Elephant – Hamburg
Dieses Tier bläst gegen den Wind. Trends und Moden lassen den norddeuschen Dickhäuter kalt. Auf Bob Segeis Spuren kultiviert man stattdessen Balladen und kernigen Rock'n'Roll.
Rein imagemäßig kann es sich eine Band momentan kaum schwerer machen. Das fängt schon beim Namen an. Heute heißt man als deutsche Gruppe vielleicht „Rainer Wahnsinn“, „Das Gesunde Volksempfinden“ oder „Onanierende Ordensbrüder“ – aber doch nicht bloß einfach Elephant! Und: Man singt deutsch – egal was und wie – Hauptsache, es ist deutsch. Außerdem klingt man deutsch, bestenfalls noch englisch – doch gewiß nicht amerikanisch.
Alles das, was man momentan tunlichst nicht macht, trifft auf Elephant voll zu. Was sind das bloß für Typen, die Gevatter Trend völlig ignorieren – Hinterwäldler mitten in Hamburg, Masochisten oder ganz einfach Leute, die kompromißlos machen, worauf sie Bock haben? Fragen gibt’s genug.
Geburtsstunde der Band ist das Aussteigen von Drummer Reinhard Lehmann und Bassist Klaus Hormann aus Caros J.C.T. Band. Des Daseins als Begleitcombo überdrüssig, wollen sie etwas Eigenes auf die Beine stellen. Sänger Paul Botter wird kontaktet, Keyboarder und Lehmann-Freund Claus Epe tritt auf den Plan – der wiederum kennt Gitarrist Alexander von Oswald – die Gruppe ist komplett. Wir schreiben das Jahr 1978.
Es folgen zwei Jahre Live-Praxis auf norddeutschen Bühnen, ehe 1980 die Aufnahmen zur ersten LP ON MY FEET AGAIN beginnen. Noch während der Studioarbeit verläßt Klaus Hormann Elephant, weil ihm die – angepeilte – Existenz als Oberstaatsanwalt sicherer erscheint. Er wird durch Frank Fischer ersetzt.
Als ON MY FEET AGAIN auf den Markt kommt, wird in der Hamburger Szene viel von einem Bob-Seger-Imitat gemunkelt. Wie Seger schreiben die „Dickhäuter“ gerade Rocker und einfühlsame Baliaden – entscheidend jedoch ist die Seger-ähnliche Stimme von Paul Botter. Paul: „Ich hab‘ eigentlich immer so gesungen, auch bevor ich Seger kannte. Ich singe jetzt ja auch schon 12 Jahre. Da ich eine rauhe-bluesige Stimme habe, hob‘ ich mich logischerweise an solchen Sängern wie Seger und Frankie Miller orientiert. Also ganz einfach: Die Stimme ist so – und daß Seger so berühmt geworden ist, dafür kann ich ja auch nichts.“ Alexander „Das einzige Problem ist, daß die Leute meinen, Seger hätte solche Stücke gepachtet. “ Reinhard: „Stimmt! Unheimlich viele New-Wave-Bands klingen heute wie Can vor acht oder zehn Jahren, da stört sich aber kein Mensch dran.“ Ich selbst bin eigentlich erst seit der kürzlichen Veröffentlichung der zweiten Platte WELCOME TO THE CHINA SHOP richtig auf Elephant aufmerksam geworden. Und das liegt sicher nicht nur an der cleveren Promotionarbeit unseres Freundes Chris, (wollen’s hoffen -Red.), denn WELCOME steht den Vorgänger locker in den Schatten. Nicht nur, daß die Songs in sich besser sind – die Art, wie sie ‚rübergebracht werden, ist viel frischer und spontaner geworden.
Wie Claus meint, ist dieser Schritt zum Spontaneren/Frischeren ein Einfluß der Neuen Welle, mit der sie ja musikalisch nicht allzuviel zu tun haben. Wie ist überhaupt ihr Verhältnis zur neuen Generation der Rockmusik?
Paul: „Es gibt Sachen, die ich gut bis sehr gut finde, doch im Großen und Ganzen stehe ich letztlich mehr auf Musik, mit der ich aufgewachsen bin und die ich auch selbst mache.“ Reinhard: „Es kommt doch darauf an, wo die Wurzeln eines Musikers liegen. Wenn die jetzt Achtzehnjährigen ihre neue Musik machen, ist das voll in Ordnung. Die haben halt einen anderen musikalischen und sozialen Background als wir.“
Alexander: „Das Wichtigste ist, daß man als Musiker mit sich selbst ehrlich umgeht. Das sehe ich auch bei der Neuen Welle. Die gehen absolut ehrlich mit sich um. Wenn sie beispielsweise ein Instrument nicht voll beherrschen, spielen sie halt dilettantisch – nehmen es aber trotzdem auf. Was wir mit dieser neuen Platte gemacht haben, entspricht dieser Ehrlichkeit. Wir haben die Stücke im Studio genauso aufgenommen, wie wir live spielen.“ Ein Hauptunterschied zu vielen neuen Formationen ist der eigene Anspruch. Elephant wollen keine missionarische Botschaft verbreiten. Ihre Texte handeln wie auch die ihrer amerikanischen Vorbilder – von (Teenager) -Romanzen und ähnlich nachvollziehbaren Gefühlen.
Claus: „Es geht uns hauptsächlich darum, ein bestimmtes Lebensgefühl – unser Lebensgefühl – auszudrücken.
Als ich mich nach geschlagenen vier Stunden von ihnen verabschiede, ist mir klar, daß ihr Lebensgefühl meinem eigenen sehr nahe kommt. Obwohl man diese fünf Musiker sicher nicht in einen Topf werfen kann. Die Persönlichkeits-Palette bei Elephant reicht vom sehr gesprächigen Reiner bis zum verschwiegenen Frank – vom musikalisch experimentierfreudigen Alex bis zum straighten Rock’n’Roller Paul und dem sensiblen Psychologen Claus.
Und eins ist gewiß: So lange sie es verstehen, aus diesen vielen verschiedenen Zutaten einen überzeugenden, würzigen Eintopf wie WELCOME TO THE CHINA SHOP zu brauen, bleiben sie interessant. Musikalisch versiert sind sie sowieso.