Fleshtones
Garagen-Sound? Klar, aber in die 60er Revival-Ecke möchte die New Yorker Band nicht.
„Wir erklären stolz, daß wir nicht die Undertones, die Overtones, die Textones oder die Wichstones oder irgendeine andere Art von Tones sind. Wir sind die Fleshtones!“
Okay, nicht ganz so kurz und bündig wie „Hey hey we’re the Monkees. „Naja, es ist auch gerade Mittag und ich sitze mit zwei, manchmal auch mit drei Fleshtones bei A&M, ihrer Schallplattenfirma – eine einzige Tasse Kaffe zwischen uns. Bassist Marek Pakulski und Gitarrist Keith Streng sind unterwegs. Sie schaffen es hoffentlich, irgendwo ein paar Drinks zu organisieren … Die Fleshtones haben einen Tag frei. Ihre Show in Santa Barbara wurde abgesagt, Ronald und Nancy wollen dort ein ruhiges und wohltätiges Wochenende verbringen.
Die Fleshtones kommen aus New York, wenn man dies auch nicht gerade vermuten würde bei diesem rohen Garagensound, den einst die frühen LA Punks kultivierten. “ Wir passen eigentlich in keine Schublade.“
erklärt Sänger Peter Zaremba ganz gelassen.“ Auf die Frage nach dem New York Sound würde die meisten Leute Gruppen wie die Bush Tetras nennen oder die Bongoes, den No New York Sound oder das, was aus den Contortions hervorging. Das ist aber nicht unbedingt richtig, denn in New York entstehen doch eine Menge unterschiedlichster Bands, die alle aus dem Rahmen fallen.
Aber was sind jetzt die Fleshtones? Bastarde?
„Ein amerikanisches Konglomerat – Chicano, Velvets, New York, aber im nicht-provinzellen Sinne. Kosmopolitisch.“
Übrigens haben sie keine Lust, als 60er Revival Band abgestempelt zu werden. Trotzdem klingt bei allem, was über die Fleshtones bislang geschrieben wurde, die Einschätzung mit, daß sie Nummer 1 geworden wären, hätte es sie bereits in den 60ern gegeben.
„Es ist erstaunlich.“ erklärt Bill, „wie du Interviewern immer wieder erklären kannst, daß wir keine Retro-Band sind, und trotzdem in den Artikeln ständig denselben Aufhänger findest: ‚Diese Band bringt uns die 60er zurück!‘ Ich entsinne mich, definitiv gesagt zu haben, daß wir das nicht tun.“
Zaremba ist da weniger festgelegt. „Es gibt schon einige Passagen auf unserer LP, die sich auf die amerikanischen 60er Punks beziehen, auf die Garagenbands. Ein ganzer Haufen sogar.“ Bill unterbricht: „Aber nur, weil der Sound gut ist, ein wirklich guter Rock’n’Roll-Sound!“
Haben sie zu Hause in ihrem Kämmerlein alte Yardbirds- und Kinks-Platten studiert, um irgendetwas davon aufzuschnappen? „Bei mir war das so,“ gesteht Peter, „in den frühen 70ern. Und bei den meisten anderen Bandmitgliedern war’s nicht anders. Bei den Platten, die damals nämlich rauskamen, konnte man ja fast das Interesse am Rock ’n ‚Roll verlieren. Die Musik, die dann in den späten 70ern entstand, verdankt jenen Bands eine Menge. Ganz gleich, ob sie es nur weiterverarbeitet oder sonstwie aufgegriffen haben. Bei uns ist es vielleicht nun ein wenig offensichtlicher. Egal, ob es sich um die Velvets, die Garagenbands, die Yardbirds oder die Kinks oder die frühen Stones handelt. Sehr stark beeinflußt haben uns die mexikanisch-amerikanischen Bands – wie Chris Montez, Richte Valens, Questiön Mark, alle diese one shot bands. Ich glaube nicht, daß wir versuchen, irgendein spezielles 60er-Jahre-Feeling heraufzubeschwören. Wir benutzen lediglich eine Menge jener Elemente, von denen wir meinen, daß sie es wirklich wert sind und auf jeden Fall verarbeitet werden sollten.“
Fleshtones-Musik ist im Grunde eine Mischung aus fünf unterschiedlichen Neigungen, die allerdings nicht immer miteinander zu vereinbaren sind. Bill: „Nach einem Gig in Portland sagte mal jemand zu mir, daß er nach dem Set immer noch nicht sicher sei, was wir eigentlich machen. Und ich sagte: Danke, das ist für mich ein Kompliment.“
ROMAN GODS (s. LP-Review) ist die erste Fleshtones-LP, die auf dem deutschen Markt veröffentlicht wurde. Im allgemeinen gilt sie als Debüt der Band, was nur bedingt richtig ist. Nach einer UP FRONT betitelten Veröffentlichung und BLAST OFF (vom New Yorker Cassettenlabel ROIR) betrachtet Peter ROMAN GODS persönlich als drittes Album. Für die anderen Bandmitglieder sei es jedoch das erste richtige, speziell für Bill, der erst vor anderthalb Jahren zur Gruppe stieß.
