Fachmann für Turbulenzen
Jahrelang war Scott Weiland auf der Droge, saß deshalb sogar im Knast. Jetzt ist er endlich clean - und hat seine Stone Temple Pilots umgehend wieder in Startposition gebracht.
„Doch, ich bin kuriert“, verkündet Scott Weiland mit Nachdruck und signalisiert damit wiedergewonnene Arbeitstauglichkeit. Seine optische Erscheinung bestätigt diese Aussage: Weiland sieht durchtrainiert und vergleichsweise gesund aus. Zuvor hatte er den Start seiner Crew mehrmals verhindert. Zwei STP-Tourneen mussten abgeblasen werden, weil er durch seine Drogenprobleme mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war. 1999 sprach das Gericht schließlich ein Machtwon. Wegen Verstoßes gegen seine Bewährungsauflagen bekam der heute 33-Jährige ein Jahr Gefängnis aufgebrummt, von denen er fünf Monate absitzen musste. „Mr. Weiland kam in einer Limousine zum Gericht, er verließ es im Kleinbus des Sheriffs“, kommentierte Hilfs-Bezirksstaatsanwalt Norm Monroe den letzten Prozess gegen Weiland trocken.
Für die Band hatte es in den Jahren zuvor erhebliche Probleme mit Scott gegeben. Zu den Proben tauchte er in der Regel gar nicht mehr auf, und wenn er doch erschien, dann war er dicht bis in die Haarspitzen. „Man muss zwischen der Person und dem Süchtigen unterscheiden, das sind zwei unterschiedliche Charaktere. Scott ist ein großartiger Typ, doch wenn er stoned ist, wachsen ihm Hörner. Wenn er high ist, kann man mit ihm nicht arbeiten, das haben wir ihm klargemacht“, beschrieb Gitarrist Dean DeLeo damals das Dr-Jeckyll-und-Mr.-Hyde-Syndrom des STP-Frontmannes. Die Band musste eine Menge schmerzhafter Rückschläge verkraften. So verzichteten die erklärten Kiss-Fans 1996 auf eine gemeinsame Tour mit ihren Idolen, weil Weiland nicht in der körperlichen Verfassung dazu war. Welche Probleme der labile Sänger für seine drei Mitstreiter verursachte, lässt folgende Bemerkung von Dean erahnen. „Auf der Tour für das Album Tiny Music‘ war Scott plötzlich verschwunden. Niemand konnte ihn finden. Da standen wir nun, mit laufenden Kosten von 40.000 Dollar täglich und mit fünfzig Leuten, die für uns arbeiteten. Wir hätten alle rausschmeißen können, aber jeder von uns vier Bandmitgliedern unterschrieb einen Scheck über 80.000 Dollar, um die Crew zu bezahlen und die Linkosten zu decken. Ich fühle mich verantwortlich für die Leute, die wir beschäftigen, und auch für ihre Familien. Es hat nichts damit zu tun, wie ich mein eigenes Leben führe. Aber ich bin mit jemandem verbunden, der hin und wieder Sand ins Getriebe streut. Das ist nicht neu für mich, seit 1995 gehe ich mit diesem Problem um.“ Scott selbst blieb stumm in dieser Phase. Erst hinter Schloss und Riegel fand er die Muße, eine Nachricht an die Fans zu verfassen. „Ist der Mensch wirklich in Ketten, solange die Räder seines Geistes sich noch frei drehen?“, machte er sich Mut. Dann traf er die verwirrende Feststellung: „Meine Stärke liegt darin, absolut keine Stärke zu haben.“ Und endete mit dem Satz: „Dieses Urteil lautet nicht lebenslang.“
Iniwischen scheint Scott Weiland sein Leben im Griff zu haben: er heiratete das Model Mary Forsberg, Ende vergangenen Jahres wurde er Vater. Zusammen leben sie zurückgezogen in einem kleinen Haus nahe ihrer Heimatstadt San Diego. Mit einer zehnmonatigen Tour bewies Weiland zudem, dass er wieder in der Lage ist, seinen Job zu machen.
In diesen Tagen nun erscheint das fünfte STP-Album, „Shangri-La Dee Da“, um das es beim Interview aber nur am Rande geht. Ort des Gesprächs ist eine lauschige Sitzecke am sonnenbeschienenen Pool eines Luxushotels in Santa Monica, Kalifornien. Neben Scott Weiland sitzt Gitarrist Dean DeLeo (39). Beide verblüffen immer wieder durch ihre branchenunübliche Offenheit.
