Ein Problematisches Geschenk
Der Regisseur David Lynch erforscht in seinen Filmen die Abgründe der Seele. Jetzt will er Schülern helfen, Stress und Amte abzubauen - mit einer umstrittenen Meditationstechnik und ein bisschen Hilfe von Freunden aus dem Musikgeschäft.
Anfang April war mal wieder Benefiz-Konzertmarathon angesagt in der Radio City Music Hall in New York. Das ist längst nichts Besonderes mehr – halbwegs neu war dafür der Zweck, für den da so unterschiedliche Künstler wie Paul McCartney und Ringo Starr, Eddie Vedder, Donovan, Beach Boy Mike Love, Sheryl Crow, Ben Harperund Moby und Jim James von My Morning Jacket auftraten. Vorgegeben hatte ihn der Regisseur David Lynch („Twin Peaks“, „Mulholland Drive“): Stressabbau durch „Transzendentale Meditation für eine Million Schüler“ lautet das Ziel der aktuellen Initiative von dessen 2005 gegründeter „David Lynch Foundation for Consciousness-Based Education and World Peace“, im Zuge derer er auch 20.000 jungen Menschen in Deutschland Kurse in Transzendentaler Meditation, kurz TM, kostenlos ermöglichen möchte.
Lynch, 63, praktiziert TM seit fast 40 Jahren, zwei Mal täglich taucht er für 20 Minuten ein „in das reine Bewusstsein“. Angeblich verschwinden so Wut, Ängste und Alltagssorgen, entsteht innere Ruhe, können kreative Potenziale besser genutzt werden. Als „Geschenk, das ein Leben lang hält“ lobt auch Paul McCartney die Technik, die weltweit etwa fünf Millionen Menschen ausüben. Mit den Beatles machte er Anfang der 60er die Lehre des indischen Gurus Maharishi Mahesh Yogi (f2008) populär. Kürzlich outete sich auch Mobv als TM-Fan:
„Früher dachte ich, man müsse dafür an Tieropfern teilnehmen und in fernen Ländern Käfer essen. Aber als ich mich näher mit TM beschäftigte, wurde mir klar, dass es weder ideologisch noch dogmatisch ist, sondern eine einfach zu erlernende Technik, die Seele zu beruhigen“ “ TM nur als Technik zum Stressabbau zu verkaufen, ist problematisch“, warnt dagegen Dr. Friedmann Eißler, Referent der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin. Hinter TM stehe ein fundamental hinduistisches Weltbild.
„Die religiösen Bezüge werden vielfach ausgeblendet“, so Eißler. „Wenn sich Erwachsene TM auf dem freien Markt aussuchen, ist das eine Sache. Aber bei Schülern, denen es noch dazu kostenlos angeboten wird, finde ich das problematisch.“
Wie problematisch, zeigt ein Anruf bei Emanuel Schiffgens, dem deutschen Oberhaupt der Maharishi-Weltfriedensstiftung und Lynch-Vertrautem seit 2003. Von TM profitiere die ganze Gesellschaft, ist Schiffgens überzeugt. „Das kollektive Bewusstsein wird unbesiegbar. Man wird immun gegen Negativität von außen und hat keine Feinde mehr. So ist Deutschland auch kein Spielball mehr für andere Staaten“, schwadroniert der End-50er, der offiziell gern in weißem Gewand und mit Goldkrone auftritt. Gerade für Schüler sei TM eine feine Sache. Es gebe „viel positives Feedback“ seitens der Schulen auf die Lynch-Initiative. Namen nennt Schiffgens nicht. Kein Wunder, untersagt das deutsche Schulrecht doch privat finanzierte Inhalte an öffentlichen Schulen. Sylvia Schill, Sprecherin der Kultusminister-Konferenz: “ Da kann nicht einfach jemand den Lehrplan umstricken, nur weil er Geld hat.“
In Deutschland dürften David Lynch, seine Benefiz-Sänger – denen man ja keine bösen Absichten unterstellen möchte und ihre seltsamen Alliierten also noch einen weiten Weg vor sich haben. Zumal laut einem Urteil von 1989 die Bundesregierung sogar ausdrücklich vor TM warnen darf, die „zu psychischen Schäden oder zu einer Persönlichkeitsverletzung führen“ könne.
www.davidlynchfoundation.org