Galliano: Good Vibrations
HAMBURG. Auf „richtige“ Instrumente hat der HipHop bewußt verzichtet -— eine Entscheidung, die sich immer mehr als substantielles Manko bei Live-Auftritten erweist. Ob De La Soul oder zuletzt sogar Westcoast-Rap-Autorität Ice-T: Auf der Bühne war von der Genialität ihrer Platten nichts mehr zu spüren. Mit Halbplayback und Alibi-DJ läßt sich halt weder der komplexe Studiosound reproduzieren noch für musikalische Spannung oder gar Überraschung sorgen. Die Stereo MC’s mit ihrem Live-Drummer und Boo-Yaa T.R.I.B.E. mit ihrer Live-Band als Ergänzung zum DJ haben dies erkannt und entsprechend gehandelt.
Am konsequentesten jedoch entfernt sich der rappende Ire Roh Galliano vom Pfad traditioneller HipHop-Konzerte. Gänzlich ohne DJ, dafür mit achtköpfiger Band, stand die Gallionsfigur des britischen“.Talking Loud“-Labels bereits zum dritten Mal innerhalb von acht Monaten auf einer Hamburger Bühne und ließ von Beginn an keinen Zweifel daran aufkommen, daß er und seine Mitstreiter sich auch an diesem Abend wieder in einen glückseligen Rausch zu spielen gedachten. „Lei ihe vibes flow!“ rief er Band und Publikum entgegen — und jeder tat. wie ihm geheißen. Da hätte es nicht des eigens mitgebrachten „Vibe Controllers“ bedurft, um zu bemerken, daß schon nach wenigen Minuten der Funke übersprang und sich das reservierte Szene-Publikum in einen begeisterten Tanz-Mob verwandelte.
Derart motiviert, gab es für Galliano & Co. kein Halten mehr. Genüßlich breitete sich die Band in Songs wie „Power & Glory“ oder dem Mini-Hit „Nothing Has Changed“ aus, wobei vor allem das ehemalige Style Council-Mitglied Mick Talbot mit druckvollem Keyboard-Spiel für jede Menge Dampf sorgte. Vom Scheitel bis zur Sohle mit Vibes geladen, gab es an diesem Abend aber für keinen der Akteure eine ruhige Minute. Wie Quecksilber wuselten alle auf der Bühne hin und her und tanzten, bis der Schweiß in Strömen rann.
Bei solch mitreißender Bühnenprüsenz war es kein Wunder, daß das mittlerweile regelrecht euphorisierte Publikum nach dem regulären Teil des Sets noch lange nicht genug hatte und sich lautstark drei Zugaben erklatschte. Als nach knapp 100 Minuten die Deckenbeleuchtung eingeschaltet wurde, strömte eine erschöpfte Menge mit der Gewißheit in die feuchtkalte Nacht, daß HipHop auch live eine Zukunft hat.