Extrabreit


„Ein völlig neues Extrabreit-Gefühl: Früher haben uns die Kritiker in der Luft zerrissen, aber die Leute wie wild unsere Platten gekauftheute ist es eher umgekehrt. „Bissig kommentiert Kai Havaii die neue Lage, um gleich anzufügen, eine andere Reihenfolge sei vielleicht logischer, aber so rum sei es für die Band lehrreicher. In der Tat, ihr Lehrgeld scheinen die Hagener erst jetzt zu zahlen, nachdem sie „Ihre größten Erfolge“ (so der Titel ihres Debüt-Albums 1980) bereits hinter sich haben. Nach der finanziellen Pleite mit einer zu groß kalkulierten Tournee im Winter ’82/83 wußte keiner mehr so recht, wie es mit den neudeutschen Platten-Millionären weitergehen würde. Nach einer, wie man wohl so sagt, schöpferischen Pause kristallisierte sich statt der phantastischen Fünf ein Trio heraus: Stefan Klein (Gitarre), Wolfgang „Hunter“ Jäger (Baß) und, als Primus

inter pares, Kai Havaii (Gesang). Kai: „Mit unserem Namen verband sich nun mal dieses merkwürdige Phänomen NDW, und damit waren wir eine jener Gruppen, dieihr Stück vom Kuchen bekommen hatten, aber jetzt, bitte schön, wieder von der Bildfläche zu verschwinden haben.“ Daß ihnen aber keineswegs die Puste ausgegangen ist, beweisen sie mit ihrer neuen LP EUROPA, die bewußt internationalen Zuschnitt an den Tag legt. Durch die Mischung aus Hagener Hardrock/Rap/Scratch/Funk-Einf lüssen sowie deutscher und englischer Texte bekommt die LP

EUROPA Witz und Spannung. Daß sie damit einen – vom kommerziellen Blickwinkel gesehen gefährlichen Kurs ansteuern, kalkulieren sie voll ein: „Um an früher anzuknüpfen, hätte es nur einen Weg gegeben: Schlager.“ Und daran mochten die drei keinen rechten Gefallen finden. Auch mit anderen Traditionen brechen sie: Konzerte, durch die die Hagener erst berühmt wurden, sind fürs erste gestrichen. Erst wenn ihr rieues Zielpublikum klare Umrisse zeigt, wollen sie wieder auf die Bühne zurück. Eines ist für Kai Hawaii jedoch schon klar: „Ich stell‘ mich nicht mehr vorne hin und singe ,Hurra, hurra, die Schule brennt‘! Das ist einfach nicht mehr mein Leben.“