Eric Burdon – Noch immer brennt das Feuer
„…no place to hide, so I just lay there, and I died, died, died, darkness, stillness, but it’s got to be changed, yes, it has, I open my eyes once more, I breathe again, I walked again, I was ten times stronger…“ „Tobacco Road Eric Burdon/1969 Es gab eine Zeit-Phase (und die dauert noch immer an), da wurde ich zurückgeworfen mit meinen Gedanken und Gefühlen in die End-60er-Jahre. Dorthin, wo Jim Morrison und die Doors mit „Break On Through To The Other Side“ die für zum Gegenüber suchten. Dort, wo Jimi Hendrix in die düsteren Ecken seiner Existenz einstieg, um das Licht zu suchen („I Don’t Live Today“). Dort, wo Brian Jones zur anderen Seite durchbrach.
Ausgelöst wurde mein Rückwurf durch ein Buch: „NO ONE HERE GETS OUT ALIVE“, eine Jim Morrison Biographie von D. Sugerman und J. Hopkins. Und in diesem Buch wird auch das Problem beschrieben, das Morrison während des Lebens als Rock’n’Roll-Star befiel und das er erst für sich gelöst hat, als er 1971 in Paris starb. Das Problem: man (das waren die Plattenfirma, die Medien, das Publikum, und Morrison selbst!) hatte um Jim herum ein Image aufgebaut (das Image des Rock-Stars, des Sex-Symbols), was er nicht mehr loswurde. Ein Problem, mit dem jeder Künstler zu tun hat: man wird durch eine bestimmte Sache bekannt (tritt an die Öffentlichkeit) und schafft damit ein bestimmtes Bild im Kopf der Leute. Und an diesem Bild wird der Künstler (meistens) sein ganzes Schaffen/Leben lang gemessen.
Und tödlich kann es für den Künstler ausgehen, wenn er den Erfolg, den er mit seiner Kunst hat, auf sein privates Leben überträgt, wenn er nicht mehr unterscheiden kann zwischen seiner Person die im Rampenlicht steht, und seiner Person die im Dunklen lebt, im .normalen‘ Leben.
Morrison wollte immer mehr. Mehr, als nur Star sein. Er wollte nicht die Lethargie eines Rock-Publikums. Er wollte Liebe… Der Rest ist Geschichte. Jim wechselte seine Identität (wurde dick, ließ sein Gesicht mit einem Bart zuwachsen) …und diese Identitätskrise endete im Tod.
Mit diesen Gedanken im Kopf (und den Doors und Jimi Hendrix-Platten auf meinem Plattenteller) stieß ich auf eine Zeitungsmeldung: Eric Burdon sei auf der Autobahn Kassel-Hamburg mit seinem nagelneuen Corvette-Stingray bei strömendem Regen in der Nacht mit 160 km/h verunglückt. 1980. Das Auto war Schrott. Burdon unverletzt. Na und, wirst du sagen. Für mich bestanden da irgendwelche Verbindungen zwischen denen, die sich Ende der 60er Jahre verbrannt hatten (Hendrix, Joplin, Jones, Morrison), und denen, die irgendwie überlebten und doch immer wieder Extreme herausfordern, Gefahr provozieren. Eric Burdon, der in Kalifornien „When I Was Young“, „Sky Pilot“ und „Monterey“ mit drogengefüttertem Kopf gesungen hatte… und heute in der Nacht, bei viel Wasser auf der Straße, mit hoher Geschwindigkeit mit seinem Auto fährt… da mußt du doch was provozieren. Mit diesen (meinen) Visionen fliege ich nach Madrid und nehme das Angebot, Eric Burdon zu treffen, an. Burdon soll hier mit seiner neuen Gruppe Fire Department ein Konzert geben. Hier, wo die Sonne scheint (als ich Deutschland verlasse, habe ich seit zwei Jahren keine Sonne mehr gesehen). In Madrid, es ist Nacht, und die Schwüle schlägt mir durch das offene Taxifenster entgegen, finde ich im Hotel die Nachricht, daß der Gig ausfällt, weil Bryan Ferry von Roxy Music, dem anderen Act on the bill, krank geworden ist. Nach einer 6-Stunden-Nacht verlasse ich Madrid wieder, zusammen mit Burdon und der Band. In Richtung München. Auf dem Flughafen müssen wir fast zwei Stunden warten, die Maschine hat Verspätung. Wir sitzen in der Halle. Eric liest die TIMES. Ich höre auf meinem Recorder „Walk On The Wild Side“ (die lange Live-Version, wo Lou Reed ausgiebig die Journalisten runtermacht). Eric und ich kommen ins Gespräch. Er sieht gar nicht so alt aus, in schwarzer Lederhose, dunkelgrünem Military – Look – aus – der – Boutique -Hemd; seine Augen hängen hinter undurchsichtigen Sonnenbrillengiäsern. Sein Bauch laßt viel Flüssigkeitsaufnahme vermuten. Als er die Augen freilegt, sehe ich, daß sie viel gelebt haben, viel durchlebt, aber immer noch strahlen, lieb, kindlich.
