Frank Kozik: Gemalter Rock’n’Roll


Seit Jahren entwirft Frank Kozik provozierende Plakate für US-Bands wie Pearl Jam, Green Day, Sonic Youth oder die Smashing Pumpkins. Mittlerweile ist er selbst ein Popstar.

FRANK KOZIK WIRD IN DER HOLLE SCHMOREN, und er weiß es. Natürlich nicht, weil er derwichtigste Plakatdesign-Künstler des Rock ist, seitdem kreative Kids in San Francisco und Detroit in den späten 60er Jahren mit ihren vielschichtig verschlungenen Psychedelic-Designs die visuelle Entsprechung für das zeit- und raumlose Abspacen bei Grateful Dead und Jefferson Airplane oder den politisch radikalen Powerrock der MC5 fanden. Der Teufel wartet vielmehr mit seinen Zacken auf den mittlerweile 37jährigen, weil dem in seinen Designs nichts heilig ist. Die universale Botschaft unserer Popkultur, daß alles erlaubt ist, was gefällt, feiert fröhliche Urständ‘ auf den mittlerweile mehr als 1000 Plakaten, T-Shirts, Plattencovern, Bildschinnschonern oder anderen Gegenständen mit Kozik-Entwürfen, mit denen sich der unscheinbare Mann wie auf einem grafischen Kreuz-zug durch die Kunstepochen räubert. Das ringt Respekt ab: Da prallen rauchende Kaninchen in Nazi-Uniformen auf Nonnen in Reizwäsche, reiten gutgelaunte Teufel auf Monstertrucks, recken einem unschuldige Schulmädchen keck den ausgestregten Mittelfinger entgegen, als sei bei einem Zivilisationexperiment im ach so seligen Space Age irgendwas schrecklich danebengegangen. Bands lieben den „Gottvater des Rockplakats“. Die Liste der Gruppen, die sich Konzertplakate von Koziks Firma in San Francisco handfertigen ließen, liest sich wie ein Who’s Who der Rockmusik der 90er Jahre: Pearl Jam, Smashing Pumpkins, Soundgarden, Nirvana, Sonic Youth, Butthole Surfers, Melvins und Green Day sind nur die Spitze des stetig wachsenden Eisbergs. Seit mehr als 15 lahren entwirft Kozik Plakate, und er ist gefragter denn je. Täglich erhält er zwei neue Aufträge. Seit drei Jahren betreibt er auch noch ein Plattenlabel und hat es in dieser Zeit auf knapp 100 Veröffentlichungen gebracht (Kontakt und Info unter:

http://www.mansruin.com).

BEI DER AUSWAHL SEINER KUNDEN ERLAUBT SICH KOZIK, WÄHLERISCH zu sein, denn seine Konzertplakate entstehen zum Selbstkostenpreis – Kozik verdient keinen Pfennig an den streng limitierten Siebdrucken: „Ich wähle absolut subjektiv aus. Manchmal mache ich Poster für Bands, die ich nicht so gut finde, weil ich die Leute sehr gern mag oder ihnen einen Gefallen schulde. Meistens aber ist es mir nur wichtig, daß ich die Gruppen mag.“ Sein Geld verdient der Mann längst mit Werbeaufträgen der Industrie, unter anderem von Nike und BASF – ironisch für jemanden, der seine Unternehmungen „Man’s Ruin“ taufte, weil er sich sicher war, daß er damit all sein Geld verlieren würden. Kozik sieht das eher pragmatisch: „Ich übernehme große Werbejobs für Konzerne, weil sie sehr gut bezahlen. Mit ihrem Geld leiste ich mir dann neue Geräte oder modernisiere meine Anlage. Ich stecke die ganze Kohle sofort wieder in Projekte, die mir wirklich etwas bedeuten.“

