Eine Geschichte der Sitcoms: Die ikonischsten US-Comedy-Serien der 1990er-Jahre
In „Eine Geschichte der Sitcoms“ stellen wir die jeweils besten Serien eines Jahrzehnts vor und liefern Euch damit mehr Inspiration für die Abende zuhause.
In einem Ausnahmezustand wie der aktuellen Coronavirus-Pandemie gibt es zwei Arten von Menschen: Die einen versinken liebend gerne in den Tiefen von dystopischen Serien, um sich selbstzerstörerisch noch tiefer in die mentale Apokalypse zu begeben. Die andere Hälfte wählt den Weg des Verdrängens und lässt sich von Sitcoms und Komödien berieseln, um Sorgen und Ängste sanft beiseite zu schieben.
Wer sich stolz und ohne Scham der zweiten Kategorie zuordnet, aber nicht zum fünften Mal „The Office“ schauen möchte, kann hier fündig werden: In „Eine Geschichte der Sitcoms“ präsentieren wir jeweils die ikonischsten Comedy-Serien eines Jahrzehnts, um Euch ein wenig Abwechslung und Inspiration fürs Binge-Watchen zu geben. Außerdem wollen wir ein paar Fragen auf den Grund gehen: Wie haben sich Sitcoms über die Jahrzehnte hinweg entwickelt? Und warum waren manche von ihnen so irrsinnig erfolgreich?
Was definiert eine Sitcom?
Sitcoms unterscheiden sich von anderen Formen der Comedy durch eine hohe Gag-Quote, wobei diese jedoch alle in eine dramatische Handlung eingepflegt sind – das gibt den Zuschauer*innen die Möglichkeit, persönliche Zuneigung und Bindungen zu den Charakteren aufzubauen. Eine Folge überschreitet meistens nicht eine Dauer von 30 Minuten, auch die Sets sind oft einheitlich und ändern sich über mehrere Staffeln hinweg wenig.
Bei der klassischen Sitcom war auch die Live-Aufnahme vor Publikum ein fester Bestandteil des filmischen Konzeptes – und das hörbare Gelächter der Zuschauer*innen sprach somit für eine hohe Qualitität der Serie. Später wurden die Lacher immer öfter erst im Nachhinein eingebaut, bei den meisten aktuellen Sitcoms (wie bei „Modern Family“ und „New Girl“) wird komplett darauf verzichtet.
Auch die Dramaturgie einer Sitcom hat sich über die Jahrzehnte hinweg verändert: Das ursprüngliche narrative Konzept einer Sitcom sieht eine „zirkuläre Dramaturgie“ vor – die Charaktere werden pro Folge vor ein Problem gestellt und nach jedem gelösten Konflikt befinden sie sich wieder an ihrer Anfangsposition. Diese Erzählweise wurde vor allem aus dem Grund eingeführt, dass Episoden nach Lust und Laune im Fernsehen wiederholt werden konnten, ohne dass jemand der Geschichte nicht folgen könnte. Erst als offensichtlich wurde, dass Zuschauer*innen eher bei einer Sitcom hängen bleiben, wenn sie mit den Figuren mitfühlen und ihren Lebensweg verfolgen möchten, wurde die „zirkuläre Dramaturgie“ abgeschwächt. Stichwort: Charakterentwicklung.
Die ikonischsten Sitcoms der 1990er-Jahre:
Seinfeld
1989 – 1998
Man mag sich fragen, wie es sein kann, dass eine Serie, die gerne als „show about nothing“ betitelt wird, weithin als eine der größten und einflussreichsten Sitcoms aller Zeiten gilt. Die kurze Antwort: Wer es sich anschaut, wird es verstehen. „Seinfeld“ wurde im Jahr 1989 von den Comedy-Urvätern Larry David und Jerry Seinfeld ins Leben gerufen und portraitiert das Leben von den vier in New York lebenden Freunden Jerry Seinfeld (bzw. eine leicht fiktionalisierte Version seiner selbst), dessen bestem Freund George Constanza (Jason Alexander), seiner früheren Ex und jetzigen guten Freundin Elaine Benes (Julia Louis-Dreyfus) und Cosmo Kramer (Michael Richards) – dem Nachbarn von Gegenüber.
