Gang Of Two
Das Ende der Geschichte beginnt in Her Majesty’s Prison Wandsworth. Erbaut 1851 an der Heathfield Road im Südwesten von London mit Platz für mehr als 1 200 Insassen, ist es das größte Gefängnis der Hauptstadt. Hier saß einst Oscar Wilde ein, später Martin Luther Kings Mörder James Earl Ray, ebenso der Posträuber Ronnie Biggs, der 1965 sogar ausbrach. Und 38 Jahre nach ihm Sträfling LL5217.
Ein halbes Jahr zuvor hatte dieser Sträfling namens Peter Doherty in einem Interview gesagt: „Wir sind in keiner Band. Deshalb heißen wir ja The Libertines -es gibt keinen Staat, keine Hürden, keine Grenzen.“ Am Morgen des 9. Oktobers 2003 saß Doherty nun beim Gefängnisfriseur in Wandsworth und ließ sich am Tag seiner Entlassung noch einmal die Haare auf wenige Zentimeter herunterscheren. Auf der anderen, freien Seite der hohen stachelverdrahteten Mauer wartete Carl Barât. Der Mann, in dessen Wohnung Doherty knapp zwei Monate vorher eingebrochen war, was ihm per Gerichtsurteil einen Monat hinter Gittern beschert hatte.
Dass man den Mann, der einem aus Groll die Bude ausräumt, am Gefängnistor mit einer herzlichen Umarmung begrüßt, ist eine ungewöhnliche Geste. Sie passte zu Doherty und Barât. Die Beziehung der beiden Musiker war alles andere als gewöhnlich.
Um ihr besonderes Verhältnis zu verstehen, muss man sich in eine Zeit zurückversetzen, in der Fred Durst in den Charts tonangebend war, und „Toploader“-Großbritannien sogar von Ländern wie „Datsuns“-Neuseeland, „Vines“-Australien oder „Hives“-Schweden ausgerockt wurde. In die nach Ende des Britpop brachliegende musikalische Landschaft stolperten 2001 zuallererst die Strokes. Nichts klang seinerzeit so aufregend wie die punkigen Zweieinhalbminüter der fünf Wohlstandskids aus New York.
Vielleicht: die aufgeladenen, zerfahrenen Zweieinhalbminüter der Libertines. Barât hatte den jungen Doherty 1997 über dessen ältere Schwester Amy-Jo an der Brunel University kennengelernt. In ihrem Wohnheim brachte der Theaterstudent Barât dem 17-jährigen Schüler Doherty erste Gitarrenakkorde bei. Was beide verband, war der Hang zur Poetik und einem losen Idealismus, aus dem sie schnell eine Metapher für ihr Vorhaben entwickelten, nach London zu ziehen, um eine Band zu gründen: Das Bild des „good ship Albion“, das gen „Arcadia“ aufb rach, stand stellvertretend für eine Weltflucht, von der viele ihrer späteren Songs handeln sollten.
Wie alle guten Geschichtenerzähler, egal ob Literaten oder Musiker, schufen die Libertines sich und ihren Fans mit dieser Vision ein eigenes Universum. Arcadia, ein Ort ohne Grenzen oder Regeln, ein pathetisches Abenteuer, ein utopischer Tagtraum, erwachsen allein aus der Fantasie zweier Romantiker, deren Querverweise sich auf britische Komiker der 50er-Jahre und zerlesene Klassiker beriefen.
Diese Romantiker, Barât und Doherty, übten zuerst aufeinander eine enorme Anziehungskraft aus, bevor sie überhaupt eine Fangemeinde besaßen, die ihnen in Scharen bedingungslose Treue zusicherte. Doherty, Sohn eines irischen Soldaten, wuchs unter anderem in Liverpool, Deutschland und Zypern auf, wo sein Vater stationiert war. In der Schule schrieb er überdurchschnittlich gute Noten, gewann mit 16 Jahren im Rahmen eines Dichter-Stipendiums einen Aufenthalt in Russland. Als sich sein Wunsch konkretisierte, Musik zu machen, stellte er sich eine Partnerschaft im Sinne von Morrissey/Johnny Marr vor: ein Zwischenspiel aus poetischer Beobachtungsgabe und musikalischer Schärfe. Diese Gang-Mentalität kam Barât entgegen, wenn auch geprägt von anderen Wesenszügen. Dohertys charismatische Art traf auf Barâts schicksalsergebenes Murmeln, eine Anfälligkeit für Fatalismus. Aus der Kombination dieser gegensätzlichen, teils rivalisierenden Persönlichkeiten entstand Jahre nach der ersten Begegnung der beiden eine impulsive musikalische Partnerschaft, deren Songausbeute von der platonischen Sehnsucht der beiden füreinander zehrte.
