Ein Hauch von Heimatgefühl
Die Anzeichen deuten daraufhin, dass TripHop wieder hip wird. Zumal sich mit Tricky eine weitere Galionsfigur des Genres zurückmeldet. Geht da nun was oder nicht?
Musik-Recycling und kein Ende. Die 8oer liegen schon wieder im Schredder, nun kochen die 9oer-Jahre hoch. Eine Ära, in der die Spaßgesellschaft regierte, aber auch eine dauertrübe Gruftstimmung Raum griff – in Form von TripHop zum Beispiel. Wir erinnern uns: Trip-Hop ist eine songorientierte HipHop-Variante mit schleppenden Beats und ohne Raps, dafür mit melancholischem Gesang. Musik, die man sich anhört, wenn nach nächtelangem Durchfeiern wieder mal der Wunsch nach innerer Einkehr obsiegt. Die „Class Of ’95“ mit ihrem Epizentrum Bristol und dem zweiten Album von Massive Attack (protection), der ersten Portishead-Platte (dummy) und der ersten Tricky (maxinquaye) als größten Errungenschaften, an denen sich in der Folge dann Unmengen von Epigonen orientierten. Und jetzt? Portishead haben in diesem Frühjahr das Comeback des Jahres abgeliefert. Aber haben sie damit auch die Lunte für neues TripHop-Feuer gelegt?
Massive Attack werden es wohl erst einmal nicht weiter anfachen. Von ihnen war letztes Jahr zwar mal ein neues Album angekündigt, gehört hat man seitdem aber nichts mehr. Goldfrapp, die etwas später kamen und aus der Nähe von Bristol stammen, sind nach Ausflügen in die Welt des Elektropop zum cineastisch-sphärischen Sound ihrer Ursprungstage zurückgekehrt. Morcheeba, einst im Fahrwasser von TripHop erfolgreich geworden, waren gerade mit Martina Topley-Bird auf Tour, der ehemaligen Sängerin und Herzdame von Tricky. Diese steht mit ihrem neuen Album the blue god in den Startlöchern.
Und Tricky selbst? Den gibt’s natürlich auch noch. Obwohl: So natürlich ist das auch wieder nicht. Immerhin sind seit Veröffentlichung seines letzten Albums vulnerable fünf Jahre vergangen – für den einst so hyperaktiven Musiker eine enorm lange Zeit. Nun wagt er sich aber zurück, mit einem Album, das knowle west boy heißt. Knowle West ist der raue, mit unschönen Hochhausblöcken überzogene Stadtteil von Bristol, in dem der als finster verschriene Geselle aufgewachsen ist.
Tricky, bürgerlich Adrian Thaws, kehrt also zu seinen Wurzeln zurück. Vor gut zehn Jahren war er aus England geflüchtet, weil es ihm dort zu eng geworden war. New York und L.A. wurden zu Wahlheimatstädten. Jetzt plötzlich übermannt ihn die Sehnsucht nach Knowle West. Auch musikalisch, ein bisschen jedenfalls. Mit „Past Mistake“ und „Coalirion“ befinden sich zwei Tracks auf dem Album, die man als klassischen TripHop klassifizieren darf. Aber das war es eigentlich auch schon.
Darüber hinaus touchiert Tricky auch Dancehall-Reggae und suhlt sich mit Wonne in leibhaftigem Rock. Er ist eben einer, der sich auf vielen Baustellen austobt. Einen stringenten Sound wie Portishead wolle er nicht anbieten. „Esgibt Leute, die meinen, ich hätte TripHop erfunden. Ich habe überhaupt nichts erfunden, höchstens mich selber“, bellt er. „Sicher, es gab da am Anfang diesen Stil, dieses komische Ding, aber damit wollte ich mich nicht ewig aufhalten. Ich wollte mich lieber weiterentwickeln. Andererseits muss man sich manchmal auch vergegenwärtigen, wo man herkommt. Diese Musik ist ein Teil von mir, genau wie yneine Jugend in Knowle West ein Teil von mir ist. Da kann man sich durchaus mal dankbar vor verneigen.“ Das hat er getan. Wenigstens für ein paar ausgesuchte Momente. Aber das TripHop-Revival findet ohne diesen Einzelgänger statt – wenn überhaupt.
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