Doktor Groove


Freunde der Fröhlichkeit und des beschwingten Lebens! Es ist soweit! Nach langanhaltender Dürre auf den Showbühnen habe ich die Ehre, Ihnen ein neues Gesicht, ein frisches Entertainer-Talent vorstellen zu dürfen: GÖTZ ALSMANN mit seinen Sentimental Pounders.

Und schon springt er auf die Bühne, schiebt seinen Hut in den Nacken, grient wie Jerry Lewis und legt los wie Chaplin auf der Rollschuhbahn.

Ganz schnell kommt der unabhängige Hampelmann auf Hochtouren und spult sein Regenbogen-Programm aus Bebop, Swing, Jazz, Jive, Rockabilly, Beat, Calypso und was weiß ich noch ab, als wolle er den ersten Preis im musikalischen Herzinfarkt gewinnen. Dabei ist es ihm egal, ob vor der Bühne drei träge Trinker taumeln oder die Menge tobt. Ob im ausverkauften Odeon bei einem Heimspiel in Münster oder in Langenhagen vor 30 Mann, ob bei einer Kaufhaus-Eröffnung in Düsseldorf oder auf einer Party mit Roy Black kurz vor dem Blauen Bock – überall sorgt der Tausendsassa für die passende Stimmung.

Jahrelange Touren durch alle Frittenbuden zwischen Kassel und Bramstedt haben ihn und seine Kumpels keineswegs zermürbt, sondern abgehärtet gegen Einbrüche von außen. Ob auf einer Silberhochzeit oder im Rockpalast: Alsmann und die Pounders sind ständig einsatzbereit. Immer ein freches Witzchen auf den feuchten Lippen, zaubert der fröhliche Chronist eine Nummer nach der anderen aus dem Hut der 40er, 50er und 60er Jahre.

Doch ist der Spaßvogel keineswegs nostalgisch veranlagt; er kennt sich halt gut aus (schließlich hat er Musikwissenschaften studiert und Bücher über die musikalischen Vergangenheiten geschrieben) und benutzt die letzten 40 Jahre als Selbstbedienungsladen, pickt sich die besten Gerichte heraus und würzt sie mit eigenen Texten und Kompositionen.

Zum Revival-Rappel steht er so wie Dieter Thomas Heck zum Mikrophon: Er tut so, als ob es stinkt. Obwohl er über 3000 Schellackplatten gesammelt hat, sieht er sich nicht als lebenden Plattenspieler – eher als albernen Mixer an der tönenden Cocktail-Bar.

Alsmann – der Wissende – hat aber nicht nur Lexikon- und Schellack-Erfahrungen gesammelt. Lange Zeit tingelte er in den Staaten herum, spielte mit der Begleitband von Little Richard, daddelte mit Johnny Otis in dessen Kirche den Rhythm & Blues herunter, trat in einem Country-Club als Bassist auf und verdiente sich seine Beefsteaks mit Banjospielen.

Die Fritten, seine Lehrmeister und das Fleisch hat Götz gut verdaut und mit SARATOGA SUITCASE seine erste LP eingespielt. Musik für schwarze Krimis, Rock ’n‘ Roll für eingeschlafene Füße, spanischer Rap für gelangweilte Urlauber, Cowboy-Sound für ausgetretene Marlboro-Zigaretten. eine augenzwinkernde „People Are People“-Rockabilly-Swing-Version.

Daß der wippende Pianist und immer am Rande der Heiserkeit herumhechelnde Aismann live natürlich viel besser kommt, merkt man besonders bei einem Titel wie „Bob Caliente“: Hier führt der flotte Flipper der schunkelnden Menge seinen Tanz vor: Und schwupp das rechte Bein und schwipp das linke Bein – und trallalla die linke Hand und dideldum das rechte Ohr.

Und wenn_die Show zu Ende ist und Götz wieder so aussieht wie John Boy Walton, schleicht er noch in eine Bar, kippt einen Whiskey-Soda und macht sich davon, hinaus in den naßkalten Morgen.