Freiheit für die MP3- Dateien?
Steve Jobs fordert: Musik soll online ohne DRM, das Digitale Rechte- Management, verkauft werden. Könnten davon alle profitieren?
Das Problem geht uns alle an: Dass Songs, die wir legal online kaufen, nicht auf jedem MP3-Player abspielbar sind, dass sie teilweise nicht auf CD zu brennen und überhaupt oft ganz verloren sind, wenn die Festplatte stirbt, ist ein Ärgernis. Die Situation ist absurd: Die Theorie besagt, dass der Konsument die größten Vorteile in einem freien Markt mit konkurrierenden Produkten hat. In der Praxis aber müsste ein Musikfan mit drei verschiedenen MP3-Walkmen einen Song dreimal kaufen, um ihn auf all seinen Playern abspielen zu können. Die eingeschränkte Nutzbarkeit von Musikdateien verdanken wir der Einführung des DRM, des Digitalen Rechte-Managements: Die Spezialsoftware zur Rechteverwaltung soll unter anderem das beliebige Kopieren von Audiodateien verhindern ein Song, der zum Beispiel im iTunes-Musicstore gekauft wird, ist lediglich mit iTunes und dem iPod ab spielbar. Ebenso geschlossen ist das konkurrierende System „Zune“ von Microsoft.
Verbraucherschützer in Europa fordern seit Monaten von Apple, das iTunes-DRM-System „Fair Play“ abzuschaffen, um Nutzern digitalisierter Musik mehr Wahlmöglichkeiten zu eröffnen. Der Konzern kann das nicht auf die leichte Schulter nehmen: In Norwegen hat ein Gremium iTunes in seiner jetzigen Form für ungesetzlich erklärt – lockert Apple nicht bis zum 1. Oktober seine Nutzungsbeschränkungen, wird der iTunes-Store dort schließen müssen. Neben anderen skandinavischen Ländern und Frankreich hat sich nun auch Deutschland in die Debatte eingeschaltet: Verbraucherschutzminister Horst Seehofer gibt sich ebenfalls entrüstet und fordert in einem Grundsatzpapier „mehr Interoperabilität bei Musikdownloads.“
Steve Jobs hat reagiert: In einem offenen Brief gibt der Apple-Chef die Verantwortung weiter und rät den vier großen Labels EMI, Warner, Universal und Sony BMG, von sich aus komplett auf DRM und Kopierschutz zu verzichten ( http://www.apple.com/hotnews/thoughtsonmusic/): „Digitales Rechte-Management hat es nie geschafft, die Musikpiraterie zu stoppen wahrscheinlich wird es das nie können.“ Die Abschaffung sei „eindeutig die beste Option für den Kunden“, sagt Jobs und denkt dabei auch an sich selbst: Bei langsam abflauenden iPod-Verkäufen wäre es für Apple wünschenswert, neue Kunden zu iTunes zu locken.
Kritik an der Haltung von Steve Jobs gab es bisher primär von Michael Haentjes, dem Vorsitzenden des deutschen Phonoverbands. Er nannte den Vorschlag des Apple-CEO „ebenso durchsichtig wie scheinheilig. Apple versucht, seine Probleme mit dem eigenen Kopierschutzzum Problem der Musikindustrie zu machen.“
Bei den großen Plattenfirmen, die Apple einst zur Einführung des DRM-Systems gedrängt hatten, ist man aber offenbar nicht abgeneigt, die eigene Position zu überdenken: Nicht zuletzt weil Yahoo, Amazon und MySpace vermutlich schon in naher Zukunft in großem Stil MP3-Dateien ohne DRM verkaufen werden, hat EMI probeweise Titel von Norah Jones und Lily Allen ohne Beschränkung angeboten. Laut einer Sprecherin des Konzerns seien die Ergebnisse positiv ausgefallen. Auch bei Sony BMG prüfe man bereits intern „verschiedene Optionen „.
Der Vorschlag von Steve Jobs könnte eine klassische Win-Win-Situation bedeuten, bei der sowohl der Kunde als auch die Industrie profitieren. Zwar prophezeite die Financial Times Deutschland in einem Kommentar, dass die Majorlabels bei einer Abschaffung von DRM „sehr viel weniger einnehmen “ und „noch tiefer in die Krise schlittern “ werden. Tatsächlich aber könnten EMI, Warner, Universal und Sony BMG von der Aufhebung der Nutzungsbeschränkungen profitieren: Nach einer relativ aufwendigen (und fortlaufenden) Studie der Technischen Universität in Darmstadt würden nur sieben Prozent von über 11.000 Befragten einen Song für 99 Cent kaufen, der eine Qualität von 192 kBit/s und DRM-Verschlüsselung aufweist. Über 82 Prozent aber wären bereit, den gleichen Titel ohne DRM zu erwerben.