Wir sprechen darüber, was passiert, wenn man den Menschen die Sonne wegnimmt. Wie würden sie reagieren? Würden sie überhaupt? Beide kommen wir zu dem Schluß, daß man den Mensch eigentlich an alles gewöhnen kann. Eric erzählt von einem Film, den er in Kalifornien drehen wollte: 30 Tage lang die auf- und untergehende Sonne filmen, von einer Stelle aus. und nette, hübsche Chicks vor die. Sonne stellen.
Wir steigen ins Flugzeug. Eric liest ein Buch. THE GREATSHARK HUNT von Hunter S. Thompson, eine Sammlung von Aufsätzen aus dem Amerika der 60er/’70er. Eric liest mir ein Zitat laut vor:
„Alcohol hashish, prussic acid, strychnine are weak dilutions. The surest poison is time.“
(Emerson, Society and Solitude) Ein anderes Zitat, das ihm gefallen hat: „It ’s better to be lost than to be found.“
Wir landen in Barcelona zwischen. Die Sonne brüllt. Wir dürfen das Flugzeug nicht verlassen. Eine Stunde lang. Es gibt nichts zu trinken. Visionen von den Flugzeugen, die nach einer Entführung im Wüstensand liegen, durchkreuzen unsere Köpfe. Burdon holt aus seiner Tasche eine flache, in Leder gebundene Flasche. Die Flasche ist aus Mexiko (wo er auch mal lebte), der Inhalt, Rum, aus Mallorca (wo die Band vor Madrid einen Auftritt hatte). Viele nehmen einen Schluck.
B Er erzählt, daß er in der Nacht, als er nach dem Unfall zurück nach Hamburg kam (wo er seit 16 Monaten lebt), in seinem Briefkasten einen Brief seiner Freundin, die in Los Angeles Film studiert, fand. Dabei lag auch ein Entwurf ihres neusten Projekt, in dem es um das Autofahren geht, um die Gefahr, die der Mensch beim Fahren provoziert. Eine Gefahr, die er sonst in diesem geregelten Leben nicht mehr erfahren kann. Eric Burdon muß einen Schutzengel haben…
Als die Maschine in München aufsetzt, liegt Wasser überall. Sie rast auf die Piste. Dann gibt es einen unheimlichen Knall und für einen Sekundenbruchteil werden wir gerüttelt. Das war’s. Aquaplaning. Eric sieht mich an und sagt, bei seinem Unfall war’s genauso.
