit Freunden aus dem Kino und meinte: „Ich fand gar nicht, daß Dennis Hopper einen so üblen Burschen gespielt hat“.
Und wie haben deine Freunde darauf reagiert?
Die waren geschockt. So, jetzt muß ich mal pinkeln.