Freddie, Prince und ein Pionier
Seit Wochen haben sich Muse in einem Top-Studio in West- London eingegraben, um ihrem vierten Album den letzen Schliff zu geben. Der ME schaute und hörte vorbei.
Der Start ist fulminant: „Hex beginnt klassisch, landet bei einem Disco-Beat und endet mit einem gewaltigen Space-Metal-Brausen. Vivaldi meets Hawkwind meets Chic. Matt Bellamy, Stimme, Gitarre und Keyboard von Muse, gefällt die Beschreibung. Nur fehlt ihm darin etwas: „Offensichtlich steckt darin auch noch ein Quentchen Philip Glass“, informiert er uns. „Esging mir darum, immer wieder Details zu verändern, bis man am Schluß an einem Ort ankommt, den man nie erwartet hätte und den man auch nicht recht versteht.“ Vor großen Tönen und Worten sind Muse noch nie zurückgescheut. Dazu brauchte es in den letzten Jahren in England Mut. Progressive Rock galt als Synonym für Kitsch. Radiohead hatten zwar gezeigt, daß das Erforschen solcher Abwege nicht unbedingt in peinlicher Selbstüberschätzung enden muß; beim beethovigen Wall Of Sound von Muse und bei Bellamys Falsett war man sich da nicht so sicher. Mit großen Auftritten (etwa beim Glastonbury Festival) und dem letzten Album ABSOLUTION zeigte die Band jedoch, daß ihr Herz am rechten Fleck sitzt und daß sie sogar über einen gewissen Sinn für Humor verfügt. Jetzt ist die Palette der Einflüsse noch mal erweitert worden, das belegen schon die sechs Stücke, die uns die Band anhören läßt, obwohl sie noch nicht fertig abgemischt sind, etwa „Supermassive“, eine Glamrock-Nummer samt furzendem Synthi in Sichtweite von Goldfrapps „Train“. Jedes Stück sollte anders klingen ah alles, was wir vorhergemacht haben „, sagt Bellamy mit der Überzeugung von einem, der weiß, daß er gute Arbeit geleistet hat. In „Supermassive“ sei der Einfluß von belgischen Bands wie Deus und Evil Superstars zu spüren: „R’n’B-Beats in einem Alternative-Rock-Rahmen. Freddie Mercunj trifft Prince. Nicht so bierernst … In Sachen Elektroklang holte sich die Band Synthi-Pionier Don Buchla als Berater. „Computerkönnen toll klingen „, sagt Bellamy. „Aber der Analog-Synthi ist was anderes. Dahörtman.wie die Elektrizitätgebändigt und in Töne verwandelt wird. Man spürt die Dynamik, die Essenz.“
„A Soldier s Poem ‚ ist ein Beach Boys-artiger Choral. „Starlight“ gemahnt an U2, während „Invincible“ trotz schnaufendem Harmonium-Intro nicht gleich in der Erinnerung haften bleibt. Ganz anders „Knights Of Cydonia“, eine Art uneheliches Geisteskind von Wagner und Dick Dale: Es fängt an wie im Western, dann geht’s in die Kathedrale zur Messe, nach sechs Minuten entläßt uns ein kapitales Metal-Riff mit weichen Knien in die Freiheit. „Früher war mir die Musik peinlich, die mein Vater mit den Tornados spielte“, erklärt Bellamy. „Dabei ist das äußerst coole Musik. Sie spiegelt die 50er Jahre, eine Zeit, in der man Angst vor einem Atomkrieg hatte und davon träumte, ins Weltall zu reisen. Ich glaube, wir nähern uns einer Epoche, die von ähnlichen Gefiihlen geprägt wird.“ Das neue Muse-Album könnte den Soundtrack dazu liefern.
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