„Falco meets Queen“ – Was kann da schon schiefgehen?
Treffen sich ein toter Österreicher und ein toter Brite ... Was wie ein schlechter Witz beginnt, ist nichts anderes als genau das. Wir waren bei "Falco Meets Queen – A Concert Made In Heaven" im Berliner Tempodrom. This show must not go on.
Warum gibt es das? Was haben Freddie Mercury und Falco nach ihrem Ableben auf einer gemeinsamen Bühne zu suchen, wenn sie einander im Leben nicht begegnet sind? Ein Tipp von der Marktwirtschaft? Ein unschlagbarer 2-für-1-Deal für ein ungeahntes Publikum, das sich in ausreichendem Maße für beide Künstler interessiert und dem Authentizität herzlich egal ist, solange man etwas vorgerockt bekommt, während man gemütlich sitzen bleiben darf? Aber hätte man etwa mit einem Mix aus Queen und Led Zeppelin – oder meinetwegen Bon Jovi – nicht eine noch weitaus größere Schnittmenge angesprochen? Wäre ein Bastard der Beatles und der Stones letztlich nicht am profitabelsten gewesen? Oder eine Kreuzung aus Boney M. und ABBA? Entsteht solcherlei vielleicht gerade sogar schon in irgendeinem Versuchslabor? Antworten wird man keine finden, solange man verdutzt vor Plakatwänden steht, die dieses seit Jahren immer wiederkehrende Kuriosum anpreisen. Also auf ins annähernd ausverkaufte Berliner „Tempodrom“.
Die Show beginnt, wieso auch immer, mit der schlecht aufgelösten Animation eines Flugzeugs, dem der Falco-Doppelgänger Axel Herrig entsteigt und, obligatorisch umtänzelt von überschaubar bekleideten Frauen, „Der Kommissar“ sprechsingt. Das macht er sehr nah am Original. Herrig spielte Falco bereits in der Bühnenshow „Falco Meets Amadeus“ (Findet diese Meetingkultur noch nicht mal im Tod ihr Ende?). Danach stellt er Sascha Lien vor, der gibt den Mercury. „Egal, wie viel Curry Sie essen, Freddie isst mehr Curry“, kalauert Herrig. Das muss man sich mal vorstellen. Oder besser: nicht. Das Publikum prustet und prostet einander jedenfalls zu. Lien ist außerdem Sänger der Queen-Tributeband Unique und spielte die Hauptrolle im Queen-Musical „We Will Rock You“. Singen tut er gut. Nur ähnelt seine Stimme nicht Mercurys. Auch sein Look lehnt sich eher dem Steven Tylers als dem des naheliegenden Vorbilds an. Stand da Mercury aus dem „I’m Going Slightly Mad“-Video Pate – ein Clip, in dem Mercury, schwer von AIDS gezeichnet, neun Monate vor seinem Tod spielte? Also ein Mercury, den man garantiert nicht von der Live-Bühne kannte? Die Fragen, sie werden nicht weniger.
Auf Rahmenhandlung wird mittlerweile verzichtet. In der Erstfassung dieser Show, damals noch unter dem passenderen Titel „Falco meets Mercury“, fanden sich die beiden vor der Himmelstür wieder, obwohl sie im Abstand von sieben Jahren starben und mussten sich komischen Fragen einer Rock-Göttin stellen. Irgendwann gipfelte das sogar in einem Boxkampf. Nach negativer Publikumsreaktion auf diese hanebüchene Story wurde sie weggelassen. Jetzt spielen die beiden Charaktere einfach abwechselnd Songs ihrer Vorlagen, was natürlich das Gefälle im popkulturellen Einfluss beider Künstler offenlegt. Nach einem Welt-Hit wie „Another One Bites The Dust“ muss ein Medley aus „Wiener Blut“ und „Vienna Calling“ zwangsläufig untergehen wie Falcos „Titanic“ nach „Love Of My Life“. Weil „Falco“ schnell die Hits ausgehen, singt er einfach bei den Queen-Songs mit, übernimmt so Brian Mays Part in „Who Wants To Live Forever“ und David Bowies im Duett „Under Pressure“. Die Abfolge der Stücke folgt keiner erkennbaren Logik. Nur zweimal fantasiert man sich eine herbei: „Innuendo“ und „Out Of The Dark“ werden gebündelt präsentiert, da beide Songs nach dem jeweiligen Tod ihres Sängers erschienen seien. Das stimmt nicht. Vom Nr.-1-Einstieg in die britischen Charts von „Innuendo“ bis zu Mercurys Tod vergingen zehn Monate. Mercury erlebte sogar noch die Drittverwertung des Songs auf GREATEST HITS II mit. Danach bestätigen die beiden Figuren, dass Falco und Mercury einander wohl nicht kannten, weisen dann aber allen Ernstes auf Parallelen von „We Will Rock You“ und „Rock Me Amadeus“ hin. Was ist gemeint? Der Beat, der Basis-Beat, Gerüst zigtausender Popsongs? Oder dass beide Titel mit dem Begriff „Rock“ arbeiten? Freilich erwarten die Doubles keine Antwort, sowie das Publikum auch keine Fragen sieht. Vor „One Vision“ zeigt sich „Mercurys“ little silhouetto of a man hinter einer durchsichtigen Tür. Ein Besucher schätzt diese Situation so ein: „Jetzt geht gleich die Tür auf.“ Und, was soll man sagen? Die Tür öffnet sich tatsächlich und legt einen „Mercury“ offen, der das gelbe Jackett von der „The Magic“-Tour über dem aus der „The Game“-Tour sechs Jahre davor bekannten „Flash“-Hemd trägt. Aber: Was soll’s?
Sowieso die Frage des Abends: Was soll das? Was ist das Konzept hinter einem Mash-up aus „The Show Must Go On“ und „Coming Home (Jeanny Part 2, ein Jahr danach)“? Weshalb bleibt die gigantische Leinwand im Hintergrund mehrheitlich ungenutzt? Selbst angesichts der Unmöglichkeit dieser Veranstaltung hätte man viele Möglichkeiten gehabt, die allesamt nicht gesehen wurden. Und was haben Farrokh Bulsara und Hans Hölzel letztlich eigentlich verbrochen, damit ihr Lebenswerk jetzt auf so einem Schultheater-Niveau – dennoch zu horrenden Preisen – verramscht wird? Nichts ist klar, Herr Kommissar. So ist man nach der Show so schlau wie zuvor. Wobei: Wahrscheinlich wurde man sogar ein wenig dümmer. Wäre man nur vor der Plakatwand stehen geblieben. Dann würde man die Mengen in ihren Queen+Adam-Lambert-Tour-Shirts hören, wie sie aus dem „Tempodrom“ quellen, das „Spektakel!“ bejubeln, diese „gran-di-ose“ Show, die „wie ein Rock-Konzert“ sei und könnte mit der bizarren Vermutung weiterleben, dass „Falco Meets Queen“ vielleicht doch keine so schlechte Idee ist.