Disco und Metal
Alles ist möglich: Im Interview proklamieren Justice das Ende der Genregrenzen.
Was unterscheidet euch von anderen Dance-Acts?
gaspard auge: Einmal arbeiten wir mit rockigem Elektroniksound, der zum Feiern und Ausflippen anregt. Wir haben aber auch romantische Songs mit Piano. Was logisch ist. Selbst ein Hooligan hat weiche Momente. Er will sich genauso verlieben wie andere Menschen auch. Als wir anfingen, hatten wir nicht vor, Dance Music zu machen. Wir wollten Popsongs schreiben. Aber dann gewann der Aspekt von Kraft und Aggression die Oberhand. Die Musik wurde automatisch tanzbarer.
xavier de rosnay: Wir arbeiten nicht mit Breaks und Beats, wie sie in der Dance Music üblich sind. Was bei uns herauskommt, ist oft die pure Aggression. Wir waren von der Idee begeistert, das Album zu einer Disco-Oper auszubauen. Ein paar Minuten lang lassen wir uns richtig gehen, dann verändert sich der Sound, wird süßlich und gefühlvoll. Für uns ergibt Musikmachen nur Sinn, wenn wir uns auf solche Extreme konzentrieren. Einen Mittelweg gibt es nicht, das wäre feige und lahm.
Die vielen Bässe in eurer Musik erinnern an Funkbands aus den 7oer-Jahren.
de rosnay: Gut erkannt. Der Bass ist uns wichtig. Viel wichtiger als das, was andere Leute mit uns verbinden, nämlich Heavy Metal. Wir finden, dass wir uns wie eine Discoband des Jahrgangs 2007 anhören. Die Slap-Bässe waren ein wichtiger Bestandteil im Funk- und Discosound der 70er. Wir wollten sie wieder aufgreifen, aber nicht originalgetreu, sondern wie Studiomusiker. Viele mögen das nicht besonders sexy finden. Uns gefällt dieses Zeug aber gerade deshalb, weil es nicht cool ist.
„D. A.N.C.E. ist im Grunde eine Hommage an Ottawans Hit „D.I.S.C.O.“
de rosnay: Das ist auch gut erkannt. Viele Leute denken hier an Jackson 5, wegen des Kinderchors und der rhythmischen Musik. Aber diesen kleinen Schwenk auf die Geschichte der französischen Clubmusik wollten wir uns erlauben. Ottawan und Patrick Juvet sind nicht unsere Vorbilder, aber ohne ihren Beitrag wären wir vielleicht nicht da, wo wir heute sind.
Andererseits kann man es auch verstehen, wenn im Zusammenhang mit Justice die Worte Heavy Metal fallen. Gaspard trägt T-Shirts mit Motiven von Motörhead und Black Sabbath.
auge: Jede Musik hat ihren Reiz. Auch die von den Bands, die du ansprichst. Mir gefallen die Motive und Logos ganz gut. Besser jedenfalls als grelle, fluoreszierende Farben. Und: Dieses ganze Trennen von Genres ist doch vorbei. Früher hat sich niemand in einen Techno-Club getraut, wenn er vorher bei einem Rockkonzert war. Heute sind die Übergänge fließend, spielt und hört man sowohl Rock als auch Elektronisches. In der Schule haben wir mal in einer Rockband gespielt. Als wir dann mit Justice anfingen, war Rock für uns allerdings nicht mehr allein wichtig.
Eure bevorzugte Farbe ist Schwarz, da denkt man unweigerlich an den Tod und Antichristen.
de rosnay: Wir sind keine Antichristen. Wir machen das Kreuz zum festen Bestandteil unseres Popbegriffs. Wir sind keine Satanisten. Mehr sage ich dazu nicht, es wäre nicht cool, zu viel zu verraten. Wenn ich mir jetzt eine Platte von Marilyn Manson kaufe, stelle ich mir dahinter genau den Nerd vor, derer im richtigen Leben ist. Dabei möchte ich viel lieber glauben, dass er in seinem Haus Hühner abschlachtet. Pop braucht geheimnisvolle Elemente. Marilyn Manson aber hat zu viel von sich preisgegeben,jetzt weißer nicht mehr, was er dem noch hinzufügen soll. Man wird als Künstler uninteressant, wenn die Leute zu viel von einem wissen.