Doppelgänger


Heyne-Taschenbuch 063850 220 Seiten, DM 5,80

„Bruno and the Hermetic Tradition“ heißt die Popgruppe, die durch die britische Provinz tingelt: vier Auftritte die Woche, ein unbequemes Leben in einem Ford Transit, der wild angemalt ist und obendrauf einen riesigen Gummi-tintenfisch hat. Der obligate Spruch zum Tankwart; „Geben Sie auch dem Tintenfisch etwas Luft. Er braucht vier atü.“ Die Gruppe hat bereits einen Hit gelandet: „Seadeath“ – ein Song von einem Delphin, der mit Muscheln auf dem Meeresgrund farbige Muster baut – war eine Woche in den Top Twenty. Jetzt sucht die Band einen Platz für ein Open-Air-Festival und findet ihn auch: ein Sandstrand in einer schmalen Bucht, umrahmt von Kreidefelsen, an die man Dias projizieren kann.

In den Sagen und Mythen kommen Drachen meistens nur als feuerspeiende und jungfrauenraubende Ungeheuer vor. Michael Ende stellt in seiner „Unendlichen Geschichte“ das seltene Exemplar eines weißen Wunderdrachens vor, und die 55jahnge amerikanische Autorin Anne McCaffrey hat auf ihrer ersonnenen Doch während sie sich an diesen Strand setzen, während sie in die Nacht hinein picknicken und vor sich hinträumen, während die beiden Groupies nackt im warmen Wasser baden, bahnt sich etwas Schreckliches an. Ein – wie es scheint – halbtoter Mann wird an Land geschwemmt, die Musiker rennen vor Entsetzen davon. Es ist nämlich kein Mann, sondern etwas Deformiertes, leichenähnlich Zerfressenes. Eine chemische Fabrik und eine biologische Forschungsstation sind in der Nahe das weist den kundigen SF-Leser schon darauf hin, daß hier die Meeresbiologie aus dem Lot geraten sein könnte.

Den ersten Beweis für ein Monsterwesen, das seine Gestalt von Fisch zu ??? wandeln kann, sehen die Discjockeys vom Piratensender Jolly Roger, einem Schiff, das vor den britischen Hoheitsgewässern kreuzt. Die Leute- von der Band werden jetzt ernst genommen, kein Wort mehr von einem Acid-Trip, die Wirklichkeit ist viel schauerlicher.

Spannend und mit leichtem Horror-Touch geschildert vom englischen SF-Autor John Brunner, bekannt geworden durch sozialkritische Romane über unsere nächste Zukunft und regelmäßig in der britischen Ostermarschierer-Zeitschrift „Sanity“ abgedruckte Liedertexte. Auch ein Pete-Seeger-Song ist übrigens von Brunner. Und „Doppelgänger“ ist im Gegensatz zu anderen jüngeren Brunner-Büchern endlich einmal flüssig lesbar.