Dizzee Rascal und Kinderzimmer Productions haben wenig bis nichts gemeinsam. Doch ihre Wege aus der Rap-Krise ähneln sich.


Der Ast, auf dem der HipHop sitzt, ist ein absteigender; immer uninspirierter und verveloser sind die Produktionen. Das sagen nicht nur die, die das schon letztes Jahr (oder immer) gesagt haben. Über die Lage im Mutterland USA, wo Gangster-Rap und Hochglanz-R’n’B reale Umsatzeinbußen verzeichnen, wurde schon im letzten Heft berichtet. In Deutschland hat sich ein Großteil der HipHopper auf andere Terrains verzogen (nur in Berlin sind sie weiter aggro am Rappen). Dabei kann, wer HipHop nicht als enges Genre oder reines Vermarktungsmodul begreift, unter diesem Namen weiterhin feine Musik machen.

„Wenn ich HipHop als Konsument betrachte, sind die Kriterien, welcher Track:gut und welcher schlecht ist, ziemlich einfach“, sagt Henrik von Holtum alias Textor von Kinderzimmer Productions, die mit ASPHALT ihre eigenwillige Tradition des „intelligenten Hip-Hop“ fortführen: „Wenn ich was fühle, ist es gut, egal ob ich minimalistische Playstation-Samples à la Dizzee Rascal oder dicke Beats von Snoop Dogg höre.“ Sascha „Quasi Modo“ Klammt schaut skeptisch: „Ich lege schon Wert auf eine gute und dicke Produktion. Aber das Gefühl ist natürlich unverzichtbar. „So saßen die zwei im Studio und warteten … aufs Gefühl. Ähnlich ging es Dizzee Rascal: Mitten in den Aufnahmen zu Album drei verwarf er alles. „Ich war auf dem besten Weg, ‚Showtime Part 2‘ zu machen“, erzählt er, aber „das hätte mich schrecklich gelangweilt.“ So manche verführerische Irrwege lauerten nach seinem Aufstieg zum ersten Mann des britischen Grime auf Dizzee. Der Erfolg ermöglicht ihm Kollaborationen mit Alex Turner

(Arctic Monkeys) und Lily Allen. MATHS AND ENGLISH hat deshalb mit Grime nicht mehr viel zu tun: „Mein Hintergrund waren Piratensender und die Anfänge des Grime. Nun bin ich raus aus dem Ghetto, hänge mit anderen Leuten rum, kann mir einen anderen Lebensstil leisten. Justin Timberlakes Hintergrund war der Mickey-Mouse-Club. Komischerweise beschwert sich bei ihm niemand, dass er jetzt nicht mehr im Mickey-Mouse-Club ist.“ Was Dizzee der Welt sagen möchte, ist: Wo ich hingehe, ist HipHop, was ich mache, ist HipHop. Ich bin Hip-Hop! Der, da sind sich die Ulmer aus dem Kinderzimmer und der Mann aus East-London einig, darf prinzipiell alles. Textor: „Mich hat Hip-Hop damals beeindruckt, weil er so offen und neu war. Dieses Gefühl versuchen wir mit jedem Album zu vermitteln.“ „Man muss sich nur trauen, sich nicht selbst zu langweilen“, empfiehlt Dizzee Rascal. Beide liegen richtig: Ihre neuen Platten sind gut. Gute Hip-Hop-Platten.

www.kinderzimmer-productions.de

www.dizzeerascal.co.uk