Für ein paar $ mehr


Die beliebtesten Fernsehprogramme kommen aus Hollywood: Kinofilme. Jetzt startet ein Kanal mit acht Filmen täglich. Nicht genug: Um 39 Mark Gebühr im Monat zu rechtfertigen, wird "Premiere" einiges mehr bieten.

Jahre vergehen, bis Filme ins Fernsehen kommen. Einmal zumindest wäre das in Japan beinahe anders gewesen: Die Paramount-Studios erhielten aus Tokyo ein Angebot, das so leicht nicht abzulehnen war:“.Der Pate III“ sollte am Tag des Kino-Starts auch im Fernsehen laufen. Ein neuer Pay-TV-Kanal wollte sich diese Werbeaktion 25 Millionen Dollar kosten lassen! Paramount hätte die Hälfte der Produktionskosten des Films eingespielt. Trotzdem lehnte Studio-Boß Michael Eisner ab. Der Deal hätte die Auswertungskelle der Ware Studiolllm gestört. Wer einen Film wann und zu welchem Preis sehen darf, das hat sich Hollywood fein ausgedacht.

Ein neuer Film kommt zuerst einmal ins Kino. Da darf er so viele Wochen bleiben, wie er die Sitzreihen füllt. Sechs Monate Exklusiv-Auswertung sichern die Filmverleiher den Kinobesitzern zu. Danach sind die Videotheken dran. Mindestens zwölf weitere Monate »ergehen, bis der Film ins Fernsehen kommt.

Nun drängt sich in Deutschland ein neues Medium zwischen die Video- und die TV-Auswertung: Der Pay-TV-Kanal „Premiere“ verspricht ab 28. Februar jeden Tag einen neuen Film – 400 Filme im Jahr für 39 Mark im Monat. Alles Fernseh-Premieren und keine Werbung!“.Batman“.“.Die nackte Kanone“. „Alnss“.

..trauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ sind in den ersten drei Monaten zu erwarten:“.Der Rosenkrieg“.“.Brennpunkt LA.“ und „Indiana Jones III“ folgen noch im seihen Jahr. Zwischen Kinostart und“.Preniiere“-Preiniere dürften zwar eher 18 bis 24 Monate vergehen und nicht 12 bis 18 Monate, wie man vollimuulig angekündigt. Darauf folgt immerhin noch mindestens ein Jahr Sperre vor der Ausstrahlung im sogenannten Free-TV.

„Wir haben Zugriff auf 80 Prozent des internationalen Film-Angebots“.

erklärt Programmdirektor Rudi Klausnitzer und klammert insbesondere Filme wie „Easy Rider“ aus. bei denen ein Rechtsstreit die TV-Ausstrahlung verhindert. Was auf den ersten Blick wie ein gerissener Coup wirkt, ist nichts weiter als Hollywood-Marketing. Pay-TV ist eine zusätzliche Station, an der die Ware Film gemolken wird.

Ursprünglich wollten sich auf dem deutschen Markt zwei Pav -TV-Kanäle um die Filme streiten. Die l FA/Bertelsmann-Gruppe wollte gemeinsam mit dem französischen Pay -TV-Sender „Canal Plus“ gegen Leo Kirch antreten, der seinen „Tele Club“ aus München vor einem Jahr gestartet hatte. Jetzt machen alle zusammen „Premiere“. Kirch bringt seine 70.000 Abonnenten ein und kassiert für die Filme aus seinen langfristigen Hollvwood-Nerträgen. die „Premiere“ dringend braucht. Und die Hamburger müssen keine astronomischen Summen für Filmrechte mehr auf den Tisch legen, um Kirch zu überbieten. Zwischen 25 und 50 Pfennige wird das Ausslrahlungsrecht für einen Film pro „Premiere“-Angebot kalkuliert. Wenn der Sender mit 100.000 Zuschauern startet, bringt selbst ein erfolgreicher Film dem Rechte-Inhaber kaum mehr als 50.000 Mark. Lächerlich, vergleicht man die mittleren Ausstrahlungsrechte für sogenanntes „Free-TV“. die bei 1 Million Mark und manchmal deutlich darüber liegen. RTL plus etwa ließ sich den Coup, „ET.“ als Weihnachtsfilm 1990 (und drei weitere Male in den nächsten Jahren) zu präsentieren, knapp 15 Millionen Mark kosten. Aber das „Premiere tt -Publikum wird wachsen: Ende 1991 erwarten die Macher 200.000 Zuschauer, Ende 1993 bereits 800.000.

Allein mit Filmen wird „Premiere“ trotzdem nicht über die Runden kommen. So schön die Ankündigung „400 TV-Premieren im Jahr“ klingt: Was sind das für Filme? Knapp 800 Filme kommen jährlich in die deutschen Kinos, manche davon sind nach ein paar Tagen wieder draußen. Auf der Hitliste von 1989 tauchen bereits um den Platz 100 Flops und Finten wie „Ein Der Decoder macht s: Ohne ihn gibt’s beim Pay-TV nur Bildsalat Schweizer namens Nötzli“, „Old Gringo“ oder „Karate Tiger 111“ auf. Da „Premiere“ jeden Film innerhalb von vier Wochen sieben Mal wiederholt, würde dem Abonnenten oft nur die Flucht in die Videothek bleiben.

Für 39 Mark Gebühr im Monat fährt „Premiere“ deshalb mehr auf:

CINEASTEN: Werner Herzog stellt eine Filmreihe vor.

KULT: Amerikanische TV-Oldies wie „The Best Of John Belushi“ oder „The Best Of Dan Aykroyd“. Regelmäßige Zusammenschnitte der Arsenio Hall-Show in Zweikanal (Englisch/Deutsch).

MEHR PREMIEREN: Die Zeichentrickserie „The Simpsons“ in Zweikanal und ein dreiviertel Jahr vor der ZDF-Ausstrahlung.

FENSTER: Von 19 Uhr bis 20.15 Uhr können auch Nicht-Abonnenten „Premiere“ empfangen, sofern sie ans Kabel angeschlossen sind. Dann wird richtiges Fernsehen gemacht: Ex-Tempo-Chefredakteur Markus Peichl konzipiert eine tägliche Interview-Show. Eine weitere Show für junges Publikum mit Musik ist im Gespräch.

EREIGNISSE: Das Bundesliga-Spiel der Woche live oder Madonna live oder ein Theaterstück live.

Gerade die „Ereignisse“ deuten an, wo „Premiere“ langfristig hin will. Rudi Klausnitzer beteuert zwar .Wir denken im Moment nicht an Pay-Per-View“ — doch der Decoder ist bereits vorbereitet, ein zweiter Kanal muß nur aktiviert werden: „Premiere“ kann jederzeit mit der Auswertung beginnen, von der sich die Hollywood-Strategen die Gewinne der Zukunft erhoffen: Nur wer die Live-Übertragung des Rolling Stones-Konzerts einschaltet, muß zahlen. Und zwar richtig. Nur wer den neuen Steven Spielberg-Film einschallet, muß zahlen. Dafür sieht er ihn unmittelbar nach dem Kino-Start.

Spätestens dann müssen sich Kinobesitzer und Videothekare wohl ernsthaft Sorgen machen.