Elbow-Gesellschaft


Musik, die sich vor sich selbst zu verneigen scheint: Das fünfte Album von Elbow macht gelassen und glücklich. Obwohl es auch an Peter Gabriel erinnert.

Das verrauchte Hinterzimmer einer Kneipe ist der ideale Ort für ein Interview mit Elbow. Besser noch als eine Suite im Adlon. Weil in einer Kneipe die Frischbier-Zufuhr stets gewährleistet und im Hinterzimmer das Rauchen erwünscht ist. Guy Garvey, ein unrasierter Mann, dreht sich eine Zigarette, leiht sich einen Filter, nippt an seinem Glas, wischt sich den Schaum von der Unterlippe, zündet die Kippe an, inhaliert, atmet tief aus und sagt zu seinem Kollegen, dem schmächtigen Bassisten Pete Turner: „Du hast keine Ahnung, Mann …“ Turner rollt mit den Augen: „Genesis, okay. Aber Yes? Nein, zu denen hatte ich wirklich nie einen Draht.“ Garvey hebt die Augenbrauen: „Progrock war ein Experiment. Was ihn interessant machte, das waren doch die schönen Unfälle, die bei diesem Experiment passiert sind. Bei Yes gibt es absolut überirdische Momente, Pete. Ich habe das alles auf dem iPod, ich spiele dir das vor.“

Und schon sind wir mitten in einem Gespräch, das sich um Für und Wider des alten Progrock aus den 70ern dreht. Kein Wunder, macht Garvey doch aus seiner Bewunderung für Peter Gabriel keinen Hehl: „Trotzdem sind Pete und ich die einzigen Jungs in der Band, die so was lieben“, und Pete sekundiert kichernd: „Diesmal hatten wir bei den Aufnahmen wieder so einen Augenblick, bei dem Guy und ich uns kurz in die Augen geschaut und gehofft haben, dass den anderen nicht auffällt, was wir hier gerade machen: Prog.“

Build A Rocket Boys! wirkt um Längen gelassener und verhaltener als der Vorgänger. Dabei war The Seldom Seen Kid nach 20 Jahren des brotlosen Daseins als „Kultband“ der überfällige Durchbruch. „Wir müssen nun erstmals nicht um unsere Existenz fürchten, wenn das Album sich nicht verkauft“, resümiert Garvey den Erfolg. „Wir wollten vermeiden, noch mal die gleiche Platte aufzunehmen“, erklärt Pete Turner nicht ohne Stolz, dass genau das gelungen ist. Elbow haben sich nichts mehr zu beweisen. Wenn er in all den Jahren etwas gelernt habe, meint Garvey, dann dies: „Immer machen, wonach dir der Sinn steht. Hauptsache: machen!“ So sei auch der Titel des Albums Build A Rocket Boys! zu verstehen, eine Reminiszenz an Jugendtage: „Ihr wollt eine Seifenkiste bauen? Machen! Ihr wollt eine Mondrakete bauen? Los geht’s!“, ruft Garvey und breitet die Arme aus. Pete Turner nickt dazu wohlwollend. Es muss sich groß anfühlen, an Bord dieser Rakete zu sein.

Albumkritik S.82