Nach einigen Line-up-Wechseln am Schlagzeug und am Bass, plus einer Reihe von vielbeachteten Auftritten in Londoner Pubs, sah die damalige Bandmanagerin Banny Poostchi mit der Ankunft der Strokes in den UK-Charts eine günstige Gelegenheit für Barâts und Dohertys Libertines, endlich einen Plattenvertrag zu bekommen. Bis dahin hatten beide mit Gelegenheitsjobs ein Charles-Dickens-Klischee vom unerfüllten Versprechen der Großstadt ausgelebt. Dass ihr Idealismus aber durchaus Grenzen kannte, merkte man an der Vorgabe, doch bitte schön nicht irgendwo, sondern bei Rough Trade unterzukommen, dem ehemaligen Label der Smiths.
Dort war man schnell begeistert von den energiegeladenen Songs und bot der Band folglich im Dezember 2001 einen Vertrag an. Die erste Single, „What A Waster/I Get Along“, hatte noch der ehemalige Suede-Gitarrist Bernard Butler produziert. Für das Debütalbum UP THE BRACKET entschied man sich im Sommer 2002 für keinen Geringeren als Mick Jones. Er sollte möglichst die Energie und Dringlichkeit ihrer Liveshows einfangen. Für die hoffnungsvolle Nachwuchsband, die man als die britische Antwort auf die Strokes vermarkten wollte, vielleicht nicht die offensichtliche Wahl, da sich Jones bis dato nicht als Erfolgsproduzent ausgewiesen hatte. Dennoch eine clevere Entscheidung. Der Ex-Clash-Gitarrist konnte sich offensichtlich in die Welt der beiden Träumer hineinversetzen: „Ich habe noch nie zwei Menschen erlebt, die mir und Joe (Strummer – Anm. d. Red.) derart ähnlich sind. Sie erinnerten mich an The Clash, weil sie die gleiche Dynamik haben -zwei Gitarristen, die ihre Kämpfe austragen. Aber sie hatten noch etwas an sich: Sie glaubten an die Sache.“
Und Jones‘ Sache? Der Band, inzwischen permanent verstärkt durch Bassist John Hassall und Schlagzeuger Gary Powell, alle Freiräume bei den Aufnahmen zu geben. Was nicht immer funktionierte. Die zwölf Songs auf dem Album sind alles andere als perfekt. Wo „Up The Bracket“ und das herausstechende Stück „Time For Heroes“ durch Jones‘ Minimalkorrekturen ihren überstürzenden Charakter vollends entfalten, ist ein Lied wie „Radio America“ unfertig, zerklüftet, demohaft. Jones‘ Laissez-faire-Methodik verliert schnell ihre Wirkung, trotzdem hatte das Ganze, nach Jahren längst verwässerter Britpop-Formeln, einen erfrischenden Punch, der im Oktober 2002 in den britischen Albumcharts auf Platz 35 einschlug – und die Insel wieder für Gitarrenmusik begeisterte.
