Erlebniserzählungen


Tu Fawning aus Portland verraten auf A Monument mehr über sich als früher.

Zuletzt gab sich Corrina Repp wenig offen. Man könne, so sagte die Frau, die von ihren Eltern nach einem von Bob Dylan bekannt gemachten Folk-Traditional benannt wurde („Corrina Corrina“), zum Tu-Fawning-Debüt Hearts On Hold, keinesfalls von den Texten ihrer Band auf irgendwelche Realitäten schließen. Das alles sei Kunst. Natürlich auch Kunst, die vom Herzen komme, aber kein Songwriting im Sinne von Autobiografien anschneidenden Erlebniserzählungen. Zwei Jahre später kann die Sängerin aus Portland die Verschlossenheit von damals erklären. Bevor sie mit ihrem Freund Joe Haege, den man auch von 31Knots und Menomena kennen mag, Tu Fawning gründete, veröffentlichte sie eine Solo-Platte. Flüchtig instrumentiert, gedankenschwer, mit Liedern voller Notizen zur eigenen Situation. Das, was man gemeinhin einen Seelenstriptease nennt. Das Problem an der Sache: Die Platte ging gnadenlos unter. Die Bereitschaft Repps, das Ureigene zu teilen, sank.

Mittlerweile liegen die Dinge anders. Mit A Monument erscheint nun das zweite Tu-Fawning-Album. Und das klingt nicht nur voller, wuchtiger, vielschichtiger als das Debüt. Da singt Corrina Repp plötzlich – ja, auch über sich selbst. „Ich habe in den vergangenen Jahren mit Tu Fawning so viel erlebt, dass das Bedürfnis, das zu teilen, einfach gewachsen ist“, sagt sie und weist darauf hin, dass Tu Fawning mittlerweile eine völlig andere Band sei. Das Projekthafte der frühen Jahre wurde durch eine Gleichberechtigung der vier ersetzt: Nicht nur Repp und Haege, sondern auch die beiden Mitmusiker Liza Rietz and Toussaint Perrault schreiben die Songs. Repp selbst nimmt seit einiger Zeit klassischen Gesangsunterricht. Und statt im Keller hat man diesmal in einem Studio aufgenommen, zumindest in dem Maße, in dem es das klamme Budget zuließ. Denn nach wie vor gilt: Mit Musik verdienen Tu Fawning wenig. Die gesamte Band hat Dayjobs. „Den meisten Menschen ist nicht klar, dass man als Musiker ein prekäres Leben lebt“, sagt Repp, um kurz darauf über ihre Zukunft zu sprechen: Eigentlich habe sie vor, sich ganz auf die Musik zu konzentrieren, nur noch als Tour- und Session-Musiker zu arbeiten. Das Problem: Gerade in Portland gibt es jede Menge Künstler, die genau das versuchen. Gut sind die allermeisten davon.

Jochen Overbeck

Albumkritik S. 94