Klubtour

DJ Hell im Interview: „Ich hab immer versucht, mich neu zu erfinden“


Bevor DJ Hell auf unserer Klubtour 2017 in München für Euch auflegt, haben wir zur Einstimmung ein ganz besonderes Interview mit der lebenden Legende. Ein Gespräch über die Zukunft, Techno und die Gay-Community.

Bis auf die erste Single „I Want You“.

Mit der Single wollte ich noch einmal zu den Ursprüngen von Techno zurück. Aber damit war dann auch schon alles gesagt. „I Want You“ ist eine klare politische Aussage, es spielt auf die alten Plakate an, mit denen „Uncle Sam“ im Ersten Weltkrieg für Nachwuchs in der US-Army geworben hat. Ich wollte vor Jahren ein Techno-Album machen, bin nach Detroit geflogen und habe Derrick May, Carl Craig, Moodymann und Ectomorph getroffen, um mit ihnen zu arbeiten und da anzusetzen, wo sie in den 80er- und 90er-Jahren angefangen haben. Ich wollte die alten Konzepte in die digitale Welt übertragen.

Ich war zwei Monate in Detroit und habe es nicht geschafft. Wir haben extra einen Vocoder, den Daft Punk bei einer Grammy-Verleihung benutzt haben, von Los Angeles nach Detroit schicken lassen. Wir haben ihn benutzt und das Ergebnis hat immer unfertig geklungen. Ich bin fast frustriert zurückgeflogen und habe einen einzigen Song mitgenommen, den ich allerdings nie veröffentlichen werde.

Als Anzüge noch provozierten: DJ Hell über Techno und Mode
Du steckst immer viel von deiner Persönlichkeit und deiner eigenen Geschichte in deine Musik. Die Stücke auf dem neuen Album sind atmosphärisch sehr ruhig und die meisten von einem melancholischen Unterton geprägt. Woher kommt diese Melancholie bei dir?

Das ist eine ganz bewusste Entscheidung, Boards Of Canada oder Massive Attack haben nie etwas anderes getan. Ich bin mir der Kraft der Melancholie bewusst und ich setze sie ein, aber vielleicht ist es auch ein Teil meiner Persönlichkeit. Ich war nie der Mensch für fröhliche Songs. Ich habe einmal versucht, kommerziell erfolgreiche Sachen zu produzieren, aber ich musste feststellen, dass ich stärker bin in dunkler, melancholischer Musik – das sind meine Themen, das bin ich, das ist meine DNA, da kann ich mich voll und ganz verwirklichen. Das zieht sich von meiner ersten Single „My Definition Of House Music“ bis hin zu ZUKUNFTSMUSIK durch alle meine Produktionen und auch durch meine DJ-Sets. Das war immer meine Stärke.

Das Album heißt ZUKUNFTSMUSIK. Was bedeutet Zukunft für dich?

Ich befasse mich seit Beginn meines künstlerischen Schaffens mit der Futurologie, bei mir persönlich ging es immer um eine bessere Zukunft.

Ist das Alter ein Problem für dich?

David Bowie hat einmal gesagt, das Altern ist ein Prozess, bei dem du zu dem Menschen wirst, der du eigentlich immer sein wolltest. Das hat er mit Mitte 50 gesagt. Ich wollte immer ein Vorbild sein in der DJ-Kultur und zeigen, dass man auch im höheren Alter – das bin ja jetzt mit 54 – noch zeitgemäß sein kann und von den jungen Leuten noch verstanden werden kann und nicht den Zug verpasst und irgendwo hängenbleibt. Es geht mir immer um eine Weiterentwicklung, um Experimente. Ich könnte jetzt immer noch die Musik machen, die ich in den 90er-Jahren gemacht habe, Electroclash. Aber das Thema habe ich ausgiebig bearbeitet. Es ist wichtig für mich, neue Wege zu gehen, ich habe immer versucht, mich neu zu erfinden, und hoffentlich ist mir das gelungen.

Das ME-Gespräch mit DJ Hell erschien erstmals in der Juni-2017-Ausgabe des Musikexpress. 

Erlebt DJ Hell live auf der Klubtour 2017

Am 8. September legt DJ Hell in der Rote Sonne in München auf. Karten gibt es nur an der Abendkasse, es wird keinen Vorverkauf geben. Neben DJ Hell werden an diesem Abend auch Juan Atkins und Maxim von Terentieff für den passenden Soundtrack sorgen.

 

Alle Infos zur Klubtour findet Ihr auf unserer Themenseite unter musikexpress.de/klubtour