Während der gesamten Sessions im Nordlondoner RAK-Studio, erzählt man sich, hielt Jones in der einen Hand ein Bier und in der anderen einen Joint. Auch sonst waren die Aufnahmen nicht unvernebelt – wie es sich für angehende Rockstars zu gehören scheint. „Ja, Peter hat Drogen genommen“, sagte Managerin Poostchi danach. „Das ganze Album steckt voller Querverweise. Nur ein Blinder würde die Alufolie auf dem Cover übersehen. Aber waren diese Aufnahmen ein dunkles Kapitel in der Bandgeschichte? Nein. Sie repräsentieren schlicht den Moment. UP THE BRACKET war das Erreichen eines Höhepunkts nach jahrelangem Schuften im Londoner East End, wo sie ewig ignoriert wurden.“
Das sind die zwei Dinge, die die Libertines als Band definiert haben: Einerseits die irre Dynamik der beiden Frontmänner, ihr Ansporn durch kreative Rivalität, die sie später auf Solo-Platten oder mit anderen Bands nie so reproduzieren konnten. Zum anderen die Intensität und Intimität ihrer Liveshows, die nichts Elitäres hatten, weil sie -zumindest eine Zeitlang -in Barâts und Dohertys gemeinsamer Wohnung, den Albion Rooms, stattfanden. Jeder konnte Teil dieser Jugendbewegung sein, die Termine wurden auf den entsprechenden Webseiten verbreitet. Barâts und Dohertys offensichtliche Lust am Spielen wurde nur hier und da durch eine kurze Sammelaktion unterbrochen, wenn im Halbdunkel der Stromzähler wieder mit frischen Münzen gefüttert werden musste.
Eine ganze Weile speiste sich der Erfolg der Libertines durch diese folklorehaften Erzählungen. Anfang der sogenannten Nullerjahre hatte in London jedermann eine passende, schwärmerische, unglaubliche Intimitätsgeschichte zu der Band parat. Spontane Hinterhofk onzerte von, geteilte Zigarettenstummel mit den Protagonisten Barât und Doherty. Der Buzz unter den Fans entstand aufgrund der Nahbarkeit ihrer Stars. Sie teilten ihren Idealismus, liebten sie dafür -und bekamen als Dank die neuesten Demosessions kostenlos ins Netz gestellt.
Was ist das Problem dieser gesteigerten Aufmerksamkeit und der überbordenden Popularität einer Band, die den Nerv der Zeit trifft? Unter den rehäugigen Indie-Fans, die den Libertines-Wanderzirkus nur staunend und sonst teilnahmslos bewunderten, befand sich ebenfalls eine Reihe von shady characters. Gestalten, die den Ablauf störten und somit die Balance ins Wanken brachten. In Dohertys Fall könnte man aufwendig Namen von Personen recherchieren, die sich mit dem Erfolg der Libertines heranwanzten, wären die Übeltäter nicht viel einfacher zu benennen: Heroin und Crack.
Barât, Sohn einer Hippie-Mutter und im frühesten Jugendalter mit Drogen in Berührung gekommen, hat in der frühen Phase der Band auch nicht gänzlich abstinent gelebt. Allerdings uferte sein Konsum im Gegensatz zu dem seines besten Freundes nie derart aus, dass er zu einer Belastung für die Band wurde. Doherty dagegen konnte kein Maß halten. Im Sommer 2003 versäumte er, in den Bus für die geplante Europatournee zu steigen. Verpflichtet, die gebuchten Konzerte zu spielen, ging die restliche Band ohne ihn auf Tour. Ende Juni wurde Doherty öffentlich von den Kollegen gebeten, sich den Libertines nicht eher wieder anzuschließen, bis er seinen Drogenkonsum kontrollieren könne.
Einen Träumer von seiner eigenen Vision auszuschließen, bleibt nie ohne Folgen. Es dauerte erwartungsgemäß nicht lange, bevor seine Geschichte eine Wendung nahm. Wenige Wochen nach dem Ausschluss brach Doherty in Barâts Wohnung ein. Beschaffungskriminalität? Wohl eher eine Art Racheakt, getrieben durch verletzten Stolz. Er ließ mehrere Wertgegenstände mitgehen, woraufh in ihn die Polizei kurze Zeit später verhaftete. Ein Gericht verurteilte ihn zu vier Wochen Haft in Wandsworth.
