Filmen, bumsen, blasen


Wenn bei den „Toten Hosen der große Bums kommt, kann Campino gleich ins neue Hörn blasen: Er übt sich schon als Kino-Komödiant.

Ein Punk für alle Fälle:

rote, hautenge Röhrenjeans, Puma-Schuhwerk für die Leibesübung danach, eine schweinchenrosa aufgeplusterte Lederjacke und auf dem Haupt das wohlbekannte weißblond-toupierte Büschel, Modell „Sturmwarnung“ — eigentlich sieht er aus wie immer. Und doch hört der junge Mann, der sich faxenmachend mit Film-Frau Gisela Schneeberger durch ein Münchner Einkaufszentrum schiebt, in diesen Wochen nicht auf den Namen Campino. Hier auf dem Set „ist“ er Anton, in der Drehbuchbeschreibung desweiteren als „Punkfreak-Szene-Typ“ verunglimpft, der „auß Establishment schimpft, weil er selbst noch nicht etabliert ist“. Klarer Fall: Campino spielt nach einigen Geh-Versuchen in Low Budget-TV-Produktionen in seiner ersten Kino-Hauptrolle. In Hanns-Christian Müllers Komödie „Langer Samstag“ (Start: 29. Oktober) mimt er an der Seite von Gisela Schneeberger einen jungen Chaoten, der sich in eine biedere Imbißbuden-Pächterin verliebt. Das ungleiche Pärchen verwandelt denn auch am letzten „Langen Samstag“ vor Weihnachten einen Konsumtempel in ein Irrenhaus… Dreht der Häuptling der „Toten Hosen“ langsam ab, wird er größenwahnsinnig und will sich in die Reihe der blamablen Rock-Grimasseure von Mick Jagger bis Roger Daltrey einreihen?

Campino bleibt seiner Attitüde treu: „Alles Quatsch „, kalauert er, „das mit der Schauspielerei ist gar nicht so abstrus. Ich meine, ich bin doch auch im Musikbusiness, ohne was von Musik zu verstehen. “ Hanns-Christian Müller, der Regisseur von „Kehraus“ und „Man spricht deutsh“ versteht dagegen genug von seinem Geschart, um die Rollenbesetzung mit dem Punker auf Abwegen total normal zu finden: „Er hat eine tolle Leinwand-Präsenz, das habe ich bei den Videos sofort gespürt, die ich mit den, Toten Hosen‘ zusammen gemacht habe. “ Nicht der einzige Schnittpunkt von Band und Regisseur — die Hosen steuerten ihre beliebten Kraft-Chöre zu einigen Songs von Müllers neuer Schallplatte ZEIT LASSN (Metronome) bei. Eine Extrawurst für Campino war dennoch nicht drin: „Auch er hat erst Probeaufnahmen machen müssen“, betont Müller, „bevor ich ihm die Rolle gegeben habe. Er war einfach überzeugend.“

„Ich bin nick bloß noch so ’n Schlager-Blödmann, der sich aus Größenwahn unbedingt im Kino sehen wollte, so heiß war ich darauf gar nicht“, rechtfertigt Campino seinen Ausflug vor die Kamera. „Es ist einfach so, daß ich den Humor vom Müller und seinem Spezi Polt schon immer gut ab konnte, ich bin sozusagen ein Polt-Fan der ersten Stunde. Eigentlich wollten wir schon in .Man spricht deutsh‘ mitmischen, doch das hat aus terminlichen Gründen nicht geklappt. “ Mit seiner Rolle in diesem Streifen hat der Showerprobte Chefprediger der „Toten Hosen“ ohnehin keine Probleme — der „Anton“ sieht auch nicht anders aus wie der Düsseldorfer Punker in seinem richtigen Leben. Campino darf dazu vor der Kamera genauso reden, wie ihm der Punker-Schnabel gewachsen ist:

„Hanns Christian Müller liat mir den Text auf den Mund geschrieben und wo ich gesagt habe, das Wort geht mir nicht leicht von den Lippen, ich würde das so nicht sagen, da haben wir das eben einfach geändert. “ Dennoch heißt Drehen für den Sänger vor allem“.Arbeit“: „Verdammt anstrengend, jeden Tag den Text auswendig zu lernen. Zum ersten Mal in meinem Leben mußte ich richtig arbeiten.“

Zweischneidiger Lohn der Maloche: das eigene Konterfei auf der Leinwand zu sehen. „Mann, das war kein erhabenes Gefühl, das kann ich dir sagen“, stöhnt Campino und erzählt von den dunklen Momenten, als er zusammen mit der Crew die ersten Muster gesichtet hat.

„Aber zum Glück hat mich das ganze Team super aufgefangen, als ich das Gefühl hatte, daß da irgendwas fehlt. Aber das ist vermutlich auch eher mein Problem — ich hob‘ diese Unsicherheit auch, wenn ich Cassetten mit meinem Gesang anhöre. „

Wie das Publikum der „Toten Hosen“ auf seinen Ausflug ins Kino-Komödienfach reagiert, kümmert Campino nicht sonderlich. „Natürlich möchte ich nicht, daß die Leute stöhnen, wenn ich über die Leinwand latsche, aber schlaflose Nächte bekomme ich deswegen nicht. Da vertraue ich Hanns-Christian Müller und Gisela Schneeberger einfach — die werden schon verhindern, daß ich den Film ruiniere…“

Daß Campuio nach dem Leinwand-Erfolg, den ihm „Langer Samstag“ voraussichilich einbringen wird, fortan nur noch Richtung Hollywood galoppiert, hält der Düsseldorfer Manta-Mann für unwahrscheinlich.

Jen bin doch überhaupt nicht ambitioniert als Schauspieler, das ist doch hier alles bloß ein großer Spaß“, wiegelt er mit verächtlicher Geste ab. „Na ja, abgesehen davon, daß ich in München rumhängen muß — ähem … München ist nicht gerade meine Lieblingsstadt.“ Dabei ist die Wahl seines Drehortes noch das kleinste Problem für eine zweite Karriere Campinos: „Ich müßte viele interessante Rollen absagen, weil sich die , Toten Hosen ‚-Fans total mit mir identifizieren. Ich könnte beispielsweise keinen Nazi oder sowas spielen — das wäre fir einen richtigen Schauspieler kein Problem. Der schlüpft einfach in eine andere Haut — ich dagegen bleibe immer bloß Campino!“