„For Fritz“ – Hölderlin in neuem Gewand


Hölderlin, die fünf Ex-Folkrocker aus Wuppertal, haben lange auf ihr zweites Album warten lassen. Die erste Platte erschien schon 1972, vor fast drei Jahren. Schwierigkeiten mit der alten Firma waren der Hauptgrund für die lange Wartezeit. Im November vergangenen Jahres bot sich aber glücklicherweise die Möglichkeit, den Vertrag zu lösen. Die Aktivitäten konnten wieder voll anlaufen. Der größte Teil der Stücke war ohnehin schon fertig, und die Gruppe selbst hungerte nach einer neuen LP. Vor ein paar Wochen nun kam das neue Werk auf den Markt. Es nennt sich „For Fritz“ und schon der Titel kündigt an, daß sich Hölderlin zu einer moderneren, weniger romantischen Band entwickelt hat: Aus dem veralteten „Friedrich“ (Hölderlin) wurde das zeitgemäßere „Fritz“, und auf dem Cover liegt ein Typ relaxt im Liegestuhl…

Schnell wie keine andere deutsche Gruppe erhielt Hölderlin 1972 einen Plattenvertrag,‘ übrigens als eine der ersten deutschen Bands überhaupt. Schon nach 14 (!) Tagen und drei Auftritten wurde er unterschrieben, und im Januar des folgenden Jahres ging’s ins Studio. Wen verwundert es da, wenn der damalige Stil und die Musik an sich noch nicht ausgereift und „fertig“ waren. Aber Hölderlins Folkrock mit deutschen Texten löste wahre Begeisterungsstürme bei den Kritikern aus. Da sich ihre Musik aber fast täglich weiterentwickelt, klangen viele Stücke der Platte („Hölderlins Traum“) schon wenige Wochen nach dem Erscheinen anders.

Stilveränderung

„For Fritz“, der Nachfolger, klingt also logischerweise wieder ganz anders. Es ist ja schließlich viel passiert in den zwei Jahren, was der Musik einen neuen Stempel aufdrückte. Mit Folk-Rock kann man höchstens noch die Stimmung vergleichen, in der die Stücke präsentiert werden. Ansonsten ist daraus ein überaus kompakter und differenzierter Stil geworden, der auch den verwöhntesten Rock-Fan ansprechen wird. Nach den Ursachen des Wandels befragt, meint Christian von Grumbkow: „Wir verdanken sehr viel den Kritikern, die uns, obwohl sie nur die erste Platte kannten, immer wieder aufs neue ermuntert haben, unsere neuentdeckten Wege auszubauen und begehbar zu machen. Aber andererseits kam die Veränderung gar nicht sooo abrupt. Alte Songs wie z.B. ‚Requiem für einen Wicht‘ verwandelten sich erst durch Improvisationen und neu eingeflossene Ideen mit der Zeit.“

Zu Beginn hatten Hölderlin überhaupt keinen Kontakt zur übrigen Szene. Erst nach der Erstlingsplatte taten sich diese Kontakte auf, und durch Sender-Tourneen, Festivalauftritte und Verbindungen zu anderen Bands entwickelte sich ein neues Selbstverständnis der einzelnen Musiker. Ganz grob gesagt, merkten sie einfach, worauf es ankam, und wohin ihr Weg sie führen sollte. Heute spielen sie Musik, die sowohl Kritiker als auch Fans begeistert, und hinter der sie trotz dieser „Kompromisse“ voll stehen können. Welche deutsche Gruppe kann das schon mit Sicherheit von sich behaupten? Durch den vermehrten Einsatz von Baß und Schlagzeug (Peter „Kassim“ Käseberg und Michael Bruchmann) war ihre Musik rockiger geworden und die verträumten Folkelemente in den Hintergrund geraten. Christians Bruder Jochen sieht es bestimmt richtig, wenn er meint: „Es war ganz gut, daß wir die neue Platte nicht schon früher aufgenommen haben. Wir sind heute einfach besser, ausgereifter und weiter und vor allem mehr ‚zusammen‘ als damals.“ Und richtig, Hölderlin ist heute eine der geschlossensten Formationen im deutschen Rock-Geschäft.

Zweite Platte

Obwohl die Band zwischenzeitlich mit Brecht- und Erich Fried-Texten gearbeitet hatte, stammen auf „For Fritz“ alle Texte von Jochen. Hölderlins Lieblingsart ist eine etwas schwarz-humoriee. ironische – etwa im Stile des Österreichers H. C. Artmann. Da ist einmal die Geschichte vom Honigsammler, der sich von seinem Hobby alles Glück der Welt verspricht und schließlich, als er genug davon gesammelt hat, vor lauter Vorfreude den ganzen Honigtopf umwirft und wieder vor dem Nichts steht. Oder „Love My Dog“, das die Liebe zwischen einem Hund und seinem Besitzer beschreibt. Typische Rockthematik enthält der Song „Nürnberg“: Man tritt dort auf und lernt ein nettes Mädchen kennen, muß aber am nächsten Tag wieder weiter und kann nur hoffen, sich ein andermal wieder zu sehen.

Der Stil hat sich zweifellos verändert, doch einige Dinge stehen unverändert hoch im Hölderlin-Kurs. „Die typischen Elemente, die die erste Platte kennzeichneten, sind auch auf ‚For Fritz‘ wieder zu hören, und auch das Soundgefühl, das wir vermitteln wollen, ist das gleiche geblieben. Aber es stimmt schon: Wir sind heute weit weniger romantisch eingestellt als früher!“ Die große Deutschland-Tour, die Hölderlin im Mai und Juni unternahmen, hat jedoch gezeigt, daß ihre Anhänger allen Unkenrufen zum Trotz nach wie vor gewillt sind, den Entwicklungsprozeß der Gruppe mitzuvollziehen und ihnen keineswegs die Treue kündigen. Alle waren sie zufrieden! Hölderlin sieht im neuen Gewand noch weitaus besser und vorteilhafter aus, als in den alten, abgetragenen Klamotten von einst.