Die herzliche Umarmung, die die alten Freunde an jenem Oktobermorgen vor dem Gefängnis teilten, war in der Tat eine Geste der Versöhnung. Eine Einladung zum Neuanfang nach der hässlichen Einbruch-Episode. Barât formulierte es, leicht schwülstig, so: „Da stand dieser Mensch, den ich die ganze Zeit in meinen Träumen und Gedanken und Erinnerungen gesehen hatte. Dieses Gesicht ich bin fast ohnmächtig geworden. Und als ich ihn dann wirklich da stehen sah, wollte ich ihm eine Art Zufluchtsort anbieten.“ Doherty äußerte sich ähnlich hochtrabend: „Im Knast hatte ich das Gefühl, dass mich die Dinge, die Carl zu mir in der Vergangenheit gesagt hat, übermannten. Zum ersten Mal habe ich verstanden, was er meinte. Wenn Carl nicht vor dem Gefängnistor gestanden hätte, würde ich jetzt nicht hier sitzen. Ich würde auf dem Grund eines Sees treiben.“
Noch am Abend der Entlassung spielte die Band ein triumphales Konzert im „Tap’n’Tin“-Pub in Chatham, Kent. Wochen später folgten gefeierte Konzerte an drei aufeinanderfolgenden Abenden im „London Forum“, Anfang 2004 eine ausverkaufte Tour. „The good ship Albion“ – scheinbar zurück auf Kurs. In Wahrheit aber stellt der Gefängnisaufenthalt einen Bruch in der Geschichte der Band dar, der sich nie wieder richtig kitten ließ. Der „Ex-Knasti“-Stempel verwandelte Doherty spätestens von da an in einen Cartoon-Junkie für sämtliche Schlagzeilentexter der britischen Boulevardpresse.
Beinah lachhafter Höhepunkt: Bodyguards mussten im Frühjahr 2004 engagiert werden, um Barât und Doherty, der nach kurzer Besserung offensichtlich wieder in seine alten Abhängigkeiten verfallen war, während der Aufnahmen zum zweiten Album davon abzuhalten, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Was nichts daran änderte, dass sich auf THE LIBERTINES wieder Stücke fanden, die den Ideenreichtum der beiden Sänger einfingen. Allen voran das selbsterklärende „Can’t Stand Me Now“. Wie sich ihre Stimmen beim abwechselnden Gesang umspielen, hat etwas von einem Klagelied eines enttäuschten Liebespaares.
„Peter Doherty und Carl Barât sind zwei Typen, die sich klar unterscheiden. Gleichzeitig ergänzen sie sich auf wundersame Weise“, sagte Bill Price nach den Aufnahmen mit den Libertines, die Mick Jones abermals als Produzent verantwortete. Price dürfte ein ganz gutes Gespür für Bandgefüge haben. Er arbeitete als Toningenieur mit The Clash, den Sex Pistols und Guns N’Roses. „Wie sie sich ergänzen, erinnert klar an die Beziehungen zwischen Strummer und Jones, Lennon und McCartney. Carl ist der Jones oder McCartney und Peter der Strummer oder John Lennon. Wenn man zwei Menschen mit derart viel Talent trifft, die sich in ihrer Kreativität gegenseitig anstecken, muss zwangsläufig etwas Großes dabei entstehen.“
Lange hielten die Libertines Dohertys Drogenexzesse nicht aus. Am 17. Dezember 2004 spielte die Band ihr letztes Konzert, wieder ohne Doherty, bevor Barât die Gruppe auflöste. Seitdem haben die beiden viel böses Blut und manch süßes Lob über den jeweils anderen verschüttet. Beide haben sicher ein Ohr für Melodie. Aber ohne den Partner fehlte ihren Nachfolgeprojekten (Babyshambles, Dirty Pretty Things) die Genialität alter Tage. Das „Last-gang-in-town“-Gefühl funktioniert nur über ein „Passt-kein-Blatt-Papier-dazwischen“-Vertrauen. Was im Fall der Libertines nach Einbruch, Gefängnis, öffentlichem Halbrausschmiss nach einer verbrauchten Prämisse klingt.