Scott, hast du schon ausgerechnet, wieviel Geld du den anderen Gruppenmitgliedern schuldest?
Scott Weiland: Das kommt darauf an, wie man es betrachtet. Ich habe in meinem Leben noch keinen Gig abgesagt.
Dean DeLeo: Und was ist mit der Kaution, die ich für dich zu stellen hatte? Ich musste 580 Dollar hinterlegen, um ihn aus dem Knast zu holen.
Ihr seid bekannt dafür, dass die Kommunikation innerhalb der Band ziemlich schlecht funktioniert. Stimmt es, dass ihr mal 18 Monate nicht miteinander geredet habt?
Scott Weiland: Das war so zwischen 1996 und 1997.
Dean DeLeo: Manchmal ist es besser, sich für eine Weile aus dem Weg zu gehen. In der Zeit haben wir gemerkt, was wir aneinander haben.
Scott, warst du an den Kompositionen von „Shangri-La Dee Da“ in irgendeiner Weise beteiligt? Scott Weiland: Ja, klar. Dean, Robert (Deans Bruder-, Anm. d. Red.) und ich schreiben alle Songs gemeinsam. Wenn sie mit Entwürfen kommen,schreibe ich dazu die Gesangsmelodien und die Texte.
Du hast die DeLeo-Brüder mal in einem Interview als „dickköpfig“ bezeichnet.
Scott Weiland: Sie sind immer noch dickköpfig, aber wir hätten dieses Album nicht gemacht, wenn wir uns nicht zusammengerauft hätten.
Dean DeLeo: Mit der Zeit werden die Falten tiefer, die Haut dafür aber dicker.
Scott Weiland: Wir lebten wochenlang zusammen in diesem Haus. Es war ein ziemlich interessantes gruppendynamisches Erlebnis. Zur Zeit von „Tiny Music“ hatten wir das auch schon gemacht, damals sind wir nicht besonders gut miteinander klargekommen. Die letzte Tour mit 200 Shows in nur zehn Monaten hat uns jedoch enorm gestärkt. Diese Energie und Kameradschaft wollten wir nutzen. Aber es ist schon etwas anderes: Wenn du von der Bühne kommst, fühlst du dich als Held. Wenn du eine Platte machst, musst du dich öffnen und ungeschützt dein Inneres offenbaren.
Dean DeLeo: Das ist wirklich schwer. Du präsentierst den anderen deine Songideen und hoffst,dass sie dich nicht abblitzen lassen. Dein Selbstbewusstsein ist auf einem Tiefpunkt.
Scott Weiland: Deswegen arbeiten wir auch getrennt an unseren Vorschlägen. Du sitzt mit dem Toningenieur da und nimmst all die verschiedenen Teile auf orchestrierst deine Idee. Dann spielst du sie den anderen Typen vor und hoffst inständig, dass es das ist, was sie hören wollen.
Was bedeutet „Shangri-La“ im Titel des Albums?
Scott Weiland: Das ist ein wunderschöner Ort. Eine utopische Gesellschaft, eine utopische Welt. Die wollten wir erschaffen. Aber das ist natürlich ziemlich unrealistisch. Deshalb funktioniert der Titel auch so gut. Er zeigt eine gute Portion Humor. Wir nehmen uns eben nicht ständig ernst.
Scott, lange Zeit hast du mit den DeLeo-Brüdern gekämpft. Siehst du sie heute als stabilisierenden Faktor in der Band?
Scott Weiland: Meiner Meinung nach stützen wir uns gegenseitig. Das hilft uns. Ich kann gute Texte und Melodien schreiben, aber diese Band hilft mir, sie ausreifen zu lassen.
Dean, warst du sauer auf Scott und seine Eskapaden?
Dean DeLeo: Sauer würde ich nicht sagen, aber ich hatte natürlich Angst, Zweifel. Und ich war wütend und verwirrt. Einen Groll zu hegen, ist nicht besonders gesund. So intim wie wir vier untereinander sind, bist du nur mit der Person, mit der du schläfst. Wir haben riesigen Respekt voreinander. Es ist wie eine Ehe, da gibt es gute und harte Zeiten. Darüber musst du offen reden, wie es Erwachsene tun sollten… Scott Weiland: …bis dass der Tod uns scheidet.
Aber an Offenheit haperte es in der Vergangenheit.
Scott Weiland: Wir sind eine der letzten großen Bands, die noch im Ring stehen. Wir haben eine Menge Erfolg gehabt, kommerziell, künstlerisch, aber auch bei den Kritikern. Als Musiker und Menschen sind wir gewachsen. Diese neue Platte wird es beweisen.