In München stellen wir uns Wein auf den Tisch. Und reden. Eric von einem Film, den Christel Buschmann (die Gibbi West Germany gemacht hat) mit ihm gerade dreht: „Ich glaube an kommerzielle Filme, und ich glaube immer noch, daß es im Film grundsätzlich darum geht, die Leute mit den alten Tricks Sex + Gewalt zu verführen. Genauso wie beim Rock’n’Roll, da geht’s auch nur um Sex+Drugs+Rock’n’Roll. Mehr nicht!“
urdon, Engländer, in Newcastle aufgewachsen, I ging vor zehn Jahren nach Amerika Kalifornien. Was hat ihn am Leben gehalten? „Ich weiß nicht, es war wirklich hart, in jener Zeit zu überleben. Denn ich wollte keiner Clique angehören, schon gar nicht einer Musiker-Clique. Ich war nicht wegen der Musik nach Kalifornien gegangen, sondern um mich in der Film-Maschinerie umzusehen. Also wurde ich zum Cinema-Groupie. Und so blieb ich am Leben. Ich habe eigentlich immer gefühlt, daß ich was mit Film machen sollte und ehe ich ’ne Verbindung zur Musik bekam, wurde mein Leben durch Filme motiviert.“ Eric schreibt seit drei Jahren an einer Auto-Biografie: „Die Inspiration dabei kommt von Jim Morrison, denn ich habe ihn mehrmals getroffen. Er ist ein gutes Fundament für mich, auf dem ich meine Person stützen kann, in vieler Hinsicht… ich habe sehr oft mit ihm zusammen gesoffen und dabei sehr viel von meiner Person in ihm gefunden, genauso verrückt. Jim war jedermanns Held, und er prüfte das; und er war jedermanns Narr, und er spielte diesen Part, er wußte es! Und er wußte, daß er sich selbst umbringt.
Ich habe nichts gefunden, was mich verbrennt. Ich schluckte Acid, Speed, bis zu dem Punkt, wo die Leute behaupten, die Zähne und noch mehr würden ausfallen, doch nichts passierte. Ich trinke heute immer noch ’ne Menge Alkohol… Als ich diesen Auszug aus der Morrison-Biographie in Rolling Stone sah, riß ich die Seiten sofort raus und klebte sie in mein Buch. Denn da ist alles drin! Ich muß nur vorsichtig sein, daß ich die Information nicht aus diesem Buch ziehe, vielleicht sollte ich es nicht lesen… Der Typ in meinem Buch ist jemand, der auf der Bühne Magie ausstrahlt; und man bewundert ihn. Aber wenn er nicht mehr auf der Bühne steht, glaubt er, jedes Problem, das er hat, lösen zu können! Das Konzept der Einleitung ist das Überleben in den 70ern, wenn dein Kopf noch in den 60ern steckt; der Typ kommt in den 70ern nach Los Angeles zurück und glaubt, daß Woodstock noch am Leben ist.“
Gibt es einen Unterschied zwischen dem Eric Burdon, der als Rocker auf der Bühne steht, und dem Burdon, der hier mit mir sitzt und all das erzählt? „Wenn man zwischen beiden unterscheiden kann, dann überlebst du. Wenn nicht, stirbst du, wie Hendrix, Joplin, Morrison. Ich hatte das Glück, daß mich Freunde gewarnt haben: Einsamkeit wird dich töten, das Business wird dich töten, wenn du zum Phänomen wirst. Also ging ich, als ich nach Amerika kam, in die Gettos, ins Schwarze Amerika, wo die Musik sowieso war.
Momentan habe ich noch ein großes Problem, und das ist die Scheidung von meiner Frau. Die glaubt, ich sei Millionär, jetzt, wo ich ’nen Film- und Plattenvertrag habe, wird’s noch schlimmer. Sie will mich mit ihren Geldforderungen umbringen, ich habe keinen verdammten Pfennig… also frage ich mich doch: warum überhaupt weitermachen? Ich habe mein Kind seit einem Jahr nicht mehr gesehen, das letzte Mal, als ich in Kalifornien war, ließ mich meine Frau nicht zu ihm…“ Es gibt ein Stück (für mich das beste!) auf der neuen Burdon LP THE LAST DRIVE, das davon handelt; eine schleichende/schreiende Ballade, die dir den Rücken kalt macht und Tränen in die Augen drückt: ,,/ never thought, that you could be so out of reach. And the lonely times have been like poison, child. I wish, I could practice, whatlpreach. Then I could release these feelings, that I’ve been holding deep inside… But please, don’t forgetyourlather, child, cause he’s out of reach. Yeah, my dream is to be free, free, freedom tor you and me.“ -‚Bird On The Beach‘.
Wir unterbrechen, abrupt, unseren Gedankenfluß. Wir müssen zurück zum Flughafen. Als wir beide ins Taxi steigen und den Fahrer bitten, die roten Ampeln doch als grüne zu sehen, dreht der sich um: „Was haben’s denn so lange angestellt, daß ’s so pressiert?“ Nur geredet, Mann!