Eagles
Glen Helen Block Buster Pavillion, Kalifornien
Der Highway 10 östlich von Los Angeles ein Riesenparkplatz. Grund: 40.000 Eagles-Fans auf dem Weg zum Gig der Ur-Kalifornier. Der Smog über dem Freeway ist besonders dick heute. Keine CO2-Werte machen die Luft dicht – der Qualm verbrennender „Heilkräuter“ quilt kubikmeterweise aus den Autofenstern und gibt patrollierenden CHiP-Officern auf ihren Motorrädern glückliche Kontakt-Highs. Der Zehner droht zum Eagles-Love In zu werden, bevor noch einer die Füße auf die grüne Wiese des Blockbuster Pavillion Amphitheaters setzt. Auf dieser Wiese geht es dann zu wie beim Oktoberfest, (ohne Blaskapelle, versteht sich): fast alle haben sich bis zur Halskrause dichtgezogen, die ersten Rotaugen fallen zu Boden, wo sie für den Rest des Abends verharren. Pünktlich zum Sonnenuntergang erhellt ein Scheinwerfer eine Gestalt auf der ansonsten dunklen Bühne. Mit bloßem Auge von den billigen Plätzen kaum auszumachen, dank Videoscreens links und rechts der Bühne aber doch zu erkennen, greift Don Felder als erster in die Saiten seiner Doppelhalsigen. Moment mal. Den Song kennen wir doch? Der nächste Spot richtet sich auf Sänger/Drummer Don Henley, und was singt der? „On a Dark Desert Highway, Cool Wind In My Hair..“ Das sitzt! ‚Hotel California‘ zum Sonnenuntergang in den Bergen von Kalifornien! Zehntausende heben zum eigenen Applaus in den Nostalgiehimmel ab. So kitschig-schön, als ob Courts-Mahler und William Turner sich die Show ausgedacht hätten. Das Beste: Es bleibt so schön. Glen Frey, Don Henley, Don Felder, Joe Walsh und Timothy B. Schmit liefern auf der überbreiten, mit Betonklötzen und Metallstreben apokalyptisch gestalteten Bühne eine Show, die mehreres bewirkt: Sie erinnert daran (falls man es in den 14 Jahren vergessen haben sollte), wieviele gute Songs uns die Band geschenkt hat. Sie zeigt, anhand von drei neuen Songs, daß das Songwriter-Duo Henley/Frey noch immer Tinte im Füller hat. Und sie erklärt, warum eine Band, die ihre letzte Platte rausgebracht hatte, als die Jungs von Pearl Jam zur High School gingen, noch heute 1,5 Millionen Platten jährlich verkauft – schlicht, weil sie besser ist als der Rest. Auf ‚Hotel California‘ folgen ‚Victim Of Love‘, ‚New Kid in Town‘ und ‚Wasted Time‘ vom gleichen Album – allesamt Nummern, die dem Publikum Freudentränen in die Augen treiben. Den Übergang zu anderem Material bildet die oe-Walsh-Nummer ‚Pretty Maids All In A Row‘, dann der erste Neuling. ‚The Girl from Yesterday‘. Der Country-Rocksong wird wie ein alter Bekannter begrüßt und bejubelt, doch zu diesem Zeitpunkt könnte die Band wahrscheinlich ‚Achey Breaky Heart‘ spielen, ohne anzuecken. Die Stimmung auf der Wiese erreicht Höhen jenseits des Meßbaren. Und wer glaubt, daß bei einem Grateful-Dead-Konzert viel gekifft wird, der war noch nie bei einem Eagles-Auftritt. Das sind keine Glühwürmchen, die da leuchten, das sind Chillums, Bongs und ordinäre ‚Doobies‘, die zusammen soviel Rauch produzieren, daß man befürchtet, der Sound könnte darin verloren
gehen. Was schade wäre, denn die 3 1/2-Stunden-Show mit insgesamt 29 Songs ist durchwegs brilliant. Auch der zweite Set, in dem weniger Klassiker, als Solo-Projekte und Unbekannteres gespielt wird, überzeugt. Dabei herausragend: ‚Get Over It‘, eine nagelneue Swamp-Rock-Nummber, die vor allem wegen ihrer ‚Hört-endlich-auf-zuheulen‘-Message gefällt, und der Joe Walsh-Feger ‚Rocky Mountain Way‘, mit dessen zweiter Strophe, „Couldn’t Get Much Higher..“ sich an diesem Abend jeder Zuhörer identifiziert. Nach ‚Desperado‘ und ‚Take It Easy‘ ist leider Schluß. Das heißt, nicht ganz: Es dauert drei Stunden, bis sich die Massen durch den Ausgang quetschen und zu ihrem Auto kommen. Wie heißt es bei ‚Hotel California‘: „You Can Check Out Anytime You Want, But You Can Never Leave..“