Fundstück: Die Musikexpress-Kritik zu „Trainspotting“ aus dem Jahr 1996
Die Vorfreude auf den im Februar startenden „T2 – Trainspotting 2“ ist bei Fans grenzenlos. In einem Anflug von purer Nostalgie haben wir im Archiv gestöbert. Und unsere „Trainspotting“-Kritik aus dem Jahr 1996 herausgekramt.
Es gibt nichts wofür sich Mark (Shooting Star Ewan McGregor) wirklich interessiert. Außer für Drogen natürlich. Wie Nicolas Cage im wohlgeratenen Oscar-Streifen ‚Leaving Las Vegas‘ hat er sich dazu entschlossen, seinen Körper nach Kräften zu ruinieren und dabei möglichst viel Spaß zu haben. Beschränkt sich Cage allerdings noch darauf, seiner Leber ausschließlich hochprozentigen Alkohol zuzumuten, ist Mark toleranter. Ihm ist alles recht, was reinknallt: Kiff, Alkohol, Heroin – Hauptsache, der Schädel brummt und die englische Realität hält nur marginal Einzug in Marks Bewußtseinsränder.
Mark wohnt in der schmuddeligsten WG, die je das Licht der Kinoleinwand erblickte. Der Rhythmus seines Lebens wird von allerlei Katastrophen bestimmt, die ihn aber allesamt nicht sonderlich zu berühren scheinen: Ob er als Kleinganove einen dilettantischen Drogendeal durchzieht, ein Baby in der WG plötzlich und auf dubiose Weise ums Leben kommt oder ein Freund an AIDS stirbt – nichts hat mehr oder weniger Bedeutung in Marks Leben als der nächste Druck oder der große Spaß, den das plan- und verantwortungslose Ballern mit dem Luftgewehr im Park verspricht. Das Kuriose an ‚Trainspotting‘: der Film ist launig, lustig und voller Galgenhumor – bei der Anhäufung unappetitlicher Handlungsstränge und fiesgrausliger Bilder nicht unbedingt zu erwarten.Gewinnträchtiger Kultstatus
Doch Regisseur Danny Boyle zeigte ja schon in ‚Kleine Morde unter Freunden‘, daß er eine zwar zynische, aber durchaus komische Sicht auf die dunklen Seiten der menschlichen Natur hat. In England ist ‚Trainspotting‘ jedenfalls das Thema. Schon spassig mitanzusehen, wie ambivalent und tendenziell ratlos sich die bürgerliche Presse mit dem Phänomen ‚Trainspotting‘ beschäftigt. So schrieb etwa der ‚Evening Standard‘: „Passen Sie auf! Die Jugend der Nation macht schon wieder Ärger. ‚Trainspotting‘, der neue Kultfilm, porträtiert eine verlorene Junkie-Generation und setzt arbeitslose Heroinabhängige in Szene. Das Problem ist: Sie scheinen sich zu amüsieren…“ Tja – Treffer.
Natürlich hat man auch erkannt, daß der zu erwartende Kultstatus des Filmes gewinnträchtig sein kann: Daß der Film etwa mit dem eher dümmlichen Slogan „Britpop jetzt endlich auch als Film“ verkauft wird, hängt mit dem Soundtrack zusammen, auf dem Britenstolz wie Blur, Sleeper oder Elastica vertreten ist. Und zur Abrundung erscheint dieser Tage Irvine Welshs Romanvorlage zum Film; Eine Warnung für O-Ton-Freunde am Schluß: ‚Trainspotting‘ keinesfalls im Original ohne Untertitel ansehen. Den Slang, den die Herrschaften hier an den Tag legen, werden wohl selbst einige Engländer noch nie gehört haben…
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