Ein Bier für den Bassisten


Mark King hatte schon ganz schön einen in der Krone, als er sich zum Plauderstündchen mit ME/ SOUNDS traf. Nachdem der Level 42-Frontmann mitbekommen hatte, daß ihm mit Steve Lake ein Landsmann gegenübersaß, war er gar nicht mehr zu bremsen. Mark redete und redete und redete: über Baß-Spielen, Playback, Level 42 hier, das Musik-Business da und die Musik, die er eigentlich schon immer mal spielen wollte:

„Wir kriegen jetzt immer so’n Publikum wie die Dire Straits. und das gefällt mir ziemlich gut, weil Dire Straits-Fans haufenweise Platten kaufen, ha, ha. ha! Sieh mal. Level 42 sind 1980 auf der Jazz/Funk Welle gestartet, und dieses Publikum haben wir bisher nicht verloren — richtig? – aber sie sind älter geworden. Überleg mal: Wenn sie damals zwischen 18 und 20 waren, dann sind sie heute zwischen 25 und 27 Jahre alt. sind verheiratet oder sonst was. Du brauchst ein größeres Publikum, das dich trägt. Also hatten wir ein paar Hits. Ich glaube, daß das Publikum jetzt zwischen neun und 30 Jahre alt ist. Das gefällt mir. Da ist wirklich alles vertreten.

Natürlich tun die Kritiker in England nichts lieber, als uns niedermachen. Yuppie hier und Yuppie da, wir lachen uns auf dem Weg zur Bank halbtot.

Es sieht so aus, als ob alles wie geschmiert läuft. Nimm „Lesson in Love“: Das war 1986 die zweitbest-verkaufte Single in Europa! Wow! Das ist doch nicht schlecht für eine Band, die man als musikalische Wichser abgetan hat. Und gerade haben wir achtmal das Wembley Stadion ausverkauft! Das heißt, daß wir allein in London vor 8(1000 Leuten gespielt haben. Ich glaube, die einzigen, die das überbieten können, sind die Dire Straits. Um die Wahrheit zu sagen, Steve — das ist ein komischer Name für einen Deutschen, wenn ich das bemerken darf — was?? Wo kommst du her? Du machst Witze!! Ich hatte mal ’ne Freundin aus Chelmsford! Nettes Mädel, aber sie hatte Hänge-Titten — und das hat mich immer abgestoßen. Huch! Das schreibst du lieber nicht!

Wo war ich stehengeblieben? Ach ja. Ja, ich wäre gerne sehr reich. Ich wäre gern unverschämt reich. Ich wüßte gerne, wie sich das anfühlt. Und was es für Auswirkungen auf meinen Charakter hätte. Ich glaube nicht, daß ich ein Arschloch werden würde.

Ich will dir mal was erzählen, Steve. Ich hab mal ein Solo-Album gemacht. Es hieß 1NFLUENCES; da hab ich meine allerersten Erfahrungen als Produzent gesammelt; das war das erste Mal, daß ich für alles, was im Studio passierte, verantwortlich war. Naja, die Platte war ein echter Rohrkrepierer. Die Leute wußten nicht, was sie davon halten sollten. Bassisten erwarteten ein virtuoses Werk, und das war es ganz bestimmt nicht: also kamen sie sich verarscht vor. Die Kritiker haben die Platte total durch den Kakao gezogen und sie ist auch wirklich geradewegs den Bach runtergegangen. Und dann kam nach zwei Jahren so’n Scheiß Wisch von der Plattenfirma! Wo draufstand, daß ich ihnen noch 50000 Pfund schuldete!!!! Da hab‘ ich echt gedacht: Scheiß drauf und vergiß es!!

Wenn das so läuft, dann kann ich mir den Luxus nicht erlauben, mich zurückzulehnen und das zu tun. was ich will. Dann schreib ich halt ein paar verdammte Hits und mach damit so viel verdammtes Geld, daß mir niemand mehr so ’ne Rechnung in’s Haus schickt.

Das hat mich schon getroffen. Und ich hab was gelernt. Ich muß mich an die Regeln halten. Es heißt nicht: .Kannst du sie nicht schlagen, dann verbünde dich mit ihnen‘; sondern eher: .Schlag sie mit ihren eigenen Waffen‘. Verstehst du, was ich meine??

Ich mach das jetzt wegen dem Geld. Ich hab meine Meinung geändert. Z.B. die Fernsehshow, die wir heute gemacht haben. Alles Playback, natürlich, das Übliche. Früher hab ich das gehaßt, Ich hab Angst gehabt, daß ich mich als Musiker lächerlich mache, wenn ich nur so tue als ob. Jetzt ist mir das eeal. Alles, was mich interessiert, ist. ob sich die Farbe meines Anzugs mit der Farbe meines Basses beißt. Und der Anzug ist auch nur ein Mittel, um Platten zu verkaufen.

Ich hab ganz schön lange gebraucht, um zu lernen, daß Musik sehr wenig mit dem Musik-Business zu tun hat. Ich wollte der John McLaughlin des Basses werden. Er war mein Idol. Ein Genie. Wenn du mir vor zehn Jahren erzählt hättest, daß ich das Wembiey Stadion achtmal ausverkaufen würde und McLaughlin nicht einmal einen Abend lang die Fairfield Hall in Croydon, hätte ich dich für hoffnungslos hirnverbrannt gehalten.

Aber genauso sieht’s aus. Und ich fange an, zu begreifen, warum sich nicht jeder für McLaughlins Virtuosität interessiert. Weil Elitärsein in der Musik letztendlich nichts bringt. Musik ist für die Leute und sie muß abgehen, sie muß ansprechend sein und die Leute erreichen.

Dieses Leben ist voll Ironie, Steve, altes Haus. Das, was ich vielleicht am Besten kann, ist Baßspielen. Aber je mehr ich bei Level 42 die Finger davon lasse, desto erfolgreicher sind wir.

Um Himmels willen, versteh mich nicht falsch! Ich hab nicht gesagt, daß ich Musik mache, die mir nicht gefällt! Das könnte ich gar nicht!

So muß es sein. Das Bier hier ist gut, nicht wahr? Geht runter wie Öl.

Du denkst vielleicht, daß ich ein stinklangweiliger alter Furz bin, nicht wahr?? Es stimmt, daß ich mein Leben mag. Warum auch nicht? Ich habe eine reizende Frau, ein paar tolle Kinder, ein hübsches Haus, ein hübsches Auto. Ich will, daß alles so bleibt, daß das alles sicher ist. Was ist verkehrt daran?

Also achte auf die Hits, Kumpel. Paß auf, wie sie immer wieder kommen werden. Gib mir zwei oder drei Jahre. Dann werde ich wieder anfangen, nach dem Musiker Mark King zu suchen. Sehen, wie’s ihm dann geht.

Ach. wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke … Um vier Uhr aufs Moped springen und zum Schallplattenladen nach Newport auf der Isle Of Wight flitzen. Damals war Musik meine Religion. Ich erinnere mich, wie ich einmal zu Hause saß, das Cream-Doppelalbum anhörte und aus Versehen das Haus anzündete. Kannst du dir das vorstellen?? Ich war so in Jack Bruce vertieft, daß ich die Flammen nicht bemerkte, bis sie links und rechts am Sessel hochzüngelten.

Seine jetzige Situation ist irgendwie tragisch. Du stolperst auf der Frankfurter Messe über ihn, wo er für irgendein Zubehör Werbung macht, oder er spielt in irgendeinem winzigen Club. So will ich nicht enden.

Zuviel getrunken hab‘ ich,“ so sieht’s aus.