Folk-Feste im Aufwind
Zahlreiche Folk-Festivals des Jahres 1977 zeugen von einem neuen Lebensgefühl. Der Kurz-Ausbruch aus dem Schul- und Berufsstress zielt bei Tausenden vonWochenendpilgern nicht mehr auf aggressive Verstärkermusik, sondern auf romantisches Nebeneinander bei Volksmusik und -tanzen. Insgesamt 25.000 Zuschauer zogen allein zu den Folk-und Liedermacher-Festivals in Ingelheim, Mainz und Tübingen: Wandervogelromantik mit politischem Überbau.
In Mainz ging zum drittenmal das „Open Ohr Festival“ über die Bühne. Von den Leitmotiven „Jugend und Arbeit“, Jugend und organisierte Gesellschaft“ sowie „Jugend und Freizeit“ ‚ließen sich viele Teilnehmer zur Mitarbeit und Diskussion anregen. Reges Interesse herrschte an den angebotenen Workshops. Eng wurde es bei den musikalischen Veranstaltungen mit politischen Liedermachern wie dem Frankfurter Lerryn, der Wienerin Eva Pilz oder den österreichischen Schmetterlingen und mit den traditionellen Folkmusikern wie Eddy & Finbar Furey aus Irland, Fidel Michel und Zupfgeigenhansel aus Deutschland oder der chilenischen Formation Liberacion Amaricana. Außerdem spielten die Puhdies aus der DDR und die Kölner Black Föss, die mit ihrer poppigen Dialektmusik in diesem Rahmen nicht so recht akzeptiert wurden. Mehr Beachtung fanden dagegen der Tübinger Liedermacher Christoph Stählin und vor allen Dingen der Kabarettist «Hans Dieter Husch. „Befreiung und Unterdrückung im Volkslied der letzten fünf Jahrhunderte“ lautete das Veranstaltungsmotto des diesjährigen Ingelheimer Festivals. Hier herrschten altes Liedgut und mittelalterliche Instrumente. Liebe, Wein und Harmonie unter freiem Himmel, Volkstänze in Jeans und Gesang aus tausend Kehlen, Romantisches und Aufständisches Klaus der Geiger vermischte sich: Lieder aus dem Bauernkrieg mit alten Tanzweisen und Wanderliedern. Klaus der Geiger aus Köln intonierte mit seiner „Straßenmusik GmbH & Co KG“ die „Geisterreiter von Brokdorf‘ zur munteren Polonaise.