Elvis Costello


Mit "Brutal Youth" läßt Declan Patrick McManus alias Elvis Costello seine musikalische Jugend wieder aufleben - an der Seite seiner alten Band Attractions

This Year’s Model erinnert mächtig an das Baujahr 1977. Ein bißchen runder um die Hüften, aber der dunkle Anzug, die spitzen Schuhe und die Krawatte sind wieder da, ebenso die Hornbrille. Und — die frohe Botschaft für alle beinharten New Waver! — die in den vergangenen fahren gepflegte Haar- und Barttracht á la Jethro Tull ist der Schere zum Opfer gefallen. Elvis allerdings findet das Interesse an derlei Trivialitäten eher beunruhigend: „Gehör‘ ich zu Take That, oder was? Ich dachte, es ist egal, wie ich aussehe. Ich dachte, es sind die Songs, auf die es ankommt.“ Nicht nach Ansicht der Journalisten, die ihn ständig mit Fragen nach seiner Frisur belagerten und immer Costellos Standardantwort zu hören bekamen: „Ich hab‘ sie wachsen lassen, um Ruhe vor den Frauen zu haben.“ Stimmt natürlich nicht. „Das ist nicht wein Ding, mit Außenspiegeln auf den Schultern rumzulaufen und zu überlegen, wie ich wohl ankomme. Vielleicht wollte ich mich unbewußt von einem alten Image distanzieren, wer weiß? Ich lebte damals an Irlands stürmischen Küsten -— mit ein bißchen Haar über den Ohren läßt sich das einfach besser aushalten.“ Pop-Kenner raunten damals, die zunehmende Haarigkeit deute auf beunruhigende musikalische Entwicklungen hin. Costello hatte seine Bissigkeit verloren. Er war zum Softie entartet, der Songs mit Paul McCartney schrieb und mit der Dirty Dozen Brass Band herumhing. Auf dem Titel der Zeitschrift „Musician“ konnte man ihn in innigem Schulterschluß mit Grateful Deads Jerry Garcia sehen. Er hatte ein Album mit einem Streichquartett aufgenommen, Noten gelernt (endgültiger Verrat aller Punk-Prinzipien!) und auf einem Tributalbum für Charles Mingus gesungen.

Auf dem neuen Album „Brutal Youth“ ist Costello wieder mit seiner alten Backing Band, den Attractions, vereint. Getrennt hatte man sich 1990 in einer grandiosen Schlammschlacht. Costello warf ihnen öffentlich Habsucht und Geldgier vor, die Band revanchierte sich mit dem Vorwurf, ihr Boß habe sie finanziell übers Ohr gehauen. „Wir waren soweit, daß wir es nicht mehr zusammen in einem Raum aushielten. Ich glaube nicht, daß ich jemals geizig war. Naja, Schwamm drüber — in der Musik sollte man keine Kompromisse machen, aber Business ist nun mal eine andere Sache.“ Pause. „Trotzdem bin ich froh, daß ich diese drei fahre keine feste Band hatte. Durch die Tatsache, daß ich auf mich allein gestellt war, habe ich Sachen ausprobiert, die mir nie in den Sinn gekommen wären, wenn ich nur die Attractions als Ausdrucksmittel gehabt hätte. ‚Brutal Youth‘ hat definitiv von diesen Erfahrungen profitiert…“ Und dann kommt doch noch mal die alte Schnoddrigkeit zum Vorschein: „Ob das, was bei meinen Erfahrungen herauskommt, den Leuten gefällt, ist mir letztlich schnurzegal. Ich mache keine Platten, damit man mich liebt. Ich mache sie, weil sie mich interessieren. Ich gebe mich nicht der Illusion hin, ein besserer Mensch zu sein, bloß weil ich mehr als drei Akkorde verwende. Diese Platten sollen schließlich nicht mein Seelenheil retten.“