Drafi Deutscher – Hamburg, Markthalle


Weiß er, was mit ihm geschieht? Wohl kaum. Der Run auf Drafi Deutscher ist das Ergebnis einer seltsamen Mischung aus Zeitgeist, Hipstertum und Nostalgie. Deutschlands erster Soulsänger aus den Slums – wer hat das damals schon begriffen? Er wohl am allerwenigsten.

„Meine sehr verehrten Damen und Herren … liebe Freunde“. Da steht er, die damaligen Bandmitglieder um sich geschart plus Synthie für die Untermalung seiner Superschnulzen; in Motorradjackeund Baseballmütze rockig verkleidet.

Die Markthalle ist voll, die Masse bereits nach wenigen Minuten aus dem Häuschen – dank einer cleveren Mischung aus anglo-arnerikanischen Klassikern derpra-Beatles-Ära und eigenen Bestsellern. Drafi Deutscher sings Greatest Hits und seine größten Erfolge. „Summertime Blues“ / „Teenie“ … spätestens nach „Shake Hands“ sind die meisten nicht mehr zu bremsen, Drafi wird hemmungslos gefeiert. Versprengter Pogo-Nachwuchs reckt die Fäuste und zwischen modern gestylten Neu-Dandies tanzt die alte Garde, was das Zeug hält. Rock ’n’Roll mit Schulterwurf – die können noch feiern! Heut abend gehen wir aus und „Heute male ich dein Bild, Cindy Lou“ und noch’n Bier. Texte zum Mitsingen, Füßetrampeln, „Drafi, Drafi!…“ Drafi scheint gerührt. „Meine sehr verehrten Damen und Herren …“ Kommt er vom anderen Stern? So schnell kann er sich nicht daran gewöhnen, daß es zwischen Bühne und Publikum keine Förmlichkeiten mehr gibt, zumindest nicht im Rock’n’Roll und schon gar nicht in der Markthalle. Den meisten Typen sieht man an, daß sie ihm … „Drall alter Junge“… am liebsten mal so herzhaft auf die Schulter klopfen würden, nachdem sie ihn seinerzeit widerspruchslos der Boulevardpresse überlassen haben.

Aber Drafi Deutscher spielt weder das Spiel der Hipster, noch das Spiel der euphorischen Nostalgiker, obwohl er sich heute abend auf Oldies beschrankt. Er gibt, was verlangt wird, verbrüdert sich aber nicht. Nach einer Stunde geht das Repertoire aus, die ertrampelten Zugaben sind jetzt Hits nach Wunsch. Drafi & Co., die bei soviel Begeisterungstrubel offensichtlich etwas neben sich stehen, spielen die Favoriten des Abends nochmal – inklusive .Marmor, Stein und Eisen bricht“. Als fairer Entertainer hatte Drafi seinen Fans diesen Titel nämlich nicht bis zum Schluß vorenthalten.

Er wird jetzt erst einmal sondieren müssen, in welcher Ecke er seine neue Gefolgschaft tatsächlich zu suchen hat. Aber das wird er spätestens nach der Veröffentlichung seiner LP wissen.