Die Trennung ist zehn Jahre her. Barât macht weiter Musik, sucht sich, eine Aufgabe und eine neue Band. Doherty spielt, um das Konto auszugleichen, mal mehr, mal weniger gute Spontankonzerte in diversen europäischen Großstädten. Die Faszination für ihre Musik, die in der Partnerschaft ihrer Ideen lag, besteht nach wie vor unter den Fans. Sicher auch, weil nach nur zwei Alben ein Gefühl bleibt, das Potenzial nicht vollends ausgeschöpft zu haben.
Wenn die Band jetzt also wieder, wie schon 2010, Reunion-Konzerte spielt (Idealisten-Zauberwort hier: Geldnot), und die Unschuld der Vergangenheit ins Hier und Jetzt zurückführt, kommt man nicht umhin, zu denken: Womöglich waren die Libertines genau in dem Augenblick am glücklichsten, bevor sie berühmt wurden.
DISKOGRAFIE
UP THE BRACKET Von windigen Marketingstrategen tatsächlich als „die britischen Strokes“ angekündigt, klangen die Libertines mit dem ausgefransten Gitarren deutlich punkiger als die vermeintlichen New Yorker Vorbilder. Zwar funktioniert nicht alles auf diesem unterproduzierten Debüt, das 2002 die bräsig gewordene Indie-Landschaft Großbritanniens wachrüttelte, aber das Titelstück und „Time For Heroes“ umfassen genau das, was die Band so großartig macht: schneller, chaotischer Gitarrenrock, der eine richtige Geschichte erzählen kann.
THE LIBERTINES Hass, Neid, Drogenexzesse und eine gebrochene Männerfreundschaft: 2004 waren die Libertines eher berüchtigt als berühmt. Dass sie tatsächlich eine großartige Band sind, diesen Beweis blieben sie in den Augen vieler Kritiker schuldig. Bis sie die oben genannten Zutaten in ein Album packten, das die punkigen Augenblicke des Vorgängers mit bittersüßen Momenten verband („Can’t Stand Me Now“). Überhaupt die Balladen: Barâts und Dohertys Harmoniegesang klang nie besser als auf „Music When The Lights Go Out“ und „The Man Who Would Be King“.
TIME FOR HEROES – THE BEST OF Ein Best-of nach nur zwei Studioalben ist natürlich albern. Zumal die Auswahl hier nur aus Stücken von den beiden LPs besteht, erweitert lediglich um zwei Nicht-Albumtracks sowie zwei B-Seiten. Keine Raritäten, keine Demos, nichts. Gute Songs, kümmerliches Best-of.
THE LITERATURES
Werke, die den Kosmos Libertines begründen
William Blake „Jerusalem -The Emanation Of The Giant Albion“
Marquis de Sade „Lusts Of The Libertines“
Saki „The Complete Works“
Emily Dickinson „I Took One Draught Of Life“
Siegfried Sassoon „Suicide In The Trenches“
BOYS IN THE BAND (die besten Song-Features)
„For Lovers“ Peter Doherty Feat. Wolfman (r.)
„Their Way“ Littl’ans Feat. Peter Doherty
„Pornography“ Client Feat. Carl Barât
„Down To The Underground“ Client Feat. Pete Doherty
DID YOU SEE
THE STYLISH KIDS? Die besten Songtexte
Is it cruel or kind /not to speak my mind /and to lie to you rather than hurt you
„Music When The Lights Go Out“
An ending fitting for the start /you twist and tore our love apart /your light fingers through the dark /shattered the lamp and into darkness it cast us all
No, you’ve got it the wrong way round /you shut me up and blamed it on the brown /cornered the boy kicked out at the world /the world kicked back a lot fuckin‘ harder now
„Can’t Stand Me Now“
There are fewer more distressing sights than that of an Englishman in a baseball cap /And we’ll die in the class we were born / But that’s a class of our own, my love /A class of our own, my love
„Time For Heroes“
If you’ve lost your faith in love and music /Oh the end won’t be long /Because if it’s gone for you then I too may lose it /And that would be wrong
„The Good Old Days“
BEINFLUSST VON:
THE SMITHS /THE CLASH /CHAS’N’DAVE THE VELVET UNDERGROUND THE SEX PISTOLS /THE JAM (FOTO)
HABEN BEEINFLUSST:
THE CRIBS /THE VACCINES THE COURTEENERS /MILES KANE /THE VIEW ARCTIC MONKEYS (FOTO)
DIE BESTEN UNVERÖFFENTLICHTEN DEMVERSIONEN
You’re My Waterloo Diese Akustikperle wäre eine sichere Single. Im Grunde ein klassisches Libertines-Stück: Liebe, Trauer, Verzweiflung, Tony Hancock -alles drin.
