Fleetwood Mac – Big Mac Auf Reisen


Bislang hat sich „Tusk“, das neueste Opus der Band, ganz tapfer gehalten und auch gleich einen Platz ganz vorn in den Charts ergattern können, doch die große Hürde, die zu nehmen von Fleetwood Mac erwartet wird,‘ die hieß „Rumours“ und die haben sie sich selbst in den Weg gestellt.

Meinte Mick Fleetwood, Schlagzeuger und Mitbegründer der erfolgreichsten Band der letzten Jahre: „Wir haben schon mitgekriegt, daß die Menschen bei den Plattenfirmen in heller Aufregung waren, aber das einzige, was uns bei den Aufnahmen zu „Tusk“ interessiert hat, war, mit den Aufnahmen pünktlich fertig zu werden und mit dem Ergebnis zufrieden sein zu können. Das ganze Zeter- und Mordio-Geschrei der Branche hat uns nicht sonderlich tangiert.“

Lassen wir Mr. Fleetwood berichten, wie es zu dem eigenartigen Titel und Cover von „Tusk“ kam: „Peter Beard, einer der drei Fotografen, die das Plattencover schufen, hat früher eine längere Zeit in Afrika verbracht. Wir erfuhren, daß er sich stark für das Konservieren von Elefanten interessiert. Als er dreieinhalb Monate später mit den Layouts für das Cover auftauchte, stellte essichheraus, daß er eine Hülle fabriziert hatte, auf der über und über Elefantenstoßzähne (tusk-Stoß > oder Reißzahn) verteilt waren. Uns gefiel das Wort, und so waren wir dann auch die Sorgen um einen Titel los“.

Als der Titel-Track der LP vorab als Single veröffentlicht wurde, meinten viele Leute, solche Klänge seien eher einer Band wie Osibisa zuzuordnen.

„Genau das haben wir auch damit bezweckt,“ meinte Gitarrist Lindsey Buckingham. „Anfangs waren wir uns selbst nicht so ganz sicher, ob wir diesen Titel nun als Single veröffentlichen sollten, doch die Leute bei Warner Bros, waren felsenfest von dieser Nummer überzeugt. Die Leute sollten sich fragen, was denn mit Fleetwood Mac los sei und ob der Rest der Platte auch so merkwürdig anders klingen würde. Ich glaube, das ist uns ganz gut gelungen.“

So weit, so gut. Die beiden Damen und die drei Herren, die – mal genau genommen – lediglich denNamenjenerberühmten Sechziger-Jahre-Blues-Band in die Achtziger herüberretteten, mußten also wohl oder übel wieder mal auf Tournee, denn heute bewegt man nur mit einem gelungenen Live-Auftritt auch die vielen Zweifler und Nörgler zum einem Gang in den nächsten Plattenladen.

Fleetwood Mac gingen also anfang November auf eine, stilvoll „World Tour“ genannte, „Tusk“-Promotionreise.

Ich hatte die Ehre, die Band am 16. November im ausverkauften New Yorker „Madison Square Garen“ erleben zu dürfen. Ich sollte hinzufügen, daß ich die Gruppe letztmalig in England zu Gesicht bekommen hatte, und da waren noch Peter Green, Jeremy Spencer und Danny Kirwan dabei, und „Albatros“ mauserte sich gerade zum Monsterhit. Inmitten der übrigen 19.999 Zuhörer saß ich also, ließ zunächst ein recht mediokres Ensemble, das auf den Namen Danny Dumaz hörte, über mich ergehen, bewunderte dann den Umbau-Perfektionismus der amerikanischen Roadies und harrte des weiteren recht lang der Dinge, die da nun endlich kommen sollten. Die kamen dann endlich auch recht gemächlich auf die gigantische Bühne gestapft: die Herren Fleetwood und McVie, wie zwei alternde, unverbesserliche Hippies – Jeans, Westen, die Matten so lang, wie der schüttere Haarwuchs es nur zuließ – die Dame Nicks wie eine orientalische Tempeltänzerin – Schleier und Chiffon so weit das Auge reichte – Herr Buckingham wie ein New Wave-Musiker im falschen Konzert – kurze Haare, kein Bart und ein sechs Nummern zu großer Anzug – und Frau Mac wie, die – ich muß es zu meiner Freude gestehen – ganz wie die alte Christine McVie alias perfect aussah.

