Die Schokoladen-Schnüffler


Um die typischen League-Melodien herum tut sich allerdings wesentlich mehr als zu DARE- oder HYSTERIA-Zeiten. Für das Mehr an Groove und Rhythmus zeichnen die Herren Jimmy Jam und Terry Lewis verantwortlich, das zur Zeit mit Abstand gefragteste schwarze Produzenten-Team der Staaten (S.O.S. Band. Janet Jackson. Cherrelle, Alexander O’Neil).

Die Idee, sich unter die Fittiche der beiden Soul, Funk-Korvphäen zu begeben.

stammt allerdings nicht aus dem Sheffielder Hauptquartier der Human League. sondern aus den oberen Etagen ihrer amerikanischen Plattenfirma. Liga-Chef Phil Oakev:

„Das Wort funky würde ich nie benutzen, das kommt für mich aus einer anderen Welt. Ich weiß gar nicht, was das ist. „

Und das glaubt man ihm aufs Wort: der Mann ist so weiß, weißer geht’s nicht. Trotzdem war er von der Kooperation sehr angetan, „weil die sich echt gekümmert haben, besonders um den Gesang. Deshalb hat’s in Minneapolis auch wesentlich länger gedauert als ursprünglich geplant.“ Sängerin Susanne Sulley (die Blonde): „Wir sind für sechs Wochen hingefahren … und vier Monate geblieben. „

Eigentlich waren sechs der zehn CRASH-Nummern schon fertig aufgenommen, als die Human League ins Flugzeug nach Amerika stieg. Phil: „Irgendwie hauten die Songs noch nicht so recht hin, aber wenn du Jim und Terry das aufs Band bringen läßt, klingt ’s sofort besser,“

Die übrigen vier Nummern stammen von Jam und Lewis bzw. deren Freunden, die sich offenbar so intensiv mit den Leaeueschen Melodiebögen beschäftigt haben, daß man beim Ratespiel Welche-Nummer-istvon-wem? fast jedesmal danebentippt. Ausgerechnet die als Single ausgekoppelte Über-Ballade „Human“ haben zum Beispiel nicht Oakey & Co., sondern die beiden ausgeheckt.

So euphorisch sieh die gesamte Band über deren Produzenten-Tätigkeit äußert, so geteilt sind die Meinungen über ihre Song-Beiträge. Keyboarder Ian Burden findet, daß „sie über Sachen schreiben, über die die Human League normalerweise nicht schreiben würde. “ Dem Mann, der die „Sachen“ singen muß, ist das dagegen ziemlich wurscht.’Phil Oakey bezeichnet sich zwar als „wählerisch“, was fremder Leute Texte angeht, bemerkt aber andererseits scharfsinnig: „Zu einem Song muß man halt einen Text schreiben. Es muß sich reimen, das ist echt wichtig für mich, ich habe sehr altmodische Ansichten, was das Texten angeht. Alle zwei Zeilen muß es sich reimen. Worum es thematisch geht, ist letztlich nicht so wichtig. „

„I need your kissing —/ you can have my money —/ hold your head up —/ are you ever coming back —/ love is the real thing“ -— wo er recht hat, hat er recht. „Im only human, born to make mistakes…“ Das kann noch so platt sein, rein ohrwurm-technisch gibt’s da nichts zu meckern. Jimmy Jam und Terry Lewis sind die Sahne auf der Schokolade, „Human“ klingt wie weiße S.O.S. Band. Gänsehaut.

Phil Oakey weiß das: ein erfolgverwöhnter Mann, der sich seiner Sache sicher ist. Von der deutschen Wiederauferstehung der allerersten Human League-Single „Being Boiled“ hat er telefonisch erfahren. „Das ist doch toll, oder? Wenn die Leute sieben Jahre später losgehen und so einen Song kaufen. Uns ist das ganze Pop-Business eh viel zu geldorientiert und stundenplanmäßig geworden. Alle wollen, daß du das richtige zur rechten Zeit fürs rechte Geld machst. Alles was wir je wollten, war Songs schreiben, sie der Plallenfirma geben… und die können sie dann rausbringen, wenn sie wollen.“

Wer ihm zuhört, beginnt früher oder später zu verstehen, warum dem eingebildeten Kerl so viele Leute wünschen, daß die Plattenfirma seine Songs irgendwann mal nicht mehr rausbringen will.