Koziks Einflüsse lassen sich bis in seine Kindheit zurückverfolgen. Als Sohn eines amerikanischen Vaters und einer spanischen Mutter wird er 1961 in Spanien geboren. Er erlebt die Streitereien seiner politisch entzweiten Familie – teils sture Franco-Faschisten, teils Linksradikale – hautnah mit. Bei pausenlosen Kirchenbesuchen leistet die Familie Abbitte vor dem lieben Gott. In den Straßen patroulliert die Guardia Civil mit Maschinenpistolen. Bis heute ist Kozik besessen von Uniformen und religiösen Symbolen und sammelt Propagandaplakate. Um der Umwelt zu entfliehen, sucht er als Kind Zuflucht in spanischen Comics. Dann die Jugend. Kozik erinnert sich: „Mein Vater war ein unkomplizierter Typ, mit dem man immer prima trinken konnte. Als er mich einlud, zu ihm nach Amerika zu kommen, sagte ich sofort ja. Als Sechzehnjähriger denkt man nicht lange darüber nach. Ich kam natürlich sofort von der rechten Bahn ab, gammelte rum, nahm Drogen, kam mit dem Gesetz in Konflikt. Um einen Schlußstrich darunter zu setzen, ging ich zur Luftwaffe.“ Als Soldat wird Kozik nach Austin/Texas versetzt. Dort stößt er auf die florierendste Punkszene diesseits der Westküste. Legendäre Bands wie die Big Boys, die Dicks (die Vorläufer von Sister Double Happiness) oder die Offenders brechen mit allen Regeln, stellen tradierte Musikgesetze und Geschlechterrollen auf den Kopf. Kozik ist begeistert. „Die Szene war das Paradies , erinnert er sich, „die Universität eine der liberalsten in den USA, bildete ein extrem freiheitliches Umfeld.“ Lind alle wollten zum Gelingen der Szene beitragen: „Alle meine Freunde gründeten ihre eigenen Bands. Nur für mich war das nichts, weil ich einfach keine Instrumente spielen kann. Um die Szene dennoch zu unterstützen, begann ich, Flyer zu entwerfen, weil ich mich mit Design ein wenig auskannte. Meine ersten künstlerischen Gehversuche waren sehr primitiv. Als ich Punk entdeckte, versuchte ich, die Energie dieser Musik und ihres Designs zu übernehmen. Ich kopierte einfach alles, was mir unter die Finger kam, und entwickelte auf diese Weise langsam meinen eigenen Stil.“ Bald schon arbeitete Kozik als Plakatkünstler für einen Club, in dem ab Mitte der 80er Jahre auch auswärtige Bands spielten. Sie wurden aufmerksam auf die eigenwilligen Arbeiten des jungen Designers. „Die ersten größeren Bands, denen meine Arbeit gefiel und die meine Poster in New York herumzeigten, waren Ministry und Sonic Youth. So kam der Stein langsam ins Rollen.“ 1990 legte sich Kozik einen Computer und eine Siebdruckmaschine zu und produzierte fortan farbig. Als Nirvana 1991 den Rock’n’Roll-Ausnahmezustand über die Welt verhängen, schlägt Koziks große Stunde: „Letztlich war die Grunge-Explosion das Ereignis, dem ich meine Karriere verdanke und vom dem ich immer noch zehre.“ 1994 zieht Kozik nach San Francisco. Dort steigt sein Poster-Output auf 75 Arbeiten pro Jahr. Gleichzeitig gründet Kozik ein Plattenlabel, das ihn heute beinahe mehr fasziniert als seine gestalterische Arbeit. Und obwohl er der Punkzeit in Austin nachtrauert, setzt Frank mit seiner Firma auf eine Renaissance der knochentrockenen Rockmucke im Stil von Steppenwolf: „Ich glaube, daß elektronische Musik nur noch die nächsten paar Jahre beherrschen wird. Wenn die Leute dann genug davon haben, wird es eine Rückbesinnung auf beinharten Powerrock geben. Jungs lieben ihn, weil er hart ist. Frauen fahren drauf ab, weil er sexy ist. Und ich wünsche ihn mir, weil es ist meine Lieblingsmusik ist.“