Er läuft und läuft und läuft
Voll mobil im Wohnmobil - Genesis-Keyboarder Tony Banks zeigt den Ferraris den VW-Vorderlichter.
Preisfrage: Welche Autos fährt man. wenn man Keyboarder einer Band ist, die bis dato 85 Millionen Alben verkauft hat und auf der nächsten Tournee vor zwei Millionen Fans spielt? Einen Ferrari? Einen Rolls Royce? Einen fetten Mercedes, Marke Kohl & Konsorten? Weit gefehlt. Tony Banks, von Beruf Tastendrücker bei Genesis und seit seiner Kindheit begeisterter Camping-Tripper, schwort auf einen neun Jahre alten Volkswagen-Bus und einen nicht minder klapprigen Saab, Nicht gerade standesgemäß für jemanden, der einen Testarossa aus der Portokasse bezahlen könnte, aber das schert Tony wenig: „Meine Familie und ich sind damit schon in Irland, Frankreich und auf England-Rundfahrt gewesen. Um ehrlich zu sein — meine Frau ist nicht so scharf auf das Wohnmobil wie ich. Wenn wir damit unterwegs sind, blättert sie ständig in Hotclführern und winkt mit dem Zaunpfahl, und ab und zu bekommt sie dann ihren Willen. Aber ich mag den Bus. Ich steh ohnehin nicht besonders auf Luxus, und so kann ich schlafen, wo’s mir paßt.“ Auch im Inneren des Wohnmobils ist keine Spur von vergoldeten Chemie-WCs, das Interieur erstrahlt im schrägen Chic der Siebziger: Holzimitat, orange-braune Polster und ein kühn gemusterter Teppich. Tony stört’s nicht, er ist Pragmatiker: ., Camping-Busse sind viel wendiger und kompakter als Wohnwagen. Den VW habe ich gekauft, weil er vom Grundriß her ideal ist — Kühlschrank, Spule, Herd, Schränke und vier Schlafplätze. Außerdem ist das Dach gut verarbeitet und der Wiederverkaufswert nicht schlecht.“ Sein Erstauto — für den täglichen Bedarf — ist genauso unspektakular wie der Camper: ein acht Jahre alter Saab 900 mit klappernder Tür und 90.000 Kilometern auf dem Buckel.
„Ich habe ihn wegen seiner unverwechselbaren Form gekauft“, erklärt Tony. „Wenn du einen sportlichen Wagen mit ein bißchen Pfeffer unier der Haube suchst, der auf dem Parkplatz nicht völlig untergeht, ist die Auswahl heutzutage nicht gerade groß. Aerodynamik mag sich ja auf die Fahreigenschaften ganz positiv auswirken, aber dafür haben die Autos total an Individualität verloren. Schau dir mal einen der neuen Rover an — überhaupt keine Persönlichkeit mehr. „
Tony stellt seine beiden Auto-Persönlichkeiten zumeist in der Garage neben dem Genesis-Hauptquartier ab — ein ehemaligen Bauernhaus in Surrey. Wo früher Kühe standen, befindet sich heute ein hochtechnisiertes Aufnahmestudio. In der Scheune mußten die Heuballen zentnerweise Bühnen-Equipment und Bergen von Gold- und Platin-Schallplatten Platz machen. Um zu verhindern, daß irgendein Immobilienhai diese Idylle durch ein paar Reihenhäuser vor der Türschwelle verschandelt, haben Phil Collins & Co die umliegende grüne und liebliche Landschaft gleich hektarweise aufgekauft.
Diese Mischung aus Musik, Misthaufen und Moneten ist das Ergebnis einer zwanzigjährigen, überaus erfolgreichen Karriere im Rock-Business. Doch an Tony hat die italienische Sportwagen-Industrie bis heute kerne müde Mark verdient. Für ihn sind Ferraris, wenn man’s recht besieht, auch nichts anderes als Metallkübel mit vier Rädern dran. Der Rest der Band steht diesem Thema ähnlich pragmatisch gegenüber: Mike Rutherford fährt einen Range Rover, und Phil Collins bleibt seinem älteren 7er-BMW treu.
Das neue Hit-Album I CANT DANCE wird Tony einen weiteren warmen Geldregen bescheren, die örtlichen Autohändler aber haben nichts davon: „Die verdienen an mir nicht viel“, lacht Tony, „denn wenn ich mal ein gutes Auto gefunden habe, bleibe ich dabei. In den Inseraten heißt es immer: .Kauft unser neuestes Modell wegen diesen oder jenen Verbesserungen‘, aber die meisten Änderungen haben fir mich nur kosmetischen Wert. Wer braucht schon einen stärkeren Motor? Ich will gar nicht schneller fahren. So ein Otto Normalverbraucher wie ich nutzt die Leistungsfähigkeit eines Autos doch sowieso bloß zu zehn Prozent. „
Tony Banks sitzt im Regieraum des Genesis-Studios, umgeben von genug Elektronik, um ein Raumschiff zu starten, und jammert über technische Mätzchen in Autos. Elektrische Fensterheber haßt er /“Sinnlos, solange der Motor nicht läuft“), moderne Stereoanlagen sind ihm viel zu kompliziert. In seinem VW-Bus gibt es bloß ein altmodisches Radio mit Drucktasten und einen Cassettenrecorder, auf dem er sich halbfertige Songs und hin und wieder ein altes Genesis-Album anhört.
Kein Wunder, daß Tony mit seinen Klapperkisten bisher nur ein einziges Mal mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist: „Einmal haben sie mich geblitzt. Das war in einem kleinen Dorf in der Nachbarschaft. Ich fuhr 65, es waren aber nur 50 erlaubt.“