Wer Dallas hört, denkt an »Dallas«, wer Edie Brickell hört, denkt nicht unbedingt Texas, denn die Musik der 22jährigen Sängerin und Songschreiberin aus dem Öl-Mekka hat mehr mit Lou Reed als mit ZZ Top zu tun. Trotz dieser Ungereimtheiten ist Edie Brickell enorm erfolgreich: Das Debut-Album von ihr und ihrer Band New Bohemians, »SHOOTING RUBBERBANDS AT the STARS«, ist in den USA derzeit ein Bestseller ...
Was ist das Leben? Wie groß ist das Weltall? Wie wird man ein Popstar? Fragen, die Edie Brickell als Teenager (so lange ist das noch nicht her) wenig beschäftigten. Auch in Vororten der texanischen Metropole Dallas pflegen die Kids höchst irdische Vergnügungen wie Kneipenbesuche und Jack-Daniels-Trinken. Und als es einmal halb drei Uhr nachts war, beschloß Edie Brickell zu singen: Sie stieg auf die Bühne einer kleinen Pinte, in die eine Freundin sie geschleppt hatte, und sang bei der Band mit. Die Falle war zugschnappt. ‚Das war es«, sagte Edie später, »von dem Moment an wußte ich, dies war mein Ding.« Die Band hieß The Bohemians und hatte zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung, daß sie ein paar Jahre später ganz oben in den amerikanischen Charts mitmischen würde… »SHOOTING RUBBERB ANDS AT THE STARS« heißt das Album, mit dem Edie Brickell & New Bohemians derzeit nach den Sternen greifen. Musik, die ohne Gimmick-Geklapper überzeugt und ihren Weg sozusagen auf schlichten Gummisohlen macht. Und sich auf diese Weise so nachhaltig in die Köpfe der amerikanischen Rockfans schlich, daß immer mehr auf den Geschmack kamen und mit »Gummibändern nach den Sternen schössen«. Der Titel? »Er handelt von diesem Gefühl, wenn du dich einsam fühlst, die Zeiten hart sind und du zu schüchtern bist, deine Gefühle auszutoben. Und plötzlich ändert sich alles. All die kleinen Wünsche und Hoffnungen haben auf einmal große Feuer entfacht …« Ein Feuer, das Edie Brickell und ihre Jungs auch bei ihren Zuhörern entzünden wollen.
»l’m not aware of too many things, I know what I know if you know what I mean -Choke me in the shallow water – Before I get too deep>
»What I Am« Mit ihrem Stil aus Electric Folk und Rock trifft Edie Brickell musikalisch genau den ehrlichen und unprätentiösen Ton der Texte. »Die meisten Songs, die ich hörte, hatten überhaupt nichts mit mir zu tun. Wenn Leute meine Songs hören, sollen sie sich wiedererkennen. Unsere Musik soll alte und grundlegende Gefühle neu beleuchten. Ich mag Musik, bei der es keine Arbeit bedeutet, sie zu mögen«, sagt Edie Brickell. Geboren in Oak Cliff, einem mittelständischen Vorort von Dallas, hatte Edie alles andere als eine geordnete Jugend. Die Eltern geschieden, der Vater ein herumreisender Profi-Sportler, die Mutter berufstätig, Edie ebenfalls ständig auf Achse – »normale« Kinder in behütetem Elternhaus erschienen ihr seltsam und fremd. Auch die »Ehe-Karrieren« ihrer Geschwister faszinierten sie nicht gerade. So begann Edie Brickell ein Kunststudium in Dallas. »Ich haßte es«, sagte Edie, »aber schließlich war ich selbst schuld. Wir redeten und redeten über Kunst, aber taten nichts. Deprimierend.« 1985 dann kam die denkwürdige Nacht, als sie die Bohemians hörte, die zu der Zeit englisch beeinflußte Ska-Musik machten. »Die Jungs hielten mich für verrückt, aber von Anfang an lief es gut mit uns«, erinnert sich Edie, »ich begann, richtig Texte zu schreiben, mir alles zu notieren, was mir durch den Kopf ging, und dann Songs daraus zu machen.« Darauf änderte sich der Musikstil der Band schlagartig. Heute ist nur noch Bassist Brad Houser von der Ur-Besetzung an Bord. Als Gitarrist kam Kenny Withrow hinzu, der auf der Dallas-Szene bereits einen guten Ruf genoß, wie auch Percussionist John Bush und Drummer Chris Whitton, die die »New Bohemians« komplettierten.
1986 schließlich wurden sie von Geffens A&R-Mann Tom Zutaut entdeckt – von dem Mann, der auch Guns ‚N‘ Roses unter Vertrag nahm. Er reiste extra nach Texas, um die Band zu sehen, die mittlerweile ihren Stil durch zahlreiche Clubauftritte gefunden hatte. Und Tom Zutaut hatte seinen neuen Hit gefunden: Das in Wales (!) aufgenommene Debut-Album von Edie Brickell & New Bohemians rangiert derzeit unter den Top 20 in Amerika, Tendenz steigend. Trotz des schnellen Erfolges ist Edie Brickell eine eher schüchterne Person, sogar auf der Bühne. »Ich weiß nicht, ob ich eine Sängerin bin«, meint sie selbstkritisch, »wenn du z. B. Lou Reed für einen Sänger hältst, dann bin ich vielleicht auch einer.« Eine Menge Leute finden derweil, daß Edie Brickell eine ganz ausgezeichnete Sängerin und höchst individuelle Songschreiberin ist. Ein Talent, das mit leisen Tönen unheimlich faszinieren kann. Manchmal kann man mit Gummibändern die Sterne vom Himmel holen…