Smashing Weitere Ballade, die aus unerklärlichen Gründen unveröffentlicht blieb. Zu finden auf „77 Demos“, einer nach ihrem Preis benannten CD, die nach Band-Trennung auf Ebay auftauchte.
Breck Road Lover Leises, zärtlich schmachtendes Akustiklied, das die Backing Vocals von Frankie Goes To Hollywoods „Power Of Love“ borgt.
Half-Cocked Boy Von den sogenannten „French Sessions“: Ein simples Stück mit schleppendem Rhythmus, der gegen Songende anzieht und in einem stürmischen Refrain mündet.
Babyshambles Session Die wohl längste online verfügbare Session der Band. Inklusive großartiger Versionen von „Albion“,“Who’s Got The Crack“ und „All At Sea“.
Legs XI (Minialbum) Bevor die Libertines als „britische Strokes“ entdeckt und punkiger wurden, gingen sie mit diesen 60s-meets-Jazz-Shantysongs hausieren.
CARL BARÂT
„Pete ist ein großer Junge, der auf sich selbst aufpassen muss“
INTERVIEW VON FABIAN SOETHOF
2014 feiern die Libertines die zweite Reunion nach ihrer Trennung vor zehn Jahren. Wir trafen Carl Barât, den Co-Frontmann der Band, auf ein Bier in einem Kreuzberger Club und sprachen mit ihm über neue Projekte und alte Helden, gute und schlechte Reunions. Oh, und natürlich über Kumpel Pete Doherty, der den Juli-Gig im Londoner Hyde Park klarmachte -und seine Bandmitglieder erst hinterher fragte. Die fühlten sich geschmeichelt, sagt Carl Barât.
Carl, 2014 scheint dein Jahr zu werden. Ja, im August kommt mein zweiter Sohn zur Welt. Außerdem drehen wir gerade einen Film über die Gründung der Jackals, mit denen ich an einem Album arbeite. Und es steht die Libertines-Reunion an. Ich habe sogar meine Führerscheinprüfung bestanden!
Glückwunsch! Du hast für die Jackals ein Band-Casting gemacht, auch wenn du es nicht so nennen wolltest.
Es war schon ein verdammtes Casting. Nenn es, wie du willst, es war ein spannender Prozess. Es ist schwer, Leuten abzusagen. Wenn du 1 000 Bewerber hast und drei Leute suchst, macht das 997 Absagen. Eine Menge Neins.
Warum dieser Weg? Du kennst doch selbst mehr als genug gute Musiker.
Ich wollte eine wirklich neue Band gründen und das geht nicht mit Leuten, die du schon kennst. Als ich mit der Suche begann ,fühlte ich mich wie der Boss. Es ist eine Band ganz nach meiner Vision.
Neues Album mit neuer Band, dazu die Reunion mit der alten. Ist das besonders gutes oder besonders schlechtes Timing?
2010 war das schon ähnlich. Ich brachte gerade mein Soloalbum raus, als die Libertines wieder für einen Auftritt zusammenfanden. Die Reunion lenkte alle Aufmerksamkeit auf die Libertines. Diesmal ist es anders: Alle Beteiligten sind offener dafür, beide Dinge unter einen Hut zu bringen, als damals.
Wird dir 2014 als Libertines-oder Jackals-Jahr in Erinnerung bleiben?
Ich denke, die Libertines haben sich selbst ins Bein geschossen, bevor sie ihren großen Tag überhaupt erlebten. Aber jetzt sind wir verdammt stolz, die alten Songs wieder zu spielen. Mein Herz gehört aber eher dem Neuen, ob das nun mit den Jackals oder den Libertines zusammenhängt. Mit den Libertines kannst du keine Pläne machen, mit den Jackals sehr wohl.