Scott, einmal bist du mitten in einem New Yorker Park verhaftet worden, in dem viele Leute Dope kaufen. War das Schicksal, Dummheit oder Absicht?
Scott Weiland: Ich kenne keinen Junkie, der sich absichtlich einsperren lassen würde.
Haben dir die fünf Monate Knast weitergeholfen?
Scott Weiland: Der Ball springt da auf, wo er hinfällt. Du musst den Schlägen ausweichen, sonst gehst du k.o. – es gibt nur eines von beiden.
Durftest du Musik hören?
Scott Weiland: Im Knast? Nur an Wochenenden.
Hast du darunter gelitten?
Scott Weiland: Gelitten hab ich darunter, dass ich nicht mit meiner Frau zusammen sein konnte.
Hast du deine Stimme im Gefängnis trainiert?
Scott Weiland: Nein. Vor einer Tour ist das nötig, aber nicht, wenn wir Platten machen. Du läufst auch keinen Marathon, wenn du nicht wirklich fit bist.
Was denkst du über die amerikanische Justiz?
Scott Weiland: In Kalifornien haben sie einiges verbessert. Nicht gewalttätige Drogensünder kommen nicht mehr so lange in den Bau. Das ist eine positive Entwicklung.
Hast du Respekt vor den Staatsorganen?
Scott Weiland: Alkohol ist die Droge, die am meisten missbraucht wird. Es ist in Ordnung, sich zu besaufen, weil eine riesige Industrie davon profitiert. Da gibt es eine Doppelmoral. Aber du musst dein Bestes geben, damit umzugehen.
Scott, du bist ein Freund von Fred Durst. Was hast du für Limp Bizkit getan?
Scott Weiland: Ich habe einige ihrer Titel mitgeschrieben und war einer der Koproduzenten der letzten beiden Scheiben. Dean DeLeo: Als Limp Bizkit den Rock’n’Roll retteten, hat Scott ihre Platten gerettet.
Wie findest du die neuen Bands, Dean?
Dean DeLeo: Limp Bizkit sind großartig. Sehr talentierte Musiker! Das heißt nicht, dass sich meine negative Meinung über die heutigen Bands geändert hätte. Led Zeppelins „Physical Graffitti“ ist immer noch das Maß aller Dinge für mich.
Und wie hältst du es mit den Drogen, Dean, nachdem Scott jetzt clean ist?
Dean DeLeo: Mein Motto lautet: Alles mit Mäßigung, auch die Mäßigung.
Im Beisein von Scott ist das vielleicht keine ganz so gute Idee.
Scott Weiland: Er geht in ein billiges Hotel, damit ich das nicht mitkriege, (lacht)
Scott, wie hast du Mary Forsberg kennen gelernt?
Scott Weiland: Vor der Unterzeichnung des Plattenvertrages war es mein letzter Job, für eine Agentur Models herumzufahren. Ich fuhr sie zu Castings.
Dean DeLeo: Du hättest diese alte Kiste sehen sollen, in der er die Mädchen herumkutschierte, ein 65er Chrysler, der jeden Augenblick auseinander zu fallen drohte.
Scott Weiland: Mary hab‘ ich am häufigsten gefahren, wir verliebten uns sofort. Allerdings heiratete ich dann meine erste Frau. Mary und ich haben uns trotzdem weiterhin gesehen. Irgendwann hab ich dann die Entscheidung eines Mannes getroffen. Das bedeutete, mich von meiner ersten Frau zu trennen, denn Mary und ich mussten zusammen sein.
Und was ist mit den Drogen?
Scott Weiland: Wenn du eine Familie hast und mal über die Stränge schlägst, merkst du schnell: Das war keine gute Idee.
Joe Perry, Gitarrist von Aerosmith, ist ein enger Freund der Band. Er hat einmal die Geschichte erzählt, Scott, du hättest deine Schuhe verkauft, um an Drogen zu kommen.
Scott Weiland: Das war an dem Tag, als ich vergeblich versuchte, Courtney (Love; Anm. d. Red.) anzurufen, weil ich wusste, sie hatte einen großen Sack voller Drogen. Ich hatte kaum noch Geld, also fuhr ich zu diesem Park und verkaufte meine nagelneuen Hush Puppies. Buchstäblich drei Minuten später bogen Courtney und unser Dealer um die Ecke und luden mich ein. Sie nahmen mich mit in dieses Hotel in Santa Monica, indem wir gerade sitzen.