Das Album erschien nun fünf Jahre, nachdem sich die Band in einem New Yorker Basement zusammenraufte, drei Jahre, nachdem Alan Vega sie zum heißen Tip erklärte und ihnen einen Plattendeal bei Marty Thaüs Red Star Label verschaffte – und zwei Jahre, nachdem sie den ganzen Kram hinwerfen und künftig auf dem Bau arbeiten wollten.
Ein Song war es, der sich wie ein roter Faden durch ihre Karriere zog, nämlich das hinreißende „Shadow Line“. Dieser Titel entfachte immer wieder die Begeisterung der Produzenten, die sich mit einem derartigen Elan darauf stürzten, als gelte es die drei Minuten auf dem mechanischen Bullen zu überstehen. Auf der ROIR-Cassette ist er drauf, „weil wir damals sehr stolz darauf waren. Wir fanden nämlich, das sei unser erster richtiger Song -(Wow! Wir haben ja einen richtigen Song!)“ Blondie’s Jimmy Destri bekniete die Band, ein Remake für seinen „2×5“-Sampler zu machen und Miles Copeland, der die Fleshtones für IRS verpflichtete, stand so auf „Shadow Line“, daß er es auch unbedingt in seinem Film („URGH! A Music War“) einbauen wollte.
(„Wir haben da doch noch so ein paar andere Songs …“ gaben die Musiker zu bedenken – vergeblich). So ist dieser Parade-Song erstens auch noch auf dem URGH!-Soundtrack-Sampler zu hören und – wie könnte es anders sein – natürlich auch auf ihrer LP ROMAN GODS. Produzent Richard Mazda hatte darauf bestanden. „Die nächste LP,“ unkt Bill, „nennen wir SHADOW LINE WITH THE FLESHTONES.“
Ein wenig seltsam ist es schon, wenn man der staunenden Offenlichkeit sein drittes Debütalbum präsentiert. Denn normalerweise unterscheidet sich das dritte Produkt erheblich vom ersten. (Natürlich nicht bei den Dire Straits. -Die Red.) „ROMAN GODS hat nicht diesen Statement-Charakter, der ersten Alben normalerweise anhaftet, „stimmt Peter zu. „Es erscheint mir aber ziemlich komplex – soweit das überhaupt bei uns möglich ist. Auf der ROIR-Cassette kommt es so rüber, als ob… naja, da haben sich wieder so ein paar Irre gefunden … Die LP hier ist stimmungsvoller. Die Grundstimmung ist eher düster.“
Und wie hat IRS das Album gefallen? Immerhin bescherte ihnen die Gute-Laune-Band Oingo Boingo in den Staaten einige ansehnliche Hits, ganz zu schweigen von den reizenden Gogos. Hätten die es nicht eher auf ein munteres Tanzalbum mit dem großen HIT-Stempel abgesehen gehabt? „Kann ich mir gut vorstellen,“ meint Peter. „Aber das Gute an IRS ist, daß sie dir nichts ums Verrecken aufzwingen wollen. „
„Das komische ist, „grübelt er, “ daß ich eigentlich so eine Platte machen wollte, wie du eben erwähnt hast. So eine beschwingte, total witzig abgefahrene funky Tanzplatte. Aber aus irgendeinem Grunde hat das nicht hingehauen. Als sie rauskam, habe ich mich richtig gewundert, daß das durchaus nicht eitel Sonnenschein war.“