Eine Reunion der Libertines erschien immer unwahrscheinlicher als die von anderen Bands. Vor allem wegen all der Streitigkeiten.
Ja, da stimme ich dir zu. Ich kann keinerlei Voraussagen treffen, das ist unmöglich. Der Gig könnte funktionieren, er könnte aber auch ein Desaster werden. Es ist immer ein Glücksspiel.
Der letzte Auftritt beim Reading Festival 2010 war kein Desaster.
Er hätte aber eines werden können. Es war wie ein Spaziergang auf einer Messerklinge. Zum Glück ging es gut. So ist das mit den Libertines, wenn es funktioniert, dann fühlst du dich unberührbar. Dafür lohnt sich das Risiko. Vielleicht ist das ja ein Grund, warum uns die Leute mögen.
Pete erklärte ausdrücklich, dass er es des Geldes wegen macht. Welche Rolle spielt Geld für dich bei eurer Reunion?
Sicher Mann, Geld hilft, darüber müssen wir uns nicht streiten. Ich hätte es aber wohl so oder so gemacht. Auch wenn es keine Kohle gäbe, würde ich die Chance wahrnehmen, im Hyde Park zu spielen. Und wenn es welche gibt, nehme ich sie mit. Das ist das gleiche Geld, das die verdammten Arctic Monkeys oder Kings Of Leon jedes Mal kriegen, wenn sie einen Gig spielen. Da sagt auch keiner: „Denen geht es doch nur ums Geld!“ Gute Bands spielen immer zuerst der Musik wegen, sonst wären es keine guten Bands.
Und Pete hat euch wirklich nicht gefragt, bevor er zusagte?
Klar, so ist Pete eben. Ich hätte nichts anderes von ihm erwartet. Verglichen damit, wie wir die letzten Jahre über miteinander kommuniziert haben, glich das einem Friedensangebot. Es schmeichelte uns, als wir hörten, dass Pete offenbar Lust darauf hat. Also sagten wir zu.
Was machten die Libertines 2004 für dich aus, was heute? Hat sich die Band sehr verändert?
Die Libertines? Nicht wirklich. Trotz all dem Drama, herrscht immer sofort die alte Chemie, wenn wir uns wiedertreffen. Es ist, als ob du mit sechs Brüdern aufwächst, ihr alle euren Weg geht, euch nach Jahren an Weihnachten wiedertrefft und euch an dieselben Geschichten erinnert.
Pete macht vielen Fans immer noch Sorgen. Mal ist er gut drauf, mal schlecht. Bist du besorgt?
Ich lasse ihn sein, wer er ist, und tun, was er will. Solange er packt, was wir zusammen machen. Natürlich sorge ich mich als Freund um ihn. Er kann aber auf sich selbst aufpassen, er ist ein großer Junge. Er weiß, dass ich ihn liebe. Ich werde ihn nicht bitten, sich zu ändern.
Wird es nur Konzerte geben oder auch neue Musik?
Wir haben noch keinen Plattenvertrag. Aber wenn sich Raum und Zeit dafür auftun sollten Es ist, wie ich sagte: Pläne und die Libertines -das ist so eine Sache.
Seit eurer Trennung sind zehn Jahre vergangen. Denkst du nie darüber nach, ob ihr heute vielleicht nicht mehr so gut sein könntet wie damals?
Daran hatte ich noch nie Zweifel! Bis jetzt! (lacht) Na ja, die alten Songs wurden aus einer inneren Verzweiflung heraus geschrieben, die noch immer sehr tief sitzt. In allen von uns. Diese Songs funktionieren nicht ohne die Gefühle, die wir hatten, als wir sie schrieben. Wenn wir aber alle unser Herz und unsere Energie in die Auftritte stecken, kann nicht viel schiefgehen. Uns ist das genauso wichtig wie damals.
Bei euren damaligen Fans dürftet ihr off ene Türen einrennen. Aber was ist mit den Kids von heute?
