Eins auf die Fresse?
Turbonegro, die totgesagten norwegischen "Deathpunks" sind zurück - und natürlich die beste Band der Welt. Wer das anders sieht, schwebt in Gefahr.
Kommerzieller Selbstmord funktioniert so: Eine Band ist so groß und berühmt wie nie zuvor und löst sich trotzdem auf. Ende 1998 machten Turbonegro Schluss. Die „Deathpunks“ aus Oslo waren auf dem Höhepunkt ihres Erfolges – und auf dem Höhepunkt des Exzesses. Das Problem war Sänger Hank von Helvete. Der konnte nicht mehr, war physisch und psychisch am Ende. „Es war eine Mischung aus mentaler Krankheit, Heroin und zu harten Partys“, erklärt Bassist und Bandgründer Happy-Tom, der mit der Matrosenmütze. „Turbonegro lösten sich im Wartezimmer einer psychiatrischen Krankenstation in Mailand auf.“
Sobald das Ende bekannt wurde, erklang von Oslo bis Vancouver ein Wehgeheul aus Tausenden Kehlen. Die Turbojugend – der militärisch strikt organisierte Fanclub der Band – versank in Trauer und selbige in Bier. Doch vorbei war danach noch lange nichts. In jeder größeren Stadt traf man früher oder später auf eine Jeans-Jacke mit dem „Turbojugend“-Logo. In versifften Absturzpinten und hippen Rock-Clubs liefen die Songs der Band, die sich auf der Bühne ausschließlich in dunkelblaues Denim zwängte. Man kann sagen, dass Turbonegro so richtig berühmt wurden, als es sie nicht mehr gab. Sie wurden zur Legende – und Hank wieder gesund. Letztes Jahr gaben Schlagzeuger Chris Summers, die Gitarristen Rune Rebellion, Pal Pot Pamparius und Euroboy, Sänger Hank und Bassist Happy-Tom ihr Wiederbelebungs-Konzert auf dem Bizarre Festival. Und plötzlich war klar, dass es weitergeht. Die neue, fünfte Platte der Norweger heißt Scandinavian Leather. „Sie handelt vom Überleben. Das ist das. was wir in den vier Jahren gemacht haben“, sagt Happy-Tom.
Ihr musst die Selbstzerstörung bekämpfen. Denn die ist der Tod der Band.
Ich weiß. Wer schauen einfach, wie lange wir spielen können. Wir sind besser denn je. Die Leute passen besser auf ihre Ärsche und Mäuler auf. Wenn sie Scheiße über uns erzählen, sollten sie nicht vergessen: Wir sind zurück und schlagen sie zusammen.
Wie wollt ihr sie verprügeln? Mit Musik?
Nein, physisch. Ich war Türsteher in der brutalsten Kneipe Oslos. Ich verprügle ständig Leute. Wenn jemand scheiße über uns redet, komme ich vorbei und hau ihm aufs Maul. So einfach ist das.
Als ihr vergangenes Jahr auf dem Bizarre Festival gespielt habt, hat Hank auf der Bühne ständig dos Wort „Kinderficker“ benutzt. Sollte das lustig sein?
Der Humor von Turbonegro ist nicht wirklich lustig. Er ist dunkel.
Ging es denn in dem Fall um Humor? Das war doch nur platte Provokation.
It’s just a cheap thrill. Im Rock’n’Roll geht es nicht um Medienstrategien und die richtigen Worte.
Wie kann man heutzutage, nach Marilyn Manson und Rock Bitch, überhaupt noch provozieren?
Turbonegro wollen nicht provozieren. Wir wollen die Leute irritieren. Wir könnten jetzt auch die Denim-Jeans ausziehen und normale Klamotten tragen und wären immer noch die beste Band der Welt. Aber wir wollen einfach, dass die Leute dumm gucken. Unser Image ist das schlimmste überhaupt. Es ist nicht provokativ, sondern einfach nur schrecklich und dumm. Aber wir mögen es, uns selber Probleme zu schaffen.
In den Jahren der Band-Pause hast du als Wirtschaftsberater gearbeitet. Wie hast du dir denn da die Probleme gemacht?
Da gab s keine. Das war ein guter Job. Eines der wichtigsten Konzepte von Turbonegro ist die Selbstzerstörung. Einen guten Job zu haben ist nicht selbstzerstörerisch. Ich mache lieber so was als – wie viele andere Bands – alle 18 Monate ein beschissenes Album zu veröffentlichen und damit zu touren, T-Shirts zu verkaufen und vom Backstage-Catering zu leben. Turbonegro veröffentlichen keine schlechten Platten. Das tun schon alle anderen. Ich würde eher in einer Fabrik arbeiten als in einer schlechten Band zu spielen. Und wenn wir uns 1998 nicht aufgelöst hätten, wären wir eine schlechte Band geworden.
Was ist für euch die Philosophie hinter dem Rock’n’Roll?
Freiheit und Brillanz. Rock’n’Roll sollte ein Laserstrahl deines Herzens sein. Wenn nicht, bist du kein Rock’n’Roll. Auch wenn Turbonegro eine sehr physische Band sind, ist Rock’n’Roll in vielerlei Hinsicht auch eine intellektuelle Sache. So sollte es sein. Alle großen Rock’n’Roller waren Intellektuelle – Joey Ramone, Iggy Pop. Selbst ein Typ wie David Lee Roth ist ziemlich clever.
Eure Fans organisieren sich in der Turbojugend, haben Präsidenten, Statuten und so.
Ja, es ist wie ein Klub. Wenn du ein Kid bist, hast du einen Klub. Fans sollten wie früher wieder im Zentrum des Rock’n’Roll stehen. Heute sehen die meisten in den Fans Leute, denen sie etwas verkaufen können. Die Turbojugend ist das Spiel unserer Fans. Sie machen die Regeln. Wir haben darüber keine Kontrolle.
Was tut ihr für eure Fans ?
Nun, wir geben ihnen einfach den besten Rock’n’Roll – ähem – aller Zeiten. Und jetzt haben andere Bands Angst, denn die beste Band Europas ist zurück. Wir werden sie langsam in den Arsch ficken, für immer. www.turbonegro.com