Faith No More: Volles Vertrauen


Mike Patton über das Comeback von Faith No More, das seiner Meinung nach gar keines ist.

Nach den dürftigen Reaktionen auf Eure vorletzte Platte schwimmt Ihr nun wieder ganz oben. Comeback geglückt?

„Von einem Comeback wurde ich nicht sprechen. Wir haben uns weder aufgelöst noch pausiert, wir haben die ganze Zeit durchgearbeitet. Die Leute vergessen nur leider viel zu schnell. Wenn sie eine Band nicht dauernd vor Augen haben, nicht den ganzen Tag auf MTV sehen, halten sie diese Gruppe für nicht existent. Doch davon kann mit Blick auf Faith No More überhaupt keine Rede sein. Wir haben als Band lediglich eine Zeitlang im Verborgenen gearbeitet.“

Aber der Mißerfolg von „King For A Day…“ hat Euch doch zumindest zeitweise ein wenig aus der Bahn geworfen. Zweimal wurde der Gitarrist gewechselt, und immer wieder gab es Gerüchte, Faith No More würden sich nach Jahren des Erfolgs nun auflösen.

„Für unser „Album Of The Year“ brauchten wir einfach eine gewisse Anlaufzeit. Zwischen ihrem Vorgänger und dieser Platte lag eine ziemlich chaotische Periode. Die Leute kamen und gingen, weil jeder eine ganze Reihe anderer Projekte im Auge hatte. Es gab kein richtiges Gruppengefüge mehr. Die Teams für das Songwriting mußten sich erst neu finden. Alles ging irgendwie drunter und drüber. Das war für manche Leute recht frustrierend.“

Auch wenn Du Dich gegen den Ausdruck „Comeback“ wehrst – war die letzte LP nicht doch eine Art Neuanfang für Faith No More? Schon bei „King For A Day“ war ja der Versuch erkennbar, den Sound der Band zu verändern. Da wart Ihr um einiges härter. Auf dem „Album Of The Year“ schlägt das Pendel eher in die andere Richtung aus.

„Jede neue Platte ist eine Reaktion auf, oder besser gesagt, gegen die Vorgänger-LP. Es gibt immer irgendetwas, mit dem du nicht zufrieden bist. Also willst du es verändern. Immer hast du das Ziel vor Augen, diesmal alles richtig zu machen. Du schaffst es natürlich nie, erhältst aber bei jeder Platte eine neue Chance. Und wenn du fertig bist, bist du wieder mit irgendetwas nicht zufrieden. Vor „King For A Day“ hatten wir plötzlich das Gefühl: Alle unsere Platten sind nicht hart genug. Noch nie hatten wir den wirklich passenden Gitarrensound. Also strichen wir alles aus unserer Musik, was irgendwie weich klang. Wir wollten ein Live-Feeling vermitteln, wollten aggressiv sein. Beim „Album Of The Year“ erfolgte dann die typische Gegenreaktion.“

Und welches Album gefallt Dir nun rückblickend besser?

„Keine Ahnung. Ich höre mir meine alten Platten nie an.“

Niemals? Wieso das denn?

„That’s bad, bad Voodoo! Man bekommt Magenschmerzen davon. Das ist, als ob man seine eigenen Kinderfotos anschaut. Ins Elternhaus kommen und die eigenen Kinderfotos anschauen, um zu sehen, was für ein kompletter Idiot man war. Ist das etwa ein Vergnügen? Genauso ist es mit den Platten und der Musik darauf.“

Dann wird’s aber schwierig, wenn Ihr in zehn Jahren Eure eigene Vergangenheit feiert. Für die Revival-Tour müßt Ihr doch dann Eure alten Platten anhören, um das Programm zusammenstellen zu können. Die Stones machen das auch immer.

„Ich hoffe, daß es niemals soweit kommt. Wenn ich jemals so etwas machen sollte, bitte erschieß‘ mich sofort!“

Wenn Du also Stagnation haßt, andererseits aber auch keinen Neuanfang siehst, wie würdest Du dann die Entwicklung bei Faith No More charakterisieren?

„Wenn du als Band 15 Jahre existierst, kannst du doch gar nicht anders, als dich zu verändern. Wer sich nicht verändert, ist tot! Ich kann nur für mich persönlich sprechen, und da muß ich sagen: Als 19jähriger wollte ich unbedingt eine Platte machen. Ich habe eine Platte gemacht, und es war großartig. Dann wollte ich auf Tour gehen, tolle Leute kennenlernen. Ich bin auf Tour gegangen, und es war großartig. Doch nach einigen Platten und Tourneen war das alles ausgereizt.“

Wie hast Du reagiert?

„Ich dachte mir: Scheiß auf das alles! Aber diese Phase ist auch vorbeigegangen, und seitdem fühle ich mich in meinem Leben recht heimisch. Vielleicht sind solche Sachen einfach das, was man unter erwachsen werden versteht. Ja, wahrscheinlich ist es das wohl.“

Zielt Euer neues Bühnen-Outfit aus schicken Anzügen auch darauf ab zu zeigen, daß man nun erwachsen ist? Stellt Ihr auf diese Art öffentlich Eure Abkehr vom Rebellen-Image zur Schau?

„Was Du da redest, damit kann ich überhaupt nichts anfangen. Die Anzüge haben keine Bedeutung.“

Dann steckt also keine Idee dahinter?

„Nein! Die einzige Idee, die dahinter steckt, ist: Machen wir mal was anderes. Wir haben keine Stage-Show mit Laserlicht und beweglichen Drachenungeheuern. Also dachten wir uns was anderes Interessantes für die Show aus. Das Ganze ist ein Witz, sonst nichts.“

Aber Eure Fans finden die Anzüge zu schnieke und bewerfen Euch mit Schlamm – wie unlängst in Florida.

„Ach, das hatte doch nun wirklich nichts mit den Anzügen zu tun. Es war zu heiß, und die Leute waren zu besoffen.“

Vielleicht können die Leute auch bloß keinen Crossover mehr hören. Inzwischen gibt’s ja unzählige Bands, die auf dieser Schiene fahren. Führt Ihr Euch da nicht beklaut? Immerhin wart ihr ja so was wie die Vorreiter des Genres.

„Ob wir uns beklaut fühlen? Überhaupt nicht! Denn wir waren nie und nimmer die erste Crossover-Band. Harte Gitarren, Funk, Jazz und was weiß ich noch alles haben viele Bands schon lange vor Faith No More kombiniert. Auch wir sind doch bloß Musiker in einer Band und keine Missionare. Wir spielen gern laut, und daraus folgt automatisch, daß nach dem Krach etwas Ruhigeres kommt. Von dieser Dynamik leben wir. Das ist alles.“

Du hast nicht nur Faith No More, sondern auch noch eine ganze Reihe von anderen Projekten – allen voran „Mr. Bungle“. Diese Band existierte schon vor Deinem Einstieg bei Faith No More. Gibt’s Unterschiede, was Deine Zuneigung betrifft?

„Beide Bands machen mich glücklich, und beide Bands machen mich krank. Aber eine Rangliste, welche meiner Bands und Projekte ich am liebsten mag, gibt es nicht. Das wäre ja so, als ob ich sagen würde: Das ist meine Hauptband, und das ist meine Nebenband. Und das ist meine zweite Nebenband und das meine dritte. Und das hier ist nur so ein Nebenprojekt, eigentlich gar nicht wichtig. Für mich ist es wichtig, mich innerhalb verschiedener Kontexte ausleben zu können.“