Das werde ich anhand ihrer Reaktionen sehen. Es gibt so viele Leute da draußen, die unsere Musik verbreiten, sogar nach 2010. Ich glaube, die jungen Leute sind heute aufgeregter als jemals zuvor. Und frenetischer, was Live-Konzerte angeht.
Reunions kommen und gehen, seit es Rockmusik gibt.
Stimmt. Black Sabbath, The Kinks, Pixies, Metallica -alle spielen wieder Konzerte.
Und wahrscheinlich eines Tages auch Oasis.
Natürlich, lange kann das nicht mehr dauern. Ihre Trennung ist so lange aber noch gar nicht her. Lieber vorher noch The Smiths.
Die wahrscheinlich letzte Band, die sich wiedervereinigen wird.
Ich wäre nicht überrascht, wenn das eines Tages passieren würde. Egal, was sie jetzt sagen. Eine Sache nämlich, die mich die vergangenen Jahre gelehrt haben: Bands erzählen viel. Als Lily Allen erklärte, keine Musik mehr machen zu wollen, haben sich alle gefreut. Als sie zurückkam, hörte man aus den gleichen Ecken Applaus. Jeder kann alles sagen und die Leute machen trotzdem, was sie wollen. Niemand wird irgendeine Reunion jemals wirklich anprangern. Oder wie war das bei The Stone Roses? Die sagten, sie nehmen ein neues Album auf und machten es dann doch nicht? Man muss aufpassen, nicht in diese Falle zu tappen.
Hat Regisseur Shane Meadow nicht gesagt, er hätte bei den Dreharbeiten zum Film über die Band mitgekriegt, wie sie an neuen Songs schrieben? Hat er? Willst du noch ein Bier?
Welche Reunions sind dir selbst im Gedächtnis geblieben?
Am interessantesten war für mich die von Velvet Underground. Ich war noch ein Kind, noch jünger als unsere alten Libertines-Fans, vielleicht 14. Sie spielten damals wieder in Paris und das Konzert war wohl verdammt fürchterlich. Aber das war mir egal, weil ich so diese neue Welt entdeckte. Ich war nicht selbst da, hatte mir aber die Platten besorgt und fühlte mich als Teil des Ganzen. Das war eine teuflische Reunion, aber hätten sie es deswegen bleiben lassen sollen? Nein, weil Kids wie ich so einen Anlass bekamen, sich einen ziemlich wichtigen Teil Musikgeschichte als CD-Box ins Regal zu stellen.
Sogar Nirvana spielten dieses Jahr eine Art Reunion-Gig. Wie gefiel dir der Auftritt mit Joan Jett bei der „Rock And Roll Hall Of Fame“-Aufnahmezeremonie?
Nicht so gut, wenn ich ehrlich bin. Sie haben auch Queen geehrt, das fand ich schwierig.
Lass uns über heutige Bands sprechen. Siehst du welche, von denen du glaubst, sie könnten für ihre Generation das werden, was die Libertines vor zehn Jahren waren?
Nicht wirklich, nein. Da bin ich ehrlich. Bands kommen mit ganz verschiedenen Ideologien um die Ecke und die müssen doch mit der Musik einhergehen. Auch deren Reaktion und Wahrnehmung. Wovon wir mit all der Technik heute Zeuge werden, ist ja, dass jeder noch so obskure Song überall und jederzeit verfügbar ist. Alle wissen plötzlich davon. Jeder kennt The Vaselines oder The Raincoats. Die Subkultur verschwindet und wir stehen förmlich unter Bombenhagel. Das gleicht einem Tsunami aus Bildern und Soundschnipseln. Klar, kann man sich daraus ein Patchwork zusammenbasteln. Aber gibt es so noch genug Energie, um eine neue Bewegung in Gang zu bringen? Ich sehe niemanden, der diesen Thron der Libertines einnehmen könnte. Wenn man das einen Thron nennen kann -ich meine wohl eher den dreckigen Sitz in der letzten Reihe im Bus! Vielleicht spielen wir in ein paar Jahren im Hyde Park auch nur auf einer Parkbank. Wer weiß das schon.