Die Show lebt von (oft unglücklichen) Zufällen und Begegnungen, präzisen Beobachtungen aus dem alltäglichen Leben und ironischen Twists, deren Fäden häufig erst gegen Ende einer Folge zusammenlaufen. Zudem ist die Show für ihre immanente Mischung aus Realität und Fiktion bekannt, da viele Episoden auf wahren Erlebnissen von Jerry Seinfeld und Larry David beruhen. Fun-Fact: Nachdem „Seinfeld“ im Jahr 1998 nach neun Staffeln zu einem Ende kam, war schnell von einem „Seinfeld-Fluch“ die Rede – keine*r der Hauptdarsteller*innen schaffte es die ersten Jahre, in einem neuen Projekt Fuß zu fassen. Erst im Jahr 2006 schien der „Fluch“ gebrochen zu sein, als Julia Louis-Dreyfus einen Emmy als Beste Hauptdarstellerin in der CBS-Sitcom „The New Adventures of Old Christine“ gewann, die Trophäe in die Kamera hielt und sagte: „Ich bin nicht jemand, der wirklich an Flüche glaubt, aber verfluche das hier, Baby!“ Ende 2019 kamen die großen Neuigkeiten: „Seinfeld“ wird ab 2021 bei Netflix verfügbar sein!
Der Prinz von Bel-Air
1990 – 1996
Was passiert, wenn man einen Teenager von den Straßen von Philadelphia ins noble Viertel Bel Air zu seinen wohlhabenden Verwandten schickt, damit er da seinen Schulabschluss machen kann? Erst einmal: Chaos. Die Sitcom „Der Prinz von Bel-Air“ dreht sich um William „Will“ Smith (wie hieß nochmal bloß der Schauspieler?), der sich in seinem neuen Leben bei seinem strengen Onkel Phil Banks (James L. Avery, Sr.), dessen Frau Vivian (erst gespielt von Janet Hubert-Whitten, in der vierten Staffel dann von Daphne Maxwell Reid ersetzt) und deren vier Kindern – die zwei eher versnobten und konservativ erzogenen Hilary (Karyn Parsons) und Carlton (Alfonso Ribeiro), die gutmütige Ashley „Ash“ (Tatyana Ali) und der jüngste Sohn Nicky Banks (Ross Bagley) – zurechtfinden muss. Zur Seite steht ihm dabei sein bester Freund Jazz (gespielt von DJ Jazzy Jeff), der aufgrund seines Benehmens regelmäßig aus dem Haus der Banks geworfen wird. Während Will zunächst wegen seiner unbesorgten, charmanten und lockeren Art in dem Reichenviertel negativ auffällt, entwickelt sich über die Zeit hinweg jedoch ein enges Band zwischen der Familie und dem ungleichen Jungen.
„Der Prinz von Bel-Air“ war der internationale Durchbruch für Will Smith, der vorher bereits als Rapper unter dem Namen „The Fresh Prince“ erste Bekanntheit feierte. Obwohl die Serie definitiv als Sitcom angelegt ist, finden sich in der Show zahlreiche gesellschaftskritische Elemente – so definiert sich Will in der Serie etwa als großer Fan des Bürgerrechtlers Malcom X und auch Themen wie Rassismus oder soziale Klassifikation werden häufiger aufgegriffen. Im Jahr 2019 erschien ein „Mock-Trailer“ (ein fangemachter Kurzfilm) mit dem Titel „Bel-Air“ auf You-Tube, der innerhalb eines Tages viral ging und die ursprüngliche Comedyserie in ein eher düsteres Drama verwandelte. Kurz darauf vermeldete Will Smith sein Interesse an einem Reboot-Projekt – laut dem „Hollywood Reporter“ soll es seit etwa einem Jahr in Arbeit sein.
