„Du Hast Überhaupt Nicht Zugehört!“


Skandale und Skandälchen: Im ME wird auf den Putz gehauen.

Den Auftrag, ein Porträt über den Popliedermacher Heinz Rudolf Kunze zu verfassen, scheint der Autor Wolfgang Welt als besondere Herausforderung zu verstehen. Möglicherweise sieht sich Welt durch die Person und den Künstler Kunze auch provoziert. Seine bitterböse Abhandlung im März-ME 1982 mündet jedenfalls in dem Urteil: „Heinz Rudolf Kunze ist eine Null. Er selbst weiß es am besten.“ Es folgen aufgebrachte Leserzuschriften („Wolfgang Welt ist kein Journalist, sondern ein Tintenpisser!“) und ein offener Brief von Kunze (“ Selten gibt sich jemand durch seine Sprache derart schonungslos als Aufsatz-Ayatollah zu erkennen“). Heinz Rudolf Kunze wird in den folgenden Jahren zum Dauergast im ME – Wolfgang Welt nach Aufenthalt in der Psychiatrie u. a. zum Romanautor. Als Harald Inhülsen, „Grenzmusik“-Fachmann des ME (man könnte heute auch „Indie“ dazu sagen), die Sängerin der US-Showschockgruppe Plasmatics interviewt, fliegen die Fetzen. In-Hülsen vergleicht die Show von Wendy O. Williams‘ Band u. a. mit der Maskenparade von Kiss. Da wird Williams zur Furie und knallt ihm seine vermeintliche Inkompetenz an den Kopf: „Das ist ein Haufen Mist! Ich sollte mit dir überhaupt nicht sprechen! (…) Nicht imstande zu sein, zwischen Realität und Scbeiß-Scbminke zu unterscheiden! Du hast überhaupt nicht zugehört, was ich gesagt habe!“

Schlimmer noch trifft es Steve Lake im Sommer 1982, als er in seinem Interview mit Folkmusiker Richard Thompson mitten hinein in die turbulenten Schlussszenen von dessen Ehe mit Linda Thompson rauscht. Linda rückt Steve und Richard keinen Moment von der Seite und putzt ihren Gatten ohne Unterlass herunter. Zitat: „Du bist doch wohl nicht hier, um diesen Lahmarsch Richard zu interviewen, was? (…) Na gut, ich leg mich hier hin, während ich euch zuhöre, und lach mir eins.“ Der Autor greift schließlich zum Mittel der Selbstzensur und schickt seinem Artikel voraus:

„Sieger in diesem Match bleibt schließlich mein Tipp-Ex. In dem folgenden Dialog ist mehr radiert worden als in den Watergate-Papieren.“

Nichts mehr radiert werden kann im Fall Thomas Anders – der landet nämlich vor dem Kadi, nachdem der Modern-Talking-Sänger im ME 3/86 als „höhensonnengegerbte Sangesschwuchtel“ tituliert wurde (siehe Interview mit Bernd Gockel auf S. 57). Der ME zahlt Schmerzensgeld und dankt höhnisch für die „Werbekampagne, die ansonsten das Mehrfache gekostet hätte“. In der Ausgabe 12/89 (siehe Bild) reichen sich Täter, Redakteur Martin Brehm, und Opfer Anders dann jedoch die Hand.