Ein fabelhafter Poltergeist: So waren Florence and the Machine in Berlin


Sie ist keine Frau für eine Akustik-Session oder für ein intimes Club-Konzert. Das wäre reine Verschwendung. Florence and the Machine brauchen die opulente Inszenierung.

Wie einig sich alle auf einmal sind, wenn es um Florence and the Machine geht. Das merkt der Besucher daran, dass auf einmal sämtliche Hostels in der Gegend von Konzertbesuchern gebucht werden, und dass neben uns nicht nur die Kollegen vom Rolling Stone, sondern auch die vom Metal Hammer stehen. Florence Welch ist aber auch mehr, als eine exzentrische Engländerin mit einer guten Stimme. Sie ist keine Frau für eine Akustik-Session oder für ein intimes Club-Konzert. Das wäre reine Verschwendung. Welchs spezielle Qualität ist die opulente Inszenierung, musikalischer und visueller Bombast. Eine schöne Stimme haben viele, aber diese Drums haben nur Florence and the Machine.

Beim ersten Stück, „Only If For A Night“, ist von der schlacksigen Sängerin zuerst nur der Schatten zu sehen. Als sie mit etwas arg entrücktem Gesichtsaudruck aus der Kulisse steigt, fällt es schwer, sich das Grinsen zu verkneifen. Mit ihrer Gretel-Frisur, dem komplett weißgeschminkten Gesicht und dem langärmeligen Brokatkleid sieht sie wie eine Mischung aus viktorianischem Poltergeist und einer verhinderten Prinzessin Leia aus.

Allerdings fällt Welch schon ab der Mitte des zweiten Songs, „What the Water Gave Me“, aus der Rolle: Sie fängt zu strahlen und zu hüpfen an und hat schließlich bei „Lover To Lover“ auch die Zuschauer in der hintersten Reihe erreicht. In einer kleineren Halle wäre der Funke bestimmt schneller übergesprungen. Umso beeindruckender, dass es gelungen ist, die Mängel des riesigen Raums so spielerisch auszugleichen. Insbesondere das Problem mit den unseligen Videoleinwänden ist sehr gut gelöst worden: Auf die Kulisse, die aus riesigen, ineinander verschachtelten Dreiecken besteht, werden abwechselnd die Künstlerin und die Visuals, die thematisch zwischen Raumfahrzentrale und bunten Bleiglasfenstern angesiedelt sind, projiziert.

Auch die Live-Aufnahmen selbst sind ausgesprochen schön – die schnelle Schnitt-Gegenschnitt-Abfolge und die zahlreichen Überblendungen machen schnell vergessen, dass es sich nur um eine Videowall handelt.

Trotzdem geht ein Kritikpunkt an die Technik: Der Sound war etwas zu leise, zwar gut abgemischt, aber ein ein bisschen mehr Bass und Drums hätten nicht geschadet.

Vielleicht ist das auch ein Grund, warum die grundsymphatische Florence, die die Besucher zwischendurch mit Anekdoten aus dem Deutschkurs und einer selbstgebastelten Flagge unterhält, ein paar Songs lang brauchte, bis das Eis gebrochen war. Aber die Mühe hat sich gelohnt, bei diesem äußert gelungenen Auftritt.