Nun sollte man ja nicht nach Äußerlichkeiten gehen, aber leider bestätigte der musikalische Eindruck nur das, was schon die Optik der Akteure hatte ahnen lassen: hier versuchen drei unterschiedliche und unterschiedlich gute Singer/ Songwriter, unterstützt von einer erstklassigen Rhythmussektion, gemeinsam ein Konzert zu geben. Kurzum, man hatte das etwas zweifelhafte Vergnügen, drei verschiedenen Konzerten gleichzeitig beiwohnen zu dürfen.

Hatte man bei Stevie Nicks und ihren Kompositionen „Sara“, „Storms“ und „Angel“ das Gefühl, hier versuche sich eine mesopotamische Schleiertänzerin auch mal im Gesang, so vermittelte Lindsey Buckingham mit seinen Titeln „Save Me A Place“, ,,What Makes You Tliink You’re The One“ und „Not That Funny“ her den Eindruck, als sei ein recht gemäßigter Punker unter Alvin Lees Ten Years Later geraten. Lediglich Christine McVie sorgte mit Nummern wie „Think About Me“, „Over AndOver“ oder „Honey Hi“ für das, was man so landläufig , zuverlässigen Rock’n’Roll“ nennt.

Wirklich, ein von Fleetwood Mac und ihrer Musik absolut unbeleckter Zeitgenosse hätte glatt auf die Idee kommen können, die fünf Akteure hätten sich vor ’ner Stunde rein zufällig in der Garderobe getroffen und sich alsdann spontan zu einem gemeinsamen Konzert entschlossen. Am 16. November klangen Fleetwood Mac jedenfalls wie alles Mögliche, nur nicht wie eine Band.

Wer weiß, vielleicht ist die gruppeninterne Chemie ein wenig gestört, vielleicht ist ein wirkliches Zusammenspiel solch unterschiedlicher Charaktere auf die Dauer doch zu schwer zu bewerkstelligen. Nicht, daß hier irgendwelchen Trennungsgerüchten Vorschub geleistet werden soll, aber der Vertrag, der die fünf Musiker untereinander bindet, besagt, daß jedes Band-Mitglied – so es nicht mit Fleetwood Mac im Studio oder auf Tournee sein muß – ansonsten seiner persönlichen Karriere nachgehen kann.

Stevie Nicks hat diesbezüglich bereits den Anfang gemacht: Sie unterschrieb unlängst einen Vertrag mit einer neuen Plattenfirma namens Modern Records. Ihre erste Solo-LP wird gleichzeitig auch die erste Veröffentlichung dieser Firma sein. Wie man hört, handelt es sich um einen Soundtrack zu einer Film-Version von „Rhiannon“, eines Songs, den sie zu der „Fleetwood Mac“ -LP beisteuerte.

Befragt, was denn das alles zu bedeuten habe, meinte Frau Nicks ganz cool: „Die Leute, bei denen ich den Vertrag unterschrieben habe, sind zufälligerweise alles sehr enge Freunde von mir, die mich nicht etwas machen lassen werden, was ich nicht bewältigen könnte. Die wissen auch, daß ich zu allererst mal Mitglied von Fleetwood Mac bin, und daß ich erst dann, wenn mir die Verpflichtungen mit dieser Band Zeit lassen, meine eigene Musik machen kann.

Big Mac, wie die Amerikaner im Angedenken an ihr Bulettennationalgericht diese Band liebevoll tauften, sind noch recht lange in den USA und im fernen Osten unterwegs, bis sie Anfang 1980 auch nach Europa kommen werden, und euer Reporter wünscht euch für dieses neue Jahr nichts mehr, als daß sich das Gefühl, eine wirkliche Gruppe vor sich zu haben, auch bei Fleetwood Mac wieder einstellen möge.