Hör mal, wer da hämmert
1991 – 1999
Auch wenn die Serie „Hör mal, wer da hämmert“ mal wieder beweist, dass man in den 1990er-Jahren sehr gut auf deutsche Synchronisationstitel hätte verzichten können – die Sitcom war sowohl in Deutschland als auch in den USA ein unglaublich großer Erfolg. Die Comedyserie mit dem Originaltitel „Home Improvement“ beruhte auf einem Stand-Up-Programm des US-Komikers Tim Allen, der durch seine Hauptrolle als Timothy „Tim“ Taylor auch als Schauspieler international durchstartete. Tim lebt mit seiner Frau Jill (Patricia Richardson) und ihren drei Söhnen Brad (Zachary Ty Bryan), Randy (Jonathan Taylor Thomas) und Mark (Taran Noah Smith) in Detroit, Michigan und moderiert gemeinsam mit seinem besten Freund Al (Richard Karn) die Heimwerkersendung „Tool Time“ – obwohl er selbst mehr schlecht als recht mit Werkzeugen umzugehen weiß. Während seine Frau Jill in jeder Hinsicht auf intellektueller und emotionaler Ebene glänzt, nimmt Tim meist die Rolle des liebevollen, aber selbstüberzeugten Vaters ein, der sich mit seiner Liebe für Autos und Technik für einen „richtigen Mann“ hält.
Als weitere Nebenfiguren fungieren der hilfsbereite Nachbar Wilson Wilson jr. (Earl Hindman), sowie Tims und Als Assistentinnen Lisa (gespielt von Pamela Anderson, die mit dieser Rolle den Grundstein für ihre spätere Karriere legte) und ab der dritten Staffel Heidi (Debbe Duning), die beide in der Heimwerkersendung den völlig unproblematischen Titel „Tool Girl“ tragen. „Hör mal wer da hämmert“ gehörte zu den erfolgreichsten Sitcoms der 1990er Jahre und lief acht Jahre lang auf dem US-Sender ABC. Im vergangenen Monat wurde eine Neuauflage der Serie angekündigt, die den Titel „Assembly Required“ tragen und im Format einer Reality-Show ausgestrahlt werden soll – mehr Informationen gibt es allerdings noch nicht.
https://www.youtube.com/watch?v=ilrftjPYpuw&t=60s
Frasier
1993 – 2004
Die Rolle des Dr. Frasier Crane tauchte erstmals in der 80er-Jahre-Kultserie „Cheers“ auf, die sich von einem Randcharakter zum Publikumsliebling und letztendlich zu einem Teil der Hauptbesetzung entwickelte. Da der Charakter auch nach dem Ende von „Cheers“ noch Potenzial bot, wurde kurzerhand eine Ablegerserie ins Leben gerufen. „Frasier“ erzählt die Geschichte des versnobten Psychiaters weiter, nachdem er sich von seiner Frau Lillith scheiden ließ und in ein schickes Apartment in Seattle gezogen ist – wo er sich nun um seinen pflegebedürftigen Vater Martin (John Mahoney) kümmern muss. Frasier (Kelsey Grammar) und sein Bruder Niles Crane (David Hyde Pierce) sehen sich nicht bloß ähnlich, sondern teilen auch ihren Hang zu Neurosen und ihr Pech mit den Frauen: Während Frasier gerne dabei scheitert, eine feste Partnerin zu finden, ist Niles zwar verheiratet, aber dennoch unglücklich verliebt in Daphne (Jane Leeves), die Physiotherapeutin seines Vaters.
„Frasier“ ist eine der meistausgezeichneten Fernsehserien aller Zeiten und gewann von insgesamt 159 Nominierungen ganze 109 Auszeichnungen – darunter fünf Jahre lang hintereinander den Emmy als Herausragende Comedyserie. Zwischen der Rolle des Frasier aus „Cheers“ und der späteren Ablegerserie herrschen einige Unterschiede – s0 hieß es ursprünglich, Frasier sei ein Einzelkind. Als die Showrunner David Angell, Peter Casey und David Lee jedoch die maßgebliche Ähnlichkeit zwischen den Schauspielern David Hyde Pierce und Kelsey Grammar bemerkten, etablierten sie die Rolle des Bruder Niles. Neben „Cheers“ und „Frasier“ gehören noch weitere Shows zu demselben Serienuniversum, darunter „Überflieger“, „The Tortellis“, „Chefarzt Dr. Westphall“ und „Die Nanny“.
