Dire Straits


Am 19. August begann in Dublin, was als längste und lukrativste Tour in die Annalen eingehen wird. Typisch für Perfektionist Knopfler, daß er den Zwei-Jahres-Trip nicht gemächlich anging, sondern schon am ersten Tag zur Bestform auflief.

An den Schlafen ist er mittlerweile in Ehren ergraut, doch die verbliebene Strähne legt sich immer noch widerspenstig über die hohe Stirn und, nicht zu vergessen, das obligatorische Stirnband. Doch von der Haarfarbe einmal abgesehen, hat sich bei Mark Knopfler wenig verändert: Nach zehn Minuten auf der Bühne steht der große Unscheinbare schon wieder voll im Saft — das Hemd klebt am Rücken, mit einem verschmitzten Grinsen auf den Lippen wiegt er sich im Groove seiner Gruppe und entlockt den sechs Saiten jene wuchtigen Akkorde, auf die nicht nur die 8000 Fans im ausverkauften Point Theatre seit langem gewartet haben. Sechs Jahre, um genau zu sein.

Nach langen Pausen ist bei den Branchen-Riesen ja gewöhnlich Klotzen statt Kleckern angesagt: eine noch größere Bühne mit noch mehr Vari-Lights zum bravourösen Comeback — das kennt man von den Stones und Genesis. Für die Fraktion der Kumpel von nebenan darf’s dagegen ruhig eine Nummer kleiner sein. Gewiß, auf der Bühne haben alle Platz — und was an Lichtern an der Decke hängt, ist alles andere als ärmlich. Auch der Sound ist brillant, aber die Produktion schwelgt trotzdem nicht gerad im Pomp.

Knopfler hat sich gleich acht Musiker in seine aktuelle Mannschaft geholt. Griindungs-Veteran John Illsley am Baß und die langjährigen Keyboarder Guy Fletcher und Alan Clark sind nach wie vor mit von der Partie, der Rest der Truppe ist neu: Paul Franklin an der Pedal Steel-Guitar. Chris White am Saxophon, Gitarrist Phil Palmer (zuletzt mit Clapton auf Tour). Drummer Chris Witten (Ex-McCartney-Band) und Percussionist Danny Cummings sind allesamt exzellente Solisten, aber gleichzeitig auch eine druckvolle Big Band. „Calling Elvis“ ist die ideale Aufwärm-Nummer: alle in einem entspannten Rockabilly-Groove. die Soli werden ruckzuck weitergereicht. Es darf gejammt werden, aber zügig bitte; langatmige Soli-Strecken aus früheren Tagen sind endgültig passe. Die Dire Straits klingen kompakter, haben sich von überflüssigem Ballast befreit. Das zeigt sich vor allem bei epischen Monumentalstücken wie „Romeo And Juliet“, „Private Investigations“ oder „Tunnel Of Love“ — statt erdrückendem Pathos gibt’s spartanische Arrangements mit prickelnden Momenten.

Und dann gibt Knopfler doch wieder etwas Leine, spannt das Publikum auf die Folter, wenn er das Gitarren-Finale von „Sultans Of Swing“ immer wieder verfremdet und erst zum Schluß so spielt, wie sie es alle hören wollen.

Bei den neuen Songs fallen die Reaktionen erwartungsgemäß etwas verhaltener aus. Was man nicht kennt, kann man eben nicht mitgrölen, schon gar nicht eine langsame Soul-Nummer wie „Planet Of New Orleans“. Ein Song, der in eine andere Richtung deutet als das, was man bisher von den Dire Straits kannte. Mit dem wuchtigen „Heavy Fuel“ und dem verträumten „On Every Street“ schwimmt Knopfler dann aber wieder im vertrauten Fahrwasser: Der sonore Brummton und ein untrügliches Gespür für Melodien haben ihn auch auf der neuen LP nicht verlassen.

Kurz vorm Schlußpfiff ziehen sie noch einmal mächtig an: „Money For Nothing“ fordern 8000 Dubliner, und der Mann mit dem Stirnband lächelt am Bühnenrand. Er hat Spaß an diesem Abend, das merkt man. Nach zwei Stunden und 20 Minuten schließlich die letzte Zugabe: des Sängers Ode an sein „long gone Irish girl“, eine von „Portobello Belle“.

Wenn Knopfler und Co. diese Form während der nächsten zwei Jahre ihrer Welt-Tournee halten, hat sich die Rückkehr in den Ring nicht nur finanziell gelohnt. Manche Bands werden eben mit zunehmendem Alter immer besser.