FOALS
Latino-Hipster, Bratwurst, Kurt Cobain: ein multikultureller Abend in Kolumbien mit den vier Partyboys aus Oxford.
Die Anfahrt führt durch beklemmende Wellblechdachviertel im Norden Bogotás in den Parque Deportivo, direkt am Fuße der Gebirgskette Östliche Kordilleren. Dort findet das Festival Estéreo Picnic statt, wo man eine Stunde für Bratwurst (es gibt einen deutschen Essensstand) anstehen muss, dafür aber Automobile der Marke Renault erwerben kann. Diese penetrante Markenpräsenz ist entschuldbarer, wenn man bedenkt, dass es für ein Schwellenland nicht billig ist, Bands wie Foals (Freitag-Vize-Headliner vor Steve Aoki) für Konzerte zu verpflichten. Und nachdem man in einem Sitzsack fläzend ein Glas Rum getrunken hat, ist man bereit, dieses Marketing Marketing sein zu lassen und sich Musik anzuhören.
Foals waren 2011 als Vorgruppe der Red Hot Chili Peppers zum ersten Mal in Kolumbien und haben anscheinend bleibenden Eindruck hinterlassen – ein spitzer Schrei klingt durch das Zelt, als Gitarrist Jimmy Smith die Bühne betritt, und dauert an, bis Yannis Philippakis sich die Ehre gibt. Die Kapuze über den Pony gezogen und mit Fluppe im Maul gibt er zunächst den „Too cool for school“-Frontmann, bis die flirrenden Gitarren der HOLY FIRE-Einleitung „Prelude“ ausklingen und das Konzert richtig losgeht.
Dass die vier adretten Briten live richtig gut sind, dürfte bekannt sein, aber gar so knallhart und abgezockt, wie sie heute aufspielen, hatte man sie nicht in Erinnerung. Das zackige „Balloons“, das emotionale Kurt Cobain gewidmete (es ist sein Todestag) „Providence“ sowie der tropisch tänzelnde Mega-Hit „My Number“ explodieren aus den Lautsprechern, aber am beeindruckendsten ist die Subtilität, mit der die Band langsamere Tracks wie „Late Night“ angeht. Yannis Stimme lullt die Zuschauer ein, bis eine nervöse Bassline einsteigt und dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, der Song in einem brachialen Riff-Gewitter seinen Höhepunkt erreicht. Diese Dynamik – sanftes Intro, flehender Gesang, Schlagzeug-Einsatz, Tempo anziehen, erst mit Verzögerung die Bassline – sorgt für eine konstante Anspannung, die der Stimmung eines Electro-Sets nicht unähnlich ist.
Aber Foals sind immer noch die Band, die ihre ersten Konzerte auf Hauspartys in fleckigen Studenten-WGs in Oxford spielte: schweißtreibend, mit Ecken und Kanten. Yannis nutzt einen Instrumental-Jam für ein ausgiebiges Mengenbad, und der disco-punkige Tanzbein-Verknoter „Red Socks Pugie“ wird so unnachgiebig treibend runtergespielt, dass ein Mädchen neben uns in Ohnmacht fällt und aus dem Zelt getragen werden muss. Generell zum Publikum: Aufgrund der hohen Ticketpreise ist die Oberschicht des Landes überrepräsentiert. Ray-Bans und Lederjacken, wohin das Auge blickt, und eine heitere, bier- und marihuanaselige Stimmung. Der Staub und Schmutz der Anreise müssen draußen bleiben.
Im Zelt beginnt schließlich der vernichtende Schlussteil der Show. „Inhaler“ mit seinem brutalen Nu-Metal-Refrain und seinen Donnerhall-Drumbreaks und ein von einer Rave-Lichtshow perfekt untermaltes, unbändiges „Two Steps, Twice“ geben einem den Rest; so sehr, dass am Ende nicht einmal mehr Luft bleibt, um zu jubeln, wenn Yannis ruft: „Muchas gracias, Bogotá!“
SETLIST
Prelude Olympic Airways Balloons Late Night Hummer Blue Blood My Number Providence Spanish Sahara Red Socks Pugie Electric Bloom Inhaler Two Steps, Twice