Friends
1994 – 2004
Kaum eine Serie hat solch einen Kultstatus inne wie die Sitcom „Friends“: Seit der ersten Episode, in der Rachel Greene im Hochzeitskleid das New Yorker Café „Central Perk“ betritt, hat sich eine gigantische Fangemeinde um die Sitcom herum entwickelt, die auch fünfzehn Jahre nach dem Showende noch weiter anhält. Zehn Staffeln lang konnten Zuschauer*innen Rachel (Jennifer Aniston), Monica (Courtney Cox), Phoebe (Lisa Kudrow), Joey (Matt LeBlanc), Chandler (Matthew Perry) und Ross (David Schwimmer) dabei begleiten, wie sie Trennungen durchlebten, Jobs bekamen und wieder verloren, sich mit Zukunftsängsten und Todesfällen konfrontiert sahen – aber stets aufeinander vertrauen konnten. Das Konzept von „Friends“ – eine Freundesgruppe in ihren Mittzwanzigern – spiegelte den damaligen Zeitgeist der Generation X, in der Freund*innen zur Familie emporgehoben wurden, wie keine andere Show der 1990er-Jahre. Diese Idee war Inspirationsquelle für viele populäre Sitcoms der 2000er und 2010er, darunter „How I Met Your Mother“, „ The Big Bang Theory“ und „New Girl“.
Das Serienfinale am 6. Mai 2004 wurde von insgesamt 52,5 Millionen US-Zuschauer*innen gesehen und markiert damit die meistgeschaute TV-Episode der 2000er-Jahre. Am 12. November 2019 – fünfzehn Jahre nach dem offiziellen Ende von „Friends“ – wurde ein Reunion-Special für den kommenden Mai auf dem neuen Streamingdienst HBO Max angekündigt, in dem alle Schauspieler*innen für eine Folge in ihre ikonischen Rollen zurückkehren sollen. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie musste die Reunion allerdings auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Fun Fact: Zu Beginn der zweiten Staffel der Serie bekamen David Schwimmer und Jennifer Aniston mehr Gehalt als ihre Co-Stars, weshalb sie sich zu sechst – angeführt von Schwimmer – für gleiche Gagen einsetzten.
https://www.youtube.com/watch?v=xHcPhdZBngw
King Of Queens
1998 – 2007
Doug (Kevin James) und Carrie (Leah Remini) Hefferman sind ein junges Ehepaar in Queens aus der unteren Mittelschicht – während Doug als Kurierfahrer für die fiktive Firma IPS arbeitet, ist Carrie zunächst als Rechtsanwaltsgehilfin und später als Sekretärin in einer Immobilienkanzlei tätig. Als Carries Vater Arthur Spooner (Jerry Stiller) nach dem Tod seiner Frau aus Versehen sein Haus niederbrennt, zieht er in das Souterrain der Heffermans ein. Aus einer vorübergehenden Situation entwickelt sich so ein festes (und teilweise dysfunktionales) Wohnverhältnis, das den Dreh- und Angelpunkt der US-Sitcom „The King Of Queens“ ausmacht. Arthur ist exzentrisch, mürrisch und wahnsinnig anstrengend; mit seinen Launen treibt er vor allem Doug oft in den Wahnsinn. Carrie und ihr Vater ähneln sich in ihrer Dickköpfigkeit und Streitbarkeit sehr, sodass es häufig an dem harmoniebedürftigen und eher einfältigen Doug liegt, die Wogen wieder zu glätten.
„The King Of Queens“ feierte am 21. September 1998 auf dem Sender CBS Premiere und konnte aufgrund des guten Sendetermins am Montagabend konstant gute Publikumszahlen erzielen. Erst im Jahr 2003, als der Sendetermin der Show auf Mittwoch verlegt wurde, begannen die Zahlen zu sinken. Trotz einer großen Fanbase und guter Kritiken konnte die Show während ihrer Laufzeit keine Preise gewinnen. „The King Of Queens“ wurde nach dem Vorbild von der altbekannten Serie „The Honeymooners“ aus den 1950er-Jahren konzipiert – so beruhen die Rollen von Doug und Carrie Hefferman auf dem Ehepaar Ralph und Alice Kramden. Als Hommage an „The Honeymooners“ wurde im Jahr 2001 eine Episode ausgestrahlt, in der Doug davon träumt, er sei Ralph Kramden, seine Frau Carrie sei Alice Kramden und sein Freund Deacon sei Ed Norton. Die komplette Sequenz wurde dabei in Schwarzweiß gefilmt und die Tonqualität entspricht dem Stil der 1950er-Jahre.