ME-Gespräch

Dita von Teese im Interview: „Eine Fantasien-Fabrikantin, das wollte ich immer sein“


Warum die wohl bekannteste Burlesque-Tänzerin der Welt jetzt auch noch singt, wieso sie mal in Oxford sprach und weshalb Typen wie Marilyn Manson ihr heute viel zu anstrengend wären? Hat Dita von Teese uns im Interview verraten.

Woher kennen Sie sich?

Ich habe ihn vor Jahren zu meiner Show in Paris eingeladen, weil ich seine Musik mag. Und irgendwann, aus heiterem Himmel, kriege ich eine Mail von seinem Manager, in der es heißt: „Sébastien hat ein Album für dich geschrieben.“ Ich fragte zurück: „Ein Album über mich oder was meint er damit?“ Die Antwort lautete: „Nein, ein Album, auf dem du singen sollst.“ Ich schrieb: „Aber ich bin keine Sängerin!“ Und ließ mich schließlich doch überreden. Wir haben uns dann in seinem Studio in Paris getroffen. Abends trat ich im „Crazy Horse“ auf, tagsüber arbeitete ich mit Sébastien.

… der ein glühender Fan von Serge Gainsbourg ist und seit Jahren von seinem eigenen Brigitte-Bardot-Projekt träumt. Waren Sie sein Versuchskaninchen?

Wahrscheinlich. Aber das ist kein Problem, denn auch ich mag diese Platten sehr. Sébastien war für mich immer ein moderner Serge. Insofern fühle ich mich wahnsinnig geschmeichelt, dass er mich dafür ausgewählt hat.

Er hat nicht nur die Musik, sondern auch die Texte für das Album geschrieben …

Ich habe es genossen, alle Verantwortung abzutreten und ausnahmsweise gar nichts zu entscheiden. Denn bei meinen eigenen Projekten bin ich Produzentin, Designerin, Arrangeurin und habe immer die volle Kontrolle. In der Musik zeige ich mich nun auch verwundbar, schutzlos, unsicher. Außerdem war ich auch wahnsinnig geschmeichelt, dass er gleich ein ganzes Album geschrieben hat, das auf seiner Wahrnehmung von mir basiert – darüber, wie er mich sieht. Das halte ich für viel romantischer und lustiger, als wenn ich ihm da konkrete Vorgaben gemacht hätte. Ich lasse ihn sagen, was er denkt, dass ich sagen sollte – oder wer ich bin.

Hatten Sie keine Angst, dass er Ihnen hierbei etwas unterjubelt, gerade in den französischen Texten? Wie Lee Hazlewood, der Nancy Sinatra all diese Drogen-Referenzen singen ließ, die ihr gar nicht bewusst waren?

Klar. Ich habe ihn erst vor ein paar Tagen wieder gebeten: „Schick mir doch mal bitte noch die Texte, damit ich sie übersetzen lassen kann – und ich endlich weiß, wovon ich da singe und mich erklären kann, wenn mich jemand fragt.“ Aber da ist bislang nichts gekommen. Ich hoffe, dass er einfach keine Zeit hat und sich da nicht für irgendetwas schämt – oder ich mich für irgendetwas schämen sollte.

Einiges ist auf jeden Fall sehr erotisch und frivol. Ein Song wie „Rendezvous“ …

Oh ja!

… der sich – wie viele der Stücke – um Lust, Verführung und erotische Fantasien dreht.

Sachen, über die ich zwar singen kann, aber ich würde nie darüber reden. Eigentlich bin ich ein sehr zurückhaltender Mensch. Das, was ich hier von mir gebe, entspricht mehr einer Fantasie – einer Person, die ich sein könnte, aber definitiv nicht bin.

Auch Ihre Bühnenfigur Dita von Teese ist eine solche Fantasiefigur …

Schon, aber auch als Dita würde ich einen großen Bogen um derart explizites sexuelles Material machen. Einer der Songs ist zum Beispiel so etwas wie meine lesbische Hymne – obwohl ich keine Lesbe bin. Allerdings sind meine lesbischen Freundinnen in L. A. begeistert davon.

Sébastien Tellier bezeichnet Sie als „Fantasy Factory“. Gehen Sie damit d’accord?

Das ist eines meiner absoluten Lieblingszitate. Eine Fabrikantin von Fantasien – das wollte ich immer sein, schon als kleines Mädchen.

Sind Make-up, Lippenstift und Dessous so etwas wie Ihre Rüstung, hinter der Sie sich zu einem gewissen Grad auch verstecken?

Ein bisschen schon. Bereits als kleines Mädchen wollte ich eine „Lady“ sein. Eine glamouröse, erwachsene Dame mit hübschen Klamotten und rotem Lippenstift. Und das ist Teil meiner Persönlichkeit geworden. Also dieses mystische Image, wie ich es nenne. Ich komme aus einem kleinen Nest in Michigan, ich bin eine natürliche Blondine, aber ich mag die Idee, jemand anderes zu sein. Im Grunde ist das nichts anderes, als Theater zu spielen.

Damit sind Sie weit gekommen. Sie haben sogar vor den Studenten der Universität von Oxford gesprochen – wie vor Ihnen der Dalai Lama und Mutter Teresa …

Stimmt. Ich habe auch erst einmal gefragt: „Worüber soll ich da reden?“ Ich weiß auch noch, wie nervös ich war, als ich dort eintraf, durch die Korridore ging und in diesen riesigen Hörsaal voller Studenten trat – der kommenden geistigen Elite Großbritanniens. Das war angsteinflößend, aber auch wahnsinnig aufregend.

Worüber haben Sie vor den Studenten gesprochen?

Über mich. Über mein Leben, meine Ziele und meine Mission, wenn man so will. Ich wollte ihnen zeigen, dass man als Frau weit mehr sein kann als nur ein Köper. Dass aber gleichzeitig nichts falsch daran ist, ihn gezielt als Mittel zum Zweck einzusetzen. Das haben schließlich schon viele, starke Frauen in der Geschichte getan, und daran ist nichts falsch – im Gegenteil: Es erfordert sehr viel Mut. Und den bin ich bereit, zu zeigen.

Auf dem Album findet sich ein Song namens „Dangerous Guy“. Auch wenn Sie den Text nicht selbst geschrieben haben, erscheint er überraschend autobiografisch …

Das stimmt. Den hätte ich wirklich selbst schreiben können. Schließlich habe ich ein paar gefährliche Typen gekannt.

Sind Sie mittlerweile von Rockstar-Typen wie Marilyn Manson geheilt?

Definitiv! Die wären mir heute viel zu anstrengend. Aber früher, als ich jung war, waren das eben die Männer, mit denen man viel Spaß haben konnte. Die waren nicht so steif und erwachsen und haben mich unterstützt in dem, was ich tue. Heute bin ich auch wieder mit meinem Ex-Mann befreundet und alles ist gut. Ich bin dankbar, dass ich ihn heute als Freund in meinem Leben habe und dass ich auch mal so eine Künstler-Muse-Beziehung durchlaufen habe, über die man sonst nur liest.

Nach der Ehe mit Marilyn Manson – werden Sie je wieder heiraten?

Ich weiß es nicht. Ich schätze, ich hatte meine große Hochzeit – in einem richtigen Schloss!

Die aber gar nicht so toll gewesen sein soll. Angeblich hat Ihr Ehemann die Feier selbst komplett verschlafen …

Das stimmt. Ich fand sie auch nicht so toll. Es war einfach zu viel … eine Inszenierung. Wir haben zu dick aufgetragen, uns in extravagante Outfits gezwängt und eine Art Performance für all die Leute abgeliefert, mit denen wir im Grunde nichts zu tun hatten. Es war völlig theatralisch und überzogen. Das passiert eben, wenn man Alejandro Jodorowsky seine Hochzeit planen lässt.