Die Pforten der Wahrnehmung


Das definitive Vermächtnis der epochalen Rock-Band aus Los Angeles: alle sechs Studioalben samt rarem Audio- und Videomaterial auf CD und Audio-DVD in einer wunderhübsch aufgemachten Box.

Zuerst sieht man diese Tür: Sicherheitskette, Riegel, Griff, auf dem Namensschild steht PERCEPTION (wir erinnern uns: Die Doors ließen sich bei ihrem Bandnamen von Aldous Huxleys Buch „The Doors Of Perception“ inspirieren.), darüber ein Spion-blickt man hindurch, sieht man sich Jim Morrison, Ray Manzarek, Robbie Krieger und John Densmore gegenüber. Die Verpackung ist so aufwendig wie effektvoll – und doch will das Gefühl des Unbehagens nicht weichen. Schließlich hält man nun die mittlerweile dritte Doors-Box nach der Vier-CD-Raritäten-Live-und-Outtakes-Sammlung THE DOORS BOX SET von 1997 und den kaum zwei Jahre später erschienenen COMPLETE STUDIO RECORDINGS in Händen -und da haben wir noch nicht von den in inflationären Mengen auf den Markt geworfenen Best-Of- bzw. Rare-&-unreleased-Kompilationen auf Vinyl und CD, von Videos, DVDs und all dem anderen Kram gesprochenen dem sich auch mehr als 35 Jahre nach Jim Morrisons Tod ordentlich verdienen lässt. Haben wir es also mit windiger Abzokke zu tun, mit wüster Geschäftemacherei, mit JUST ANOTHER ROCK’N’ROLL SW1NDLE? Die Antwort lautet: Nein, nein und nochmals nein.

Und damit endlich zur Sache: PERCEPTION enthält auf insgesamt sechs Doppel-Silberlingen alle sechs Studioalben des Quartetts aus Los Angeles – und zwar in je zwei Formaten: als normale CD, neu abgemischt indes und damit endlich in einer klanglichen Brillanz erstrahlend, die selbst Hörer, die das Doors-CEuvre in- und auswendig zu kennen glauben, mit ungeahnten Nuancen überraschen wird, sowie für den, der über das entsprechende Abspielgerät verfügt, als Audio-DVD im 5.1-Surround-Sound. Dazu gibt’s auf jeder CD Alternative Takes (etwa diverse Durchgänge des „Roadhouse Blues“ auf MORRISON HOTEL), Workin-Progress-Aufnahmen (17 Minuten „Celebration Of The Lizard“ auf WAIT1NG FORTHE SUN), etwas Studiogeplauder und einige Raritäten wie die „Orange County Suite“ auf L.A. WOM AN sowie auf jeder Audio-DVD reichlich Videomaterial: Konzertmitschnitte von „WhenTheMusic’s Over“ und „Spanish Caravan“, von „The End“ und „The Soft Parade“, Fotogalerien galore und vieles mehr. Die feinen Booklets glänzen ebenfalls mit zahlreichen unveröffentlichten Fotos, mit Linernotes solch renommierter Schreiber wie Ben Fong-Torres, David Fricke, Barney Hoskins und Paul Williams und mit Anmerkungen von Doors-Studio-Wizard und -Produzent Bruce Botnick. Der berichtet u.a., dass die Aufnahmen des sensationellen Debütalbums einst in der falschen Geschwindigkeit und in nicht ganz exakter Tonhöhe abgemischt worden seien. Eine Panne, die man für diese Neuauflage korrigiert habe. Nun gut, wer hochsensible Ohren hat, mag’s hören, yours truly vermochte jedenfalls keinen Unterschied auszumachen – wohl zu oft zu laut „Soul Kitchen“. „Light My Fire“ und „Riders On The Storm“ gehört.

So, und jetzt für alle, denen Morrison, Manzarek, Krieger und Densmore tatsächlich noch unbekannte Wesen sind, die Alben im Schnelldurchlauf (und mit Sternchenwertung, denn eine Einzelveröffentlichung-siehe die Grateful-Dead-Rereleases – wird wohl nicht lange auf sich warten lassen): THE DOORS -erschienen im März 1967-ist längst als eines der fabelhaftesten Debüts ever in den Kanon unsterblicher Rock-Platten eingegangen: düster, poetisch, theatralisch, der dunkle Gegenentwurf zur Hippieseligkeit jener Tage, gesegnet mit reihenweise fantastischen Tunes („Break On Through“, „Light My Fire“, „The Crystal Ship“, Brecht/Weills „Alabama Song“, das umstrittene Ödipus-Epos „The End“). Der Nachfolger STRANGE DAYS steht diesem Meisterwerk kaum nach und enthält mit „Moonlight Drive“, „People Are Strange“ und „When The Music is Over“ mindestens drei Doors-Klassiker, während auf WAITING FOR THE SUN erste Anzeichen von Verschleiß nicht zu überhören waren – trotz hinreißender Songs wie dem unendlich traurigen „Summer’s Almost Gone“, dem beschwingten „Love Street“ und dem iberisch inspirierten „Spanish Caravan“. Auf THE SOFT PARADE wurde erstmals das Trademark „Written by The Doors“ zugunsten individueller Credits aufgegeben – und mit Geigen. Pauken und Trompeten gearbeitet. Beides tat dem Album nicht soo gut. MORRISON HOTEL kam im April 1970 dann gerade recht, um mit seiner Hinwendung zum Blues und großen Würfen wie „Roadhouse Blues“ und „Peace Frog/Blue Sunday“ den etwas ramponierten Ruf der Band wieder aufzumöbeln, L.A WOMAN schließlich war beides: Geniestreich und Schwanengesang. Nie zuvor hatte man Jim Morrison so singen hören wie auf „Love Her Madly“, „Been Down So Long“ und „Hyacinth House“, nie zuvor Ray Manzarek, Robbie Krieger und John Densmore spielen hören wie auf „L’America“, „Riders On The Storm“ und „L.A. Woman“. Und: Kein anderes Album – außer STICKY FINGERS der Rolling Stones – steht so symbolhaft für das jähe Erwachen aus dem Traum von „Love & Peace“. PERCEPTION ist das definitive Vermächtnis einer so epochalen wie einflussreichen Band, dafür einen Sternenhimmel, mindestens aber 5,5 >» www.thedoors.com

Discoqrafie (Auswahl]:

1970 Absolutely Live

1971 Other Voices [ohne Jim Morrison]

1977 Full Circle [ohne Jim Morrisonl

1972 Weird Scenes Inside The Gold Mine [Compilationl

1978 An American Prayer

1963 Alive She Cried

2000 Essential Rarities

2001 Bright Midnight: Live In America

2003 Legacy: